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Polens Regierungspartei
Angst vor Machtverlust

Zigtausende demonstrierten gegen Pläne der rechtskonservativen Regierungspartei PiS zum Staatsumbau in Polen. Doch dann schlief die Bürgerbewegung nach inneren Querelen ein. Jetzt aber erlebt die Regierung erneuten Gegen- und die Opposition Aufwind: Grund dafür ist die rechtsliberale Oppositionspartei "Bürgerplattform".

Von Florian Kellermann | 05.05.2017
    Eine Menschenmenge vor dem Parlamentsgebäude in Warschau hält Banner und Fahnen in die Höhe.
    Es gibt wieder Aufwind für die demokratische Opposition Polens: Morgen werden rund 100.000 Demonstranten gegen die Politik der rechtskonservativen PiS in Warschau erwartet. (picture alliance /dpa /Marcin Obara)
    Bei der Parlamentswahl erzielte die rechtskonservative Partei PiS einen großen Erfolg in der Kleinstadt Legionowo. Diese hatte bis dahin als Bastion der "Bürgerplattform" gegolten, doch diesmal landete die PiS nur ganz knapp hinter den Rechtsliberalen.
    Heute, anderthalb Jahre später, steht Legionowo für die erste schmerzhafte Niederlage der PiS, seit sie an der Macht ist. Bei einem lokalen Referendum stimmten 94 Prozent gegen ein geplantes Gesetz.
    Warschau seit über zehn Jahren fest in der Hand der "Bürgerplattform"
    Es sollte Legionowo und 31 andere Gemeinden gemeinsam mit der nahegelegene Hauptstadt Warschau in einer neuen Verwaltungs-Einheit zusammenfassen - einer von der Regierung so genannten "Metropole Warschau". Heftiger Protest kam auch aus den anderen Gemeinden. Der Autor des Gesetzes, der PiS-Abgeordnete Jacek Sasin gab sich kleinlaut:
    "Wir haben uns entschlossen, das Projekt aus dem Parlament zurückzuziehen. Die Regierung soll ein neues Projekt erarbeiten, wenn wir eine 'Metropole Warschau' schaffen wollen. Da sollten wir die Hinweise der Bürger einarbeiten, die wir bekommen haben."
    Das Gesetz sollte noch vor den Kommunalwahlen im kommenden Jahr in Kraft treten. Mit einem Ziel, wie Kritiker meinen: Das konservativere Warschauer Umland sollte dafür sorgen, dass die polnische Hauptstadt künftig von einem PiS-Bürgermeister regiert wird. Denn Warschau ist seit über zehn Jahren fest in der Hand der "Bürgerplattform".
    Kritik an der PiS-Politik
    Nicht nur das Referendum in Legionowo hat der Regierung in den vergangenen Tagen zu denken gegeben. Zum ersten Mal wurde grundsätzliche Kritik aus den eigenen Reihen öffentlich. Digitalisierungsministerin Anna Strezynska sagte in einem Radiointerview:
    "Wir sollten mehr auf Entwicklung und Fortschritt setzen als auf Sozialausgaben. Um jeden Preis alle Wahlversprechen zu erfüllen und am besten noch im ersten Jahr, finde ich nicht akzeptabel. Die Bürger sollten lernen, dass wir Rücksicht auf Tatsachen nehmen müssen, und man Geld erst dann ausgeben kann, wenn man es hat."
    Damit meinte die Ministerin nicht das neue Kindergeld, wie sie betonte, wohl aber die Absenkung des Renteneintrittsalters. Strezynska ist nicht Mitglied der PiS. Dennoch fühlten sich Regierungsmitglieder genötigt, sie zur Ordnung zu rufen.
    Opposition hat mit der PiS fast gleichgezogen
    Die Nervosität im Regierungslager kommt nicht von Ungefähr: Die beschlossene Schulreform ist umstritten, der Lehrerverband hat über 900.000 Unterschriften gesammelt, um sie in einer landesweiten Volksabstimmung zu kippen.
    In Umfragen hat die oppositionelle "Bürgerplattform", die bis 2015 an der Regierung war, mit der PiS fast gleichgezogen. Publizisten, die mit der Regierungspartei sympathisieren, schlagen Alarm, so Piotr Semka von der Zeitschrift "Do Rzeczy":
    "Der Selbsterhaltungstrieb der Politiker dieser Regierung scheint immer mehr zu versagen. Heute rächt sich, dass das Kabinett nicht beizeiten reformiert wurde. Eine gute Gelegenheit ergab sich im Januar, als der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski die Parlamentskrise auflöste. So jedenfalls schafft es die PiS nicht, die liberalen Wähler zu gewinnen und zu halten und das trotz der guten wirtschaftlichen Konjunktur."
    Verwirrung über neue Verfassungsgebung
    Auch der jüngste Vorstoß von Präsident Andrzej Duda, Polen solle sich eine neue Verfassung geben, hat dem Regierungslager keine Ruhe gebracht. Er sorgte eher für Verwirrung. Duda will die Polen zunächst in einer Volksabstimmung fragen, ob sie mit der geltenden Verfassung zufrieden sind. Regierungssprecherin Elzbieta Witek wirkte überrascht:
    "Jetzt erwarten wir alle, dass Präsident Andrzej Duda bald einen Fahrplan vorstellt, der zum Referendum führt. Wir haben nur gehört, dass sich die Bürger im kommenden Jahr äußern sollen, aber dafür brauchen wir Einzelheiten, in welche Richtung die Veränderungen gehen könnten."
    Das Regierungslager macht derzeit also nicht mehr den geschlossenen und entschlossenen Eindruck wie noch vor einem Jahr. Einen Hinweis darauf, ob die Opposition davon nachhaltig profitieren kann, wird die Demonstration am Samstag geben. Die "Bürgerplattform" hofft auf 100.000 Menschen in Warschau.