Dienstag, 30. April 2024

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Leitungsaufgaben in Kitas
"Bundeseinheitliche Standards müssen her"

In vielen Kitas fehlt die Zeit für Leitungsaufgaben. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie. Das liege weniger an Personalmangel, sondern eher daran, dass es bisher keine bundesweite Regelung für Leitungsaufgaben in Kitas gebe, sagte Kathrin Bock-Famulla, Expertin für frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann Stiftung, im DLF.

Kathrin Bock-Famulla im Gespräch mit Kate Maleike | 06.06.2016
    Kinder im Kindergarten, hier im Kinderhaus "Blauer Elefant" in Essen
    Oft bleibt im Kita-Alltag kaum Zeit, um Leitungsaufgaben nachzukommen. ( picture alliance / dpa)
    Kate Maleike: Mehr Plätze, längere Öffnungszeiten und höhere pädagogische Qualität: Die Ansprüche an Kindertageseinrichtungen sind in den letzten Jahren bundesweit gewachsen. Dadurch steigen natürlich auch die Erwartungen an die Kita-Leitungen, wo Verantwortung für Pädagogik, Personal und Budget und, und, und zusammenkommen.
    Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt jedoch, dass für diese Leitungsarbeit oft keine oder nur zu wenig Zeit eingeplant ist. Kathrin Bock-Famulla ist Expertin für frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann Stiftung. Guten Tag!
    Kathrin Bock-Famulla: Hallo!
    Maleike: Was sind denn die wichtigsten Kernaussagen Ihrer neuen Studie?
    Bock-Famulla: Wir mussten feststellen, dass in Deutschland immerhin jede siebte Kita über überhaupt keine Leitungszeit verfügt. Das heißt, Aufgaben, die in diesen Bereich fallen, müssen eigentlich nebenbei erledigt werden, und wenn wir uns dann noch mal die Situation in den Bundesländern anschauen, so müssen wir eben feststellen, dass es dort auch eine sehr große Spannbreite gibt. So ist es so, dass in Bremen 32 Prozent der Kitas angeben, dass sie keine Zeit für Leitungsaufgaben haben, während es in Sachsen-Anhalt nur ungefähr sieben Prozent sind von den Kitas, die angeben, dass sie eben keine Zeit für Leitung haben.
    Wenn man sich dann noch mal anguckt, die Einrichtungen, die eben Leitungszeit haben, müssen wir auch dort feststellen, dass es zwischen den Bundesländern ein großes Spannungsverhältnis gibt. So ist es so, dass pro pädagogischer Mitarbeiterin in Bayern 1,3 Stunden zur Verfügung stehen für Leitungsaufgaben, während in Hamburg immerhin 3,3 Stunden pro Mitarbeiterin Leitungszeit zur Verfügung stehen, und insofern kommen wir eigentlich zu dem Ergebnis, dass die Differenzen für diesen wichtigen Bereich einfach zu groß sind im Hinblick auf die Ausstattung.
    "Es ist nicht zu wenig Personal da"
    Maleike: Wie wird es denn erklärt, dass da so wenig Zeit ist? Ist einfach zu wenig Personal da?
    Bock-Famulla: Nein, es ist nicht zu wenig Personal da, sondern wir müssen eben ganz klar feststellen, dass die Regelungen auf der Landesebene für den Leitungsbereich festgelegt sind und dass die Länder eben hier sehr unterschiedliche Regelungen haben. In einigen Ländern gibt es auch überhaupt keine Regelungen, wie viel Zeit für Leitung vorzuhalten ist, und die Träger können natürlich nur mit den finanziellen Möglichkeiten, die ihnen gegeben werden, dann auch die Kitas entsprechend ausstatten.
    Insofern müssen wir einfach feststellen, aufgrund der sehr unterschiedlichen Bundesländerregelungen kommt es hier auch zu ungleichen Situationen im Hinblick auf die Ausstattung.
    Maleike: Wenn die pädagogische Qualität dann nicht leiden soll – das ist ja nur eine der vielen Aufgaben –, muss also dringend sowas her wie ein bundeseinheitlicher Standard oder eine Festschreibung, was Kita-Leitung eigentlich heißt. Das ist eine Ihrer Hauptforderungen dann.
    Bock-Famulla: Ja, genau, weil wir sagen, in jeder Einrichtung, auch unabhängig von ihrer Größe, treten einfach Leitungsaufgaben auf, die bewältigt werden müssen. Da geht es nicht nur um den Bereich der Organisation und des Managements, sondern Kita-Leitungen – und das wissen wir auch aus anderen wissenschaftlichen Studien – haben für den Bereich Qualitätsentwicklung eine ganz wesentliche Rolle in den Einrichtungen, und wenn diese Funktion nicht adäquat besetzt ist, kann auch die politische Forderung, dass eben die Qualität der Angebote wirklich sehr wichtig ist, einfach nicht erfüllt werden.
    Bundeseinheitlicher Standard gefordert
    Maleike: Wer muss denn jetzt aus Ihrer Sicht handeln?
    Bock-Famulla: Also wir schlagen eben vor, dass es tatsächlich einen bundeseinheitlichen Standard geben sollte, dass für diesen elementar wichtigen Kernbereich für eine gute Qualität alle Einrichtungen bundesweit den gleichen Standard haben. Insofern appellieren wir an Bund und Länder, sich auf einen gemeinsamen Standard zu einigen.
    Maleike: Kathrin Bock-Famulla war das hier in "Campus und Karriere" zu einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung, die zeigt, dass Kita-Leitungen explizit für diese Leitungsarbeiten oft zu wenig oder gar keine Zeit haben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.