Dienstag, 30. April 2024

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Klimaschutz bei der Bahn

Der Verkehr wächst und wächst und dies belastet die Umwelt. In ferner Zukunft soll das anders werden, alternative Antriebstechniken sollen Mobilität ohne Emissionen ermöglichen. Die Autohersteller forschen zum Beispiel intensiv an der Brennstoffzelle - die Energiegewinnung aus der chemischen Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff hinterlässt als Endprodukt nur Wasser, das keine Umweltschäden befürchten lässt. Diese Technik könnte sich auch für die Bahn eignen - dies meinen jedenfalls das Wuppertal-Institut und die Energiestiftung Schleswig-Holstein. Annette Eversberg berichtet über eine Tagung, auf der die Möglichkeiten dafür diskutiert wurden.

von: Annette Eversberg | 14.11.2000
    Die Bahn hat einen Umweltbonus. Ihr Schienennetz verbraucht weniger Fläche, als das Straßennetz. Je Personenkilometer produzieren Züge weniger Treibhausgase wie Kohlendioxid oder Schadstoffe wie Stickoxide als das Auto. Doch es könnte - so Dr. Holger Krawinkel von der Energiestiftung Schleswig-Holstein - auch einmal anders aussehen.

    Holger Krawinkel: Sie können sich vorstellen, der Verkehr trägt ja zum großen Teil zu unseren Klimaproblemen bei, zur CO²-Emission, dass dort, wenn der private PKW-Verkehr seine Emissionseffizienz verbessert, der Schienenverkehr möglicherweise das Nachsehen hat.

    Das Dreiliterauto ist das beste Beispiel. Es verringert die Emissionen deutlich, auch gegenüber einem Zug, der traditionell von einer Diesellokomotive gezogen wird. Deshalb hat die landesweite Verkehrsservicegesellschaft Schleswig-Holstein gemeinsam mit der Energiestiftung in einem Gutachten prüfen lassen, ob Brennstoffzellen eine umweltfreundliche Antriebsmöglichkeit sind, um den Umweltbonus der Bahn zu erhalten. Brennstoffzellen gelten als eine Möglichkeit der umweltfreundlichen Energieerzeugung. Durch eine elektrochemische Oxidation wird in der Brennstoffzelle Strom erzeugt. Die Substanzen, die diesen Oxidationsvorgang bewirken, müssen jedoch erst gewonnen werden.

    Holger Krawinkel: Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Es geht im Wesentlichen darum, zunächst mit Erdgas und ähnlichem zu arbeiten, da Wasserstoff, der in der Brennstoffzelle eigentlich verarbeitet wird, nicht in den Mengen, vor allen Dingen nicht unter Berücksichtigung der gesamten Brennstoffkette ökologisch vertretbar zur Verfügung steht. Wenn Erdgas eingesetzt wird, muss der Kohlenstoff abgespalten werden. Das ist durchaus machbar, es gibt aber noch andere Möglichkeiten, z.B. der Einsatz von Methanol.

    Der hohe Wirkungsgrad bei der Stromausbeute im Vergleich zur direkten Verbrennung von Diesel interessiert auch die Bahn. Bei den Zügen gibt es beim derzeitigen Stand der Brennstofftechnik jedoch Probleme. Denn Schnellzüge fahren in einem anderen Leistungsbereich als Regionalbahnen, Rangierzüge wiederum in einem anderen als Güterzüge. Je länger höhere Geschwindigkeiten eingehalten werden, desto geringer der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle. Im Autoverkehr sieht das anders aus, weil hohe Geschwindigkeiten die Ausnahme sind. Geringe Geschwindigkeiten werden bei der Bahn jedoch im Rangierbetrieb und im Personennahverkehr gefahren, so dass hier die Brennstofftechnik wieder sinnvoll wird. Auch, was die Logistik anbelangt, gibt es für die Bahn Vorteile. Während bei einem Betrieb von PKWs mit wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen erst ein Netz von Tankstellen eingerichtet werden müsste, könnte das Tanken der Bahn an wenigen Punkten geschehen. Soweit die Machbarkeit. Die Ökobilanz beurteilt Dr. Karl-Otto Schallaböck vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie jedoch nicht durchgängig positiv.

    Karl-Otto Schallaböck: Der Vorteil aus Umweltgründen ist zunächst mal, dass Brennstoffzellen vor Ort so gut wie keine schädliche Emissionen erzeugen. Im gesamten Prozess ist der Vorteil jedoch nahe Null, solange man den Treibstoff für die Brennstoffzelle aus fossilen Energieträgern herstellt. Der Übergang zu regenerativen Energien, also Solarstrom, Windkraft, Biogas usw., der ist da noch in weiter Ferne, also kostenmäßig völlig außer Betracht zu stellen.

    Auch die Brennstoffzelle selber ist noch teuer, so dass die Wirtschaftlichkeit gerade für den Schienenverkehr vorerst bezweifelt wird. Von daher konnten die Autoren des in Kiel vorgelegten Gutachtens 'Brennstoffzelle im Schienenverkehr - eine Modellregion Schleswig-Holstein' nicht ohne weiteres empfehlen. Dennoch sieht Karl-Otto Schallaböck gerade bei der Bahn durchaus Möglichkeiten, den CO²-Ausstoß wirksam und umgehend zu mindern.

    Karl-Otto Schallaböck: Wenn im Schienenverkehr ein großer Mangel darin besteht, dass völlig überholtes Rollmaterial, Uraltloks mit sehr schlechten Effizienzen herumfahren, ist natürlich dringend notwendig, dass man hier erst mal den Stand der Technik einführt. Da kann man vorerst die Umwelt sehr viel leichter und effizienter entlasten.