Dienstag, 30. April 2024

Archiv


Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus?

Medienjournalismus ist eine Sache für sich. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus – dieser Spruch ist angesichts der Medienkrise aktueller denn je. Vorbei die Zeiten, als man sich bei der Konkurrenz gefahrlos unbeliebt machen konnte, denn Arbeitsplätze werden immer rarer. Wer heute noch Objekt der Berichterstattung ist, könnte morgen schon der neue Chef sein. Anlässlich des zehnten Geburtstages des Fachmagazins "Message" diskutierten Wissenschaftler wie Medienjournalisten in Leipzig über ihre manchmal undankbare Profession.

Von Felix Hügel | 01.05.2010
    Schonend sind sie nicht mit ihrer Zunft umgegangen, die Medienjournalisten, die in Leipzig zusammen kamen: Zu viel Unbedeutendes werde geschrieben und gesendet, zu wenig Qualität sei in der Branche zu finden.

    Die Berichterstattung werde oft auch für die Interessen der eigenen Verlage und Sender instrumentalisiert, so der Medienjournalist Stefan Niggemeier. Er war unter anderem fünf Jahre lang für die Medienberichterstattung der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zuständig, heute bloggt er vor allem über Medienthemen. Laut Niggemeier werden in der Branche teilweise regelrechte Grabenkämpfe ausgetragen.

    "Das ist natürlich einfach tödlich für die Legitimation von Medienjournalismus. Diesen Streit auszukämpfen und auch ruhig aggressiv auszukämpfen, zu sagen, wie sieht denn die Zukunft aus, was kann die Position von Öffentlich-Rechtlichen zum Beispiel sein, ist völlig legitim. Ein Problem ist es, wenn wirklich Journalisten auf Medienseiten, die unabhängig irgendwie berichten sollen, im Grunde dann zum Sprachrohr werden für die Lobbyisten ihrer Zeitung oder ihrer eigenen Geschäftsführung."

    Der Medienjournalismus, laut Thomas Leif ist er eine ziemlich recherchefreie Zone. Der SWR-Chefreporter und Vorsitzende von Netzwerk Recherche sagt: Es sei zum einen besonders schwer, Informanten zu Medienthemen vor die Kamera zu bekommen. Es gebe außerdem kaum ein Genre im Journalismus, das so wenige personelle und finanzielle Ressourcen habe und so wenig Platz zum Veröffentlichen. Bei Leifs Sender, dem SWR, läuft das wöchentliche Medienmagazin auf der Infowelle Contra, die außerhalb von Stuttgart nicht auf UKW zu empfangen ist. Bei den Fernsehkritiken auf den Medienseiten der Zeitungen handele es sich nicht selten um schnell geschriebenen Billigjournalismus, so Leif. Offenbar seien sich viele Medienjournalisten ihrer Bedeutung gar nicht bewusst.

    "Diese externe Medienkritik ist wie eine Mund-zu-Mund-Beatmung zum Beispiel für die öffentlich-rechtlichen Anstalten, weil nur wenn es eine Kritik in den großen Diensten gibt, in den relevanten Veröffentlichungen, wird diese auch in die Redaktionskonferenzen getragen, weil da ist ja oftmals auch eine große Konformität. Und es ist ja auch kein Zufall, dass selbst der 'Spiegel' sich externe Kritiker in seine Redaktion einlädt. Wir leben halt in einem ziemlich konsensorientierten Milieu und man kritisiert sehr ungern den Kollegen, den man nachher beim Püreeschöpfen in der Kantine trifft. Deshalb ist die Kritik der Medienkritiker so enorm wichtig, eine so wichtige Ressource und ich finde, sie wird vernachlässigt."

    Der Medienjournalismus soll ein Watchdog der eigenen Branche sein, ein kritischer Aufpasser, da waren sich die Teilnehmer der Leipziger Konferenz einig. Doch Kritik von Journalisten an den eigenen Kollegen sei nicht einfach. Und Kritik am eigenen Medienhaus sei normalerweise völlig undenkbar. Das sagt auch Kuno Haberbusch, ehemaliger Chef des NDR-Medienmagazins "ZAPP".

    "Wir alle wissen, dass da in Wirklichkeit niemand ein Interesse daran hat. Deshalb werden Sie bei der 'Süddeutschen Zeitung' auf der Medienseite nie was Kritisches über die 'SZ' lesen, bei der 'FAZ' sowieso nicht. Bei 'Bild' und 'Spiegel' ich sage jetzt mal auch nichts über kritische Vorgänge im eigenen Haus. Aber, ich glaube schon, dass wenn wir uns mokieren über Vorgänge bei 'Bild', RTL oder 'Spiegel' oder ähnlichen, dann müssen wir mit dem gleichen Maßstab das eigene Produkt beurteilen, was zum Beispiel bei den Öffentlich-Rechtlichen passiert, die immerhin ,ich überschlag mal grob, 50 Prozent eigentlich des Medienmarktes in Deutschland abdecken, und mit den gleichen Maßstäben, die müssen für alle gelten, nur dann ist man glaubwürdig auch als Medienjournalist."

    Haberbusch sieht den größten Vorteil des Medienjournalismus darin, dass er innerhalb der eigenen Branche etwas bewegen könne. Natürlich wolle er darüber hinaus auch so viele Menschen wie möglich erreichen, doch er sei Realist.

    Dem widerspricht unter anderem Mike Hoyt aus New York. Er ist Chefredakteur der Medienzeitschrift "Columbia Journalism Review". In den USA sieht Hoyt ein zunehmendes Interesse an Medienberichterstattung. Die Medienjournalisten dürften dabei nur nicht den gleichen Fehler machen, den der Wirtschaftsjournalismus gemacht habe. Denn der werde oft überblättert, weil er zu kompliziert und abgehoben sei. Dabei betreffe er alle Menschen, genau wie der Medienjournalismus. Gerade wegen der technischen und finanziellen Veränderungen innerhalb der gesamten Branche sei er heute wichtiger denn je
    "Der Journalismus ist wie ein Stamm, der in einem Tal lebt, in dem auf einmal die Ernte nicht gut läuft, in dem es weniger Rehe zum Jagen gibt, und in dem nicht genügend Fleisch da ist. Plötzlich müssen wir herausfinden, wo wir hin sollen und wie wir uns verändern müssen. Gute Medienjournalisten sind wie Kundschafter, sie ziehen aus und suchen ein neues Tal, suchen nach neuen Ideen und Experimenten und bringen diese zum Stamm zurück ans Lagerfeuer, um darüber zu diskutieren."