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Frontaler Angriff

Die Attacken der deutschen Datenschützer gegen ein einseitig auf die Totalüberwachung der Athleten ausgerichtetes Dopingkontrollsystem nehmen zu und drohen in der neu geordneten politischen Landschaft starke Befürworter zu finden.

Von Thomas Kistner | 20.09.2011
    So attackierte der Arbeitsrechtler Peter Wedde das Testsystem der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) Scharf. Dies sei in der praktizierten Form - wörtlich - "aus datenschutztechnischer Sicht unzulässig". Und schlimmer: Die feststellbaren Rechtsverstöße, sagte der Direktor der Europäischen Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt, gingen - Zitat - "weit über das hinaus, was wir in den letzten Jahren an Datenschutzskandalen hatten".

    Wedde hält schon die Unterwerfungserklärungen der Athleten unter den Nada-Code mangels Alternative für erzwungen. Er kritisiert viele weitere Elemente als datenschutzrechtlich und verfassungsschutzrechtlich unzulässig, andere wie die Sichtkontrolle bei der Urinabgabe seien zudem "sittenwidrig". Wedde, der das Gutachten für die Basketballspielervereinigung SP.IN erstellte, fordert den Gesetzgeber auf, eine verfassungskonforme Basis für das Testsystem zu schaffen. Am besten durch ein Antidopinggesetz, wie es auch Sylvia Schenk fordert.

    "Es braucht eine gesetzliche Grundlage des Anti-Doping-Systems", sagt die Sportbeauftragte der Anti-Korruptionsorganisation "Transparency International" wörtlich, "und es braucht dessen Überarbeitung im Hinblick auf Milderungen der Eingriffe. Zudem gehört das gesamte sportliche Umfeld sehr viel stärker eingebunden: strukturelle Bedingungen, Betreuer und Funktionäre." An dieses Umfeld aber, bemängelt SP.IN, traue sich keiner ran, obwohl genau hier der Schlüssel zur Null-Toleranz-Politik liege.

    Nach Ansicht der Kritiker trägt zur Schieflage des einseitig auf Athleten abzielenden Dopingtestsystems auch bei, dass es jede Menge nicht nachweisbarer Mittel und Methoden gibt. Dies wurde erst letzte Woche wieder bei einer Tagung an der Uni Freiburg bestätigt. Dennoch gab es dort auch Hoffnung auf eine Zeitenwende: Baden-Württembergs neue grüne Sportministerin Theresia Bauer ist engagiert in der Dopingfrage, sie könnte zur Kombattantin von Bayerns Justizministerin Beate Merk werden. Merk rennt mit ihrem Entwurf für ein scharfes Anti-Doping-Strafgesetz seit Jahren in Berlin gegen verschlossene Türen. Diese Kräftebalance könnte sich bald ändern. Nada-Vorständler Lars Mortsiefer kündigte am Dienstag an, dem globalen Dachgremium Wada weitreichende Verbesserungsvorschläge machen zu wollen.