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Blick durch die Geschichte

Archäologie.- Die Schriftrollen vom Toten Meer gehören zu den bedeutendsten Kulturgütern der Menschheit. Trotz ihres hohen Alters werfen diese sogenannten Qumran-Rollen noch viele Fragen auf - zum Beispiel die nach ihrer Herkunft.

Von Joachim Hildebrandt | 14.12.2010
    Die Schriftrollen wurden im November 1947 von Beduinen in Höhlen am Toten Meer entdeckt.

    In den Jahren zwischen 48 und 56 wurden weitere Rollen gefunden. Meistens in elf Höhlen von Qumran.

    Ira Rabin arbeitet in der Arbeitsgruppe Kunst- und Kulturgut mit, um die Pergament- und Lederproben zu untersuchen. Die mehr als 17.000 Fragmente geben den Forschern immer noch Rätsel auf. Zum Beispiel, wo sie entstanden sind. Aufgefunden wurden sie in der Ruinenstadt Khirbet Qumran im Westjordanland, nicht weit entfernt von Jerusalem und Bethlehem. Nur wenige Rollen, die man in Tonkrügen und eingehüllt in Leinentüchern fand, waren noch gut erhalten. Die meisten anderen waren offenbar hastig in die Höhlen gepackt oder geworfen worden und sind teilweise zerfallen oder von Ratten und Mäusen angefressen.

    Die Forscher wollen untersuchen, wo die Rollen genau herstammen. Dabei
    hilft ihnen das Wissen, dass das Verhältnis von Brom und Chlor in den gefundenen Pergamenten mit dem des Wassers am Toten Meer nahezu identisch ist.

    "Wir haben das Brom-Chlor-Verhältnis gewählt, weil es in diesem Gebiet viel kleiner als im normalen Salzwasser ist."

    Mit einer Art "Fingerabdruck" lässt sich jedes Fragment mit einem anderen mithilfe von Röntgen- oder Infrarot-Spektren vergleichen und es ihm zuordnen. Fragment A kann zum Beispiel mit Fragment B in diesem großen Puzzle zusammengesetzt werden. Die Ruinen und Rollen sind Hinterlassenschaften einer strenggläubigen jüdischen Sekte. Man nannte
    sie die Essener. Der im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung in Rom lebende Historiker Flavius Josephus schrieb, dass die Mitglieder der Sekte einen Eid schwören mussten, um die Geheimnisse der Gemeinschaft zu wahren.

    "Einer der Fragen war, ob alle Rollen an einem Ort oder an vielen Orten geschrieben wurden. Dann würde man feststellen, ob es eine große Sekte oder eine große Bewegung war."

    Die jüdische Sekte, die Essener, existierten zwischen 200 vor Christus und 70 nach Christus. In den 50er-Jahren befürchteten Theologen, dass die Rollen die Einzigartigkeit von Jesus Christus in Frage stellen könnten. Dass schon vor ihm ein "Lehrer der Gerechtigkeit und
    Rechtschaffenheit" in Palästina gelebt hätte.

    "Der Gründer dieser Sekte, was wir über ihn wissen, ist eine sehr charismatische Figur. Auf den ersten Blick ist er Jesus sehr ähnlich. Aber er lebte ja fast 200 Jahre vor Jesus."

    Inzwischen hat sich die Aufregung gelegt. Die Unterschiede zwischen dem Lehrer der Essener und dem Gottessohn der Christen seien deutlich, meinen viele Theologen, und ließen sich auch so erklären: Die Essener predigten Hass gegen ihre Feinde, Jesus dagegen Liebe. So dass in den Schriftrollen nichts enthalten sei, was die christlichen
    Glaubensgrundlagen erschüttern könnte.

    Die Qumran-Forscher wollen als nächstes die Tusche der Pergamente untersuchen, weil es noch Zweifel gibt, ob alle gefundenen Pergamente am Toten Meer hergestellt worden sind.