Dienstag, 30. April 2024

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Kniefall von Willy Brandt
"Dass es diese Ikone wird, hatte ich nicht für möglich gehalten"

Drei deutsche Fotografen haben den Warschauer Kniefall von Willy Brandt festgehalten. Einer von ihnen war Engelbert Reineke. "Ein Glücksfall", sagte der 81-Jährige fünfzig Jahre nach dem historischen Moment im Dlf. Allerdings habe er nicht die Aufnahme machen können, die er sich gewünscht hatte.

07.12.2020
Der Kniefall von Willy Brandt vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto in Warschau
Der Kniefall von Willy Brandt vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto in Warschau - in der Aufnahme von Engelbert Reineke mit Soldat und ohne Kranz (picture-alliance / dpa / Engelbert Reineke)
Reineke war damals Fotograf des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung. Er sei gemeinsam mit Bundeskanzler Willy Brandt zum Termin am Ehrenmal für den Aufstand im jüdischen Ghetto 1943 gereist und hatte deshalb "gar nicht die Möglichkeit, mir da einen Platz zu suchen", erinnert er sich im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Ein anderer Kollege hätte besser gestanden, deshalb wäre dessen Aufnahme der Situation auch die heute bekanntere. Auf dem Bild, das Reineke gemacht hat, ist ein Soldat im Anschnitt zu sehen, auf dem anderen ein Kranz.
Bundeskanzler Willy Brandt kniet am 07.12.1970 vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto in Warschau.
Die bekanntere Aufnahme - mit Kranz im Anschnitt (dpa)
"Das war eine ganz spontane Geste"
Willy Brandt war am 7. Dezember 1970 als erster westdeutscher Regierungschef nach dem Zweiten Weltkrieg nach Warschau gereist. Der SPD-Politiker legte einen Kranz an dem Ehrenmal nieder - und fiel auf die Knie und verharrte für eine halbe Minute.
Für Reineke steht fest: "Das war eine ganz spontane Geste." Dass die in diesem Moment gemachten Bilder die "wichtigsten dieser Reise" werden würden, sei ihm klargewesen. Die Dimension, die nach "50 Jahren immer wieder noch eine Steigerung" erlebe, habe er dagegen damals nicht geahnt.
Nicht reich geworden mit dem Foto
Die Bilder Brandts sind zur Ikone geworden; auf dem heutigen Willy-Brandt-Platz unweit des Denkmals erinnert ein Bronzerelief an den historischen Moment. Brandt habe "der deutschen Nachkriegsdemokratie eine menschliche Legitimität und Glaubwürdigkeit verliehen, von der sie bis heute zehrt", erklärte Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, anlässlich des Jahrestages.
Als Angestellter des öffentlichen Dienstes habe er keine Rechte an seiner Aufnahme, antwortete Engelbert Reineke auf die Frage, ob er mit ihr Geld verdient habe. Aber das sei "auch in Ordnung". Für ihn sei es "ein Glücksmoment" gewesen, "dass ich überhaupt da war".