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Gleiches Recht für alle

Diese Unterschrift veränderte die USA für immer. Am 2. Juli 1964 unterzeichnete US-Präsident Lyndon B. Johnson das Bürgerrechtsgesetz. Der sogenannte Civil Rights Act untersagte Diskriminierung in öffentlichen Einrichtungen und am Arbeitsplatz. Schwarze US-Bürger erhielten die gleichen Rechte wie weiße. Und Johnson versprach: Die Regierung werde die Einhaltung des Gesetzes überwachen.

Von Ralf Geißler | 02.07.2009
    "Ich will nicht der Präsident sein, der große Reiche baut oder Ruhm und Machtausdehnung sucht. Ich will der Präsident sein, der mitgeholfen hat, den Hass zwischen seinen Mitmenschen zu beenden. Der gegenseitige Zuneigung zwischen allen Rassen, allen Regionen und allen Parteien gefördert hat."

    Johnsons Pathos überdeckte freilich, dass die Politik der Gleichstellung überfällig war. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gehörte in den USA Diskriminierung zum Alltag.

    "Ich wurde im Bundesstaat Alabama geboren. Und das Leben dort war kaum besser als die Sklaverei."

    George Walker Smith ist heute 80 Jahre alt und hat lange in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung gekämpft. Er wächst in den dreißiger Jahren auf einer Zuckerrohr-Farm auf. Zur Grundschule geht er nur ein paar Monate im Jahr. Täglicher Unterricht ist den Weißen vorbehalten.

    "Wir bekamen unsere Bücher gebraucht weitergereicht von den weißen Schulen. Bis zur neunten Klasse habe ich nie ein neues Schulbuch gesehen."

    Die Befürworter der Rassentrennung berufen sich in dieser Zeit auf ein Urteil aus dem Jahr 1896. Damals hatte der Oberste Gerichtshof entschieden, dass getrennte Einrichtungen für Schwarze und Weiße in Ordnung sind, so lange sie sich in ihrer Qualität nicht groß unterscheiden. Das Urteil interpretieren viele Weiße als Erlaubnis, die Schwarzen zu unterdrücken.

    "Wenn in meiner kleinen Stadt ein Schwarzer den Bürgersteig entlang lief und ein Weißer kam ihm entgegen, dann musste der Schwarze den Weg frei machen und vom Bürgersteig auf die Straße ausweichen."

    Doch Mitte des 20. Jahrhunderts begehren immer mehr Afro-Amerikaner gegen diese Ungleichbehandlung auf. 1954 hebt der Oberste Gerichtshof sein umstrittenes Urteil zur Rassentrennung auf. Der erste Erfolg. Aber viele Südstaaten weigern sich, die Entscheidung umzusetzen.

    "Viele Weiße nahmen ihre Kinder aus den öffentlichen Schulen heraus und gründeten private, sogenannte christliche Schulen. In Alabama wurde sogar öffentliches Geld eingesetzt, um diese christlichen Schulen für Weiße zu unterstützen."

    Doch die schwarze Bürgerrechtsbewegung lässt sich nicht mehr aufhalten. Bei Sitzstreiks und auf friedlichen Demonstrationen prangern in den fünfziger Jahren immer mehr US-Bürger die Diskriminierung an. Der Baptistenprediger Martin Luther King steigt zu ihrem wichtigsten Sprecher auf.

    "Es ist an der Zeit, dass wir uns vom dunklen Tal der Rassentrennung auf den sonnigen Pfad der Gerechtigkeit begeben. Es ist an der Zeit, dass wir unsere Nation aus dem Treibsand der Diskriminierung auf einen Fels der Brüderlichkeit erheben. Es ist an der Zeit, Gerechtigkeit zur Realität werden zu lassen - für alle Kinder Gottes."

    Die Politik kann die Proteste nicht länger ignorieren. 1957 wird erstmals die Nationalgarde eingesetzt, um neun schwarzen Kindern den Besuch einer Schule für Weiße zu ermöglichen. Wenige Jahre später schlägt sich - nach langem Zögern - John F. Kennedy auf die Seite der Schwarzen. Nach seiner Wahl zum US-Präsidenten bringt er 1963 das Bürgerrechtsgesetz ein.

    "Seit Präsident Lincoln die Sklaverei abgeschafft hat, sind 100 Jahre vergangen. Und trotzdem sind die Erben, die Enkel der Sklaven noch nicht wirklich frei. Sie wurden nicht befreit von den Fesseln der Ungerechtigkeit. Sie wurden nicht befreit von gesellschaftlicher und ökonomischer Unterdrückung."

    Die Südstaaten versuchen, den Civil Rights Act im Kongress zu verhindern. Vergeblich. Nach Kennedys Ermordung treibt sein Nachfolger Johnson die Sache voran. Er schickt 1965 sogar noch eine Reform des Wahlrechts hinterher. Zum ersten Mal können sich Schwarze ohne Schikanen als Wähler registrieren lassen. Dank beider Gesetze geht in den Folgejahren die Diskriminierung überall im Land deutlich zurück und die ersten Schwarzen ziehen in die Parlamente ein.