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Wohngipfel im Kanzleramt
Zweieinhalb Stunden fürs Wohnen in Deutschland

Im Kanzleramt diskutieren Politik, Baubranche, Mieter- und Eigentümervertreter unter anderem über bezahlbares Wohnen. Bei der Problembeschreibung scheinen sich Union und SPD einig. Doch bei den Mitteln zu deren Lösung liegen sie ziemlich weit auseinander. Für den Wohngipfel sind zweieinhalb Stunden angesetzt.

Von Panajotis Gavrilis | 21.09.2018
    Ein mit Gerüsten umstellter Wohnkompex. Auf den Gerüsten stehen zum Teil Arbeiter.
    Wird zu teuer vermietet oder nicht genug gebaut? Unter anderem um diese Fragen geht es auf dem Wohngipfel im Kanzleramt. (dpa/Lothar Ferstl)
    Diese Woche steht ganz im Zeichen der Wohnpolitik.
    Das Baukindergeld wurde eingeführt, die Steuer-Abschreibungsmöglichkeit für Investoren beim Wohnungsneubau beschlossen, gestern der "Alternative Wohngipfel" als Gegenstimme zum heutigen "Wohngipfel" im Kanzleramt.
    Es ist viel los, wohl auch, weil viele das Thema "Bezahlbarer Wohnraum" beschäftigt.
    "Wir brauchen in Deutschland dringend mehr Wohnungen", so Angela Merkel, die heute gemeinsam mit Bundesbauminister Horst Seehofer rund 100 Gäste im Kanzleramt empfängt.
    Eingeladen sind unter anderem Vertreterinnen und Vertreter von Ländern und Kommunen, Bau- und Immobilienwirtschaft, Mieter- und Vermieterverbänden sowie Gewerkschaften.
    Zweieinhalb Stunden soll das Treffen dauern, bei dem alle Beteiligten ihre Positionen austauschen, "um festzustellen, wie wir Wege finden können, um mehr zu bauen und vor allen Dingen auch mehr geeigneten Wohnraum zu bauen. Nicht nur in Ballungszentren, sondern überall, wo Menschen Wohnungen suchen."
    Experten rechnen, dass etwa 400.000 neue Wohnungen nötig seien – im Jahr.
    Mietenstopp oder Bauanreize?
    Angesichts steigender Mieten und Wohnungsknappheit – vor allem in den Ballungszentren sollen 1,5 Millionen Wohnungen entstehen und fünf Milliarden Euro sollen für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt werden, so der Plan der Großen Koalition und des zuständigen Bauministers, Horst Seehofer: "Bezahlbarer Wohnraum ist die soziale Frage unserer Zeit."
    "Bezahlbarer Wohnraum ist die neue soziale Frage." – Zumindest bei dieser Frage scheinen sich CSU-Chef Horst Seehofer und die SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles einig zu sein. Wohl aber nicht, wie diese beantwortet werden soll.
    Nahles hatte erst vor einigen Wochen mit ihrem Zwölf-Punkte-Plan unter anderem einen Mietenstopp für fünf Jahre gefordert.
    Mit der Union nicht zu machen, die eher darauf setzt, die Bautätigkeit anzukurbeln.
    Wie kann man Baukosten senken und Fachkräfte sichern oder Impulse für den Wohnungsbau geben? Diese Fragen sollen in jeweils einer knappen halben Stunde mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutiert werden.
    Eine halbe Stunde über bezahlbares Wohnens
    Ein straffer Zeitplan – bei dem viele Beobachter schon jetzt bezweifeln, ob dieser Gipfel den hohen Erwartungen gerecht werden kann.
    Dem Thema "Bezahlbarkeit des Wohnens sichern" wird dabei auch knapp eine halbe Stunde eingeräumt.
    Viel zu wenig, kritisiert Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes: "Ich weiß, dass der Präsident des Deutschen Mieterbundes, wie andere auch, eine Redezeit von 60 Sekunden bekommen hat."
    Siebenkotten kritisiert zudem, beim Treffen im Kanzleramt seien mit sechs Verbänden zu viele Vertreter der Immobilienwirtschaft eingeladen worden. Für die Mieterinnen und Mieter wird dieser Regierungs-Gipfel keine Verbesserung bringen, fügt er hinzu:
    "Nach den Dingen, die ich bisher in den letzten Wochen und Monaten mitbekommen habe, ist nicht davon auszugehen, dass das, was beim Wohngipfel besprochen und 'verabschiedet' wird, wirklich etwas bringt. Dazu braucht es erheblichen Mut, und den müssten Kanzlerin und Minister aufbringen. Ja, Sie merken eine gewisse Skepsis."
    Viel Kritik an Seehofers Personalentscheidung
    Vor allem die Entscheidung von Horst Seehofer, seinen Baustaatssekretär Gunter Adler wegen der Causa Maaßen zu entlassen sorgt bei vielen Gipfelteilnehmern für Unmut.
    Das sei ein fatales Signal, heißt es von der Industriegewerkschaft "Bauen-Agrar-Umwelt". In Zeiten einer handfesten Wohnungskrise aus parteipolitischem Kalkül eine solche Entscheidung zu treffen, sei für diejenigen, die unter steigenden Mieten litten, eine Farce.
    Es scheinen keine guten Voraussetzungen für einen Gipfel zu sein, der eigentlich Antworten liefern will – auf "die soziale Frage" – wie es heißt.
    Dabei scheint eine Antwort bereits gefunden zu sein: Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet, dass Geringverdiener ab 2020 mehr Wohngeld bekommen sollen und beruft sich dabei auf eine Beschlussvorlage für den Wohngipfel.