Internationaler Tag der Putzfrau

Die "Perle" wird per App bestellt

Eine Reinigungskraft putzt in der Stadthalle von Memmingen (Foto vom 10.11.2015) im Gegenlicht. Foto: Karl-Josef Hildenbrand /dpa
Online-Dienste führen dazu, dass das Reinigungsgewerbe immer anonymer wird © dpa/picture-alliance/Karl-Josef Hildenbrand
Christoph Bartmann im Gespräch mit Nana Brink  · 08.11.2016
Putzfrauenromane könnten wohl nicht mehr entstehen, sagt Christoph Bartmann, Autor von "Die Rückkehr der Diener". Die Dienstleisterinnen ähnelten eher den unsichtbaren Heinzelmännchen.
"Der Tag der Putzfrau will vielleicht auch der "Perle" ein Denkmal setzen", sagte der Sachbuchautor Christoph Bartmann im Deutschlandradio Kultur. "Dieser Kraft, die wir gut kennen, die uns im Haushalt beisteht, die fast schon so eine Freundin der Familie wird." Das gebe es alles noch in den Haushalten. "Was es aber heute zunehmend gibt, ist ein plattformgetriebener Heinzelmännchen oder -weibchen Dienst", sagte der Autor des Buches "Die Rückkehr der Diener", in dem er die Veränderungen dieses Dienstleistungsgewerbes analysiert und tief in die Haushalte blickt.

Wie die Heinzelmännchen wieder verschwunden

Bartmann erinnerte an die Geschichte von den Heinzelmännchen, die nachts als Kölner Hausgeister unentdeckt die Arbeit der schlafenden Bürger erledigten. "Die blieben unsichtbar und als sie dann eines Tages beim Arbeiten gesehen werden, sind sie für immer verschwunden."
Das habe Ähnlichkeit mit diesem neuen Plattformwesen, sagte Bartmann. "Wir sehen die Dienstleisterinnen nicht mehr, sondern wir buchen sie Online über irgendeine App für irgendeinen günstigen Tarif." Es gebe eine völlig neue Tendenz im Dienstleistungsgewerbe der Reinigungskräfte, sagte Bartmann zum Tag der Putzfrau. Es komme dadurch zu einer Anonymisierung dieser Arbeitsverhältnisse im eigenen Haushalt.
Den internationalen Tag der Putzfrau hatte 2004 die Krimiautorin Gesine Schulz ins Leben gerufen, deren Buchheldin Karo Rutkowsky als Privatdetektivin und Putzfrau in zahlreichen Krimis auftaucht.

Das Interview im Wortlaut:

Nana Brink: Etwa zwölf Prozent der deutschen Haushalte beschäftigen eine Putzkraft. Wie viele davon legal, das lassen wir jetzt mal dahingestellt, unterschiedliche Studien gehen von 80 Prozent aus. Aber noch viel mehr als diese zwölf Prozent, die schon eine haben, die fänden es ganz super, wenn sie nicht mehr selbst wischen und putzen müssten, und würden deshalb gerne eine einstellen oder beschäftigen.
Und wie jedes Jahr findet heute der Internationale Tag der Putzfrau statt, es gibt ihn seit 2004, und die Idee dazu hatte die Krimiautorin Gesine Schulz, deren Romanheldin Karo Rutkowski Putzfrau und Privatdetektivin zugleich ist. Und wir nehmen das zum Anlass, mal zu fragen, wie wir es denn heute mit dem Putzen halten! Und ich möchte darüber sprechen mit Christoph Bartmann, frisch gebackener Leiter des Goethe-Instituts in Warschau. Schönen guten Morgen!
Christoph Bartmann: Guten Morgen!
Brink: Ja, ich grüße Sie, Herr Bartmann! Sie haben ein Buch geschrieben über das neue Bürgertum und sein Personal. Der Titel: "Die Rückkehr der Diener". Gehört da die Putzfrau dazu?
Bartmann: Ja, natürlich gehört die Putzfrau dazu. Also, ich habe in New York gearbeitet und da dieses ganze Spektrum von so alten und neuen Dienstleistungsberufen erlebt und ein bisschen untersucht, und die Putzfrau oder auch Haushälterin, Housekeeper und so ist natürlich eine Figur in diesem Spektrum.
Brink: Da sind wir schon bei der Bezeichnung, Sie haben es selber gesagt, es gibt so viele unterschiedliche. Putzfrau, man hat das salopp mal hier als Putze verkürzt, heute gilt das ja politisch als doch ziemlich unkorrekt, und aber Reinemachfrau, Stundenfrau, Aufwartefrau, Zugehfrau, Bedienerin, Putzhilfe, Putzfee, Perle, Scheuerfrau … Auf welchen Begriff muss man sich heute einigen?
Bartmann: Ja, ist schwierig, es auf einen Begriff zu reduzieren, weil jeder Begriff auch ein bisschen was anderes aussagt. Also, die Zugehfrau geht uns zu, die muss nicht unbedingt im Haushalt leben, die Haushälterin, da gibt es dann immer die Unterscheidung, im Haushalt lebend oder nur zeitweise im Haushalt arbeitend, hat wieder ein etwas anderes Spektrum, ein erweitertes. Also, das sind alles Tätigkeiten sozusagen im Formenkreis von Wartung und Pflege, von Sauberkeit und Ordnung. Und dieser Bereich, der wandelt sich gerade ganz grundlegend.

Teams in schicken T-Shirts

Brink: Wie wandelt er sich, was haben Sie erfahren?
Bartmann: Indem, ja, also, ich weiß nicht … Der Tag der Putzfrau will vielleicht auch ein Denkmal setzen der, ich sage mal, der Perle. Dieser Kraft, die wir gut kennen, die uns im Haushalt beisteht, die fast so eine Art Freundin der Familie wird. Das gibt es natürlich auch alles noch. Was es aber heute zunehmend gibt, ist ein plattformgetriebener sozusagen Heinzelmännchen- oder -weibchendienst, wie man will.
Alle kennen ja, oder viele, die Geschichte oder die Ballade von den Heinzelmännchen von Köln, die nachts die Arbeit der Bürger erledigten, während die schliefen, also, die blieben unsichtbar, und als sie dann eines Tages gesehen werden beim Arbeiten, sind sie verschwunden für immer. Das hat etwas Ähnlichkeit mit diesem neuen Plattformwesen, wir sehen die Dienstleisterinnen nicht mehr, sondern wir buchen sie online über irgendeine App für irgendeinen günstigen Tarif und dann sind die irgendwie Teil eines Teams, haben schicke T-Shirts an, so wie die Uber-Fahrer. Es gibt also eine völlig neue Tendenz im Dienstleistungsgewerbe, auch was Reinigungskräfte angeht.
Brink: Ist das nun gut oder schlecht?
Bartmann: Gute Frage. Also, für uns ist es zunächst mal einfacher. Also, wir ersparen uns Stress. Also, warum überhaupt beschäftigen wir Putzfrauen oder auch eben Putzmänner, es gibt ja auch einige Männer in dem Gewerbe: Weil wir uns den Rücken freihalten wollen, Dinge, die uns nicht viel bedeuten, gerne in fremde Hände legen, weil wir sowieso schon zu viel auf dem Zettel haben oder so, so geht ja in etwa die Geschichte dazu. Und das ist irgendwie ein interessantes Phänomen, dass wir uns alle so gestresst fühlen, dass wir da Hilfe brauchen. Und die Anbahnung über Internet ist natürlich noch mal deutlich einfacher.
Also, ich muss überhaupt nicht die Person vorab auf ihre Vertrauenswürdigkeit untersuchen, weil mir das alles irgendwie der Service abnimmt. Also, der hat die schon vorab gescreent und da weiß ich, die sind zuverlässig, die Zahlung erfolgt per Kreditkarte, ich lege meinen Schlüssel hin. Also, das ist so eine Anonymisierung auch solcher häuslichen Arbeitsverhältnisse, wie sie vorher nicht dagewesen ist. Das ist vielleicht sogar gut für uns, vielleicht auch sogar gut für die Dienstleister, weil die mit uns nicht mehr in Berührung kommen. Nur, auf die Weise entstehen natürlich keine Putzfrauenromane mehr.

Frauen putzen besser

Brink: Und keine Perlen mehr. Sie haben es erwähnt, dieses Missverhältnis zwischen Männern und Frauen, über 80 Prozent sind Frauen und ich darf Sie mal zitieren in Ihrem Buch: "Es ist auffällig, dass richtiges, gründliches Putzen weiterhin eine weibliche Domäne bleibt, eine anstrengende, belastende Handarbeit, für die der Geräteindustrie seit dem Wischmopp keine wirkliche Lösung mehr eingefallen ist."
Bartmann: Ja, das ist tatsächlich meine Auffassung. Also, ich … Aus Gründen, die man näher analysieren müsste, können Frauen das oft besser, können besser gründlich als Männer. Und sie können es auch besser als Roboter oder andere Haushaltsgeräte. Ist ja interessant, dass so in der Geschichte des Haushaltsgeräts diese Geräte immer so Namen haben wie Kobold oder Vampir, also, da ist ja auch dieses Heinzelmännchentum so etwas mit drin enthalten. Und die versprechen uns viel, halten aber insgesamt wenig. Und deswegen ist oft tatsächlich weibliche, körperliche Arbeit im Haushalt unentbehrlich.
Brink: Das heißt, wenn das mehr Männer machen würden, hätten wir mehr Geräte und bessere Wischmopps?
Bartmann: Ja, es gibt ja irgendwie die Vermutung oder den Verdacht, dass die Geräteindustrie immer dort besonders innovativ ist, wo sie die Bedürfnisse von Männern berücksichtigt, weil Männer nicht so gerne gründlich sind und entsprechend die Abhilfe, die technische, ausgefeilter ist als bei Frauen.

Abwertung des Berufs

Brink: 80 Prozent aller Putzfrauen – ich habe es am Anfang erwähnt, da sprechen Studien dafür, ganz unterschiedliche, aber sie kommen ungefähr auf die gleiche Zahl – arbeiten schwarz. Mal ganz abgesehen von dieser Steuerersparnis, die derjenige, der dann eine Putzfrau oder Perle beschäftigt, ist das dann nicht auch eine Abwertung des Berufs?
Bartmann: Das ist sicher eine Abwertung des Berufs. Dazu trägt natürlich auch bei, dass viele einfache häusliche Dienstleisterinnen und Dienstleister selber kein gesteigertes Interesse an einer Festanstellung haben, oder sie haben die Festanstellung schon irgendwo anders. Und es handelt sich ja oft auch um Migrantinnen und Migranten, die irgendwie ihr wahres Zuhause woanders haben oder vielleicht gar kein wahres Zuhause, sondern zwischen zwei Ländern oder mehr pendeln, und die dann eigentlich auch die Vorzüge dieser Flexibilität im Prekären sozusagen auch zu schätzen wissen.
Also, wenn sich jetzt die Putzfrauen und Putzmänner dieser Welt so organisieren würden wie früher mal die Arbeiterklasse, und streiken und Solidarität zeigen und Gewerkschaften gründen und so weiter, dann würde das uns auch schwerer gemacht.
Brink: Christoph Bartmann, Leiter des Goethe-Instituts in Warschau, danke für das Gespräch, Herr Bartmann!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Christoph Bartmann: Die Rückkehr der Diener. Das neue Bürgertum und sein Personal, Hanser Verlag, 22 Euro.

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