Als die jungen Männer in den Fluss springen, ist es noch nicht einmal sieben Uhr am Morgen. Ganz offensichtlich haben sie ihren Spaß: Wer noch am Ufer steht, den spritzen sie nass. Jeden Morgen kommen sie zum Fluss – bevor sie für den Krieg trainieren. Volodymir ist fertig mit dem Baden. Er ist 27 Jahre alt, blass und hager. Takson heißt er hier im Trainingscamp des Rechten Sektors, wo jeder einen Kampfnamen trägt. Takson hat seinen gewählt, weil er zuletzt Taxifahrer war. Vor etwa einem Jahr entschied er sich, als Freiwilliger gegen die pro-russischen Separatisten zu kämpfen. Jetzt bildet er andere für den Kampf aus.
„Einige Leute zu Hause verstehen nicht, dass ich das tue. Für sie existiert der Krieg nicht – sie denken, der ist irgendwo im Donbass. Aber der ist doch Teil unseres Landes! Ja, im Moment wird nur dort gekämpft. Aber wenn wir die Hände in den Schoß legen, dann dringen unsere Gegner weiter vor. Ich will verhindern, dass die Separatisten auch in meine Heimatregion Dnipropetrowsk kommen und dass sie unsere Häuser bombardieren und unsere Kinder töten.“
Wenig später treten sie in Tarnfleckanzügen zum Morgenappell an: Rund 250 Männer stehen stramm in der Morgensonne – auch die Truppe von Takson, neben ihm sein Kommandeur Schum. Erst beten die Männer, dann kommt ihr Schlachtruf. Sie rufen: „Ruhm der Ukraine. Den Helden Ruhm. Ruhm der Nation. Tod den Feinden.“ Bis zum Kampfgebiet sind es von hier etwa 100 Kilometer. Das militärische Trainingscamp des Rechten Sektors liegt mitten im Wald an der Grenze zur Region Donezk. Früher verbrachten Kinder auf diesem Gelände ihre Ferien: Druschba – Freundschaft – hieß das Lager. Überreste der bunten Buchstaben hängen noch am Eingangstor.
Ihr Ziel: Eine starke Ukraine, unabhängig von Russland
Sechs Wochen brauchen Schum, Takson und die anderen Ausbilder mindestens, um die Neuen für die Front vorzubereiten. Schum, 24 Jahre alt, kam schon im Dezember 2013 auf dem Maidan zum Rechten Sektor. Da hatten sich Nationalisten und rechtsradikale bis hin zu rechtsextremen Gruppierungen gerade erst zu der Bewegung zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Eine starke Ukraine, unabhängig von Russland, aber auch unabhängig vom Westen.
„Ich war zuerst so eine Art Freiwilliger beim Rechten Sektor. Ich habe Batterien und Ladegeräte besorgt oder Schaufeln, alles was sie brauchten. Und danach haben sie mir angeboten, zu bleiben. Da ich eine Ausbildung als Sprengstoffmeister habe, habe ich Autos kontrolliert, vor allem von unseren Anführern wie Dmytro Jarosch. Und dann ging es immer so weiter.“
Weiter – bis an die Front: Acht Monate kämpfte Schum dort, bevor er zum Ausbilder wurde. Sein Kampfname heißt übersetzt Lärm. Seit dem Maidan wird der Rechte Sektor immer wieder als rechtsextreme, neofaschistische Gruppierung bezeichnet. Amnesty International warf ihnen zudem vor, gefangen genommene pro-russische Kämpfer gefoltert zu haben. Der Rechte Sektor aber weist das als haltlose Vorwürfe zurück. Aber dennoch: Auf einem Lastwagen im Trainings-Camp hat jemand einige Hakenkreuze in den Staub gewischt. Das sei ein Witz, ein Spiel mit ihrem Image, sagen die jungen Männer. Ausbilder Schum hat die Vorwürfe satt, sie seien Neonazis.
„Selbst wenn wir Faschisten wären, wo wäre das Problem? Unseren Anführer Dmytro Jarosch kann man wohl kaum mit Hitler vergleichen. Und wie ist es dann zu erklären, dass wir nicht massenweise Juden ermorden? Wo ist denn bitte unser Genozid? Also ich sehe hier keinen Faschismus. Nationalismus – ja.“
Fans von Wagner und Rammstein
Der Ukrainer Anton Shekhovtsov ist Mitarbeiter des Thinktanks Legatum Institute in London und Spezialist für rechtsradikale Gruppierungen in der Ukraine und in Europa. Seit dem Maidan beschäftigt er sich verstärkt mit dem Rechten Sektor. Damals, im Winter 2013, seien es einige hundert Mitglieder gewesen – und man hätte alle aufgenommen, die gegen die Polizei vorgehen wollten, sagt Shekhovtsov. Darunter seien auch Neonazis gewesen.
„Es gibt eine Besonderheit des Rechten Sektors, die ihn von anderen rechtsextremen Organisationen und Parteien und von der Ideologie der Neonazis unterscheidet: Der Rechte Sektor definiert die ukrainische Nation nicht ethnisch oder durch Rasse. Das Wichtigste für diese Leute ist, dass jemand ihre Ziele teilt: Und das ist vor allem der bewaffnete Kampf des ukrainischen Volkes gegen Aggressoren. Teilt jemand dieses Ziel, ist dem Rechten Sektor die ethnische Herkunft nicht mehr wichtig.“
Doch wenn das Mikrofon aus ist, spielen einige im Trainings-Camp der Journalistin aus Deutschland stolz Wagner und Rammstein vor. Einer ruft „Sieg Heil“ und preist die Überlegenheit der weißen Rasse. Ein anderer, der Freiwillige Litho, 22 Jahre alt, hat ein Tattoo: „Du sollst nicht auf den ersten Schlag warten“, steht auf seinem Unterarm – auf Deutsch. Reden will er darüber nicht: „Das ist meine Sache. Ja, das ist deutsch. Wenn Sie deutsch können, können Sie das ja auch lesen.“
„Keinen Grund mehr, ihren Radikalismus zu verstecken“
Der Rechte Sektor gründete sich nach dem Maidan auch als Partei, aber scheiterte bei den Parlamentswahlen im November 2014 klar an der Fünf-Prozent-Hürde. Nur der Anführer Dmytro Jarosch gewann ein Direktmandat. In der Hoffnung auf Erfolg bei der breiten Masse hatte der Rechte Sektor vor den Wahlen einige besonders radikale Mitglieder ausgeschlossen, sagt Extremismus-Forscher Anton Shekhovtsov.
„Im Sommer 2014 und auch noch im Herbst vor den Wahlen hatte der Rechte Sektor seine Rhetorik gemäßigt. Damals habe ich sie eine radikale, national-konservative Bewegung genannt. Aber als nach der Wahl klar war, dass es mit dem politischen Projekt nichts wird, hatten sie keinen Grund mehr, ihren Radikalismus zu verstecken, und im Frühling und Sommer 2015 gab es eine erneute Radikalisierung.“ Heute bezeichnet er den Rechten Sektor als klar rechtsradikal.
Der Rechte Sektor kämpft oft dort, wo es besonders gefährlich ist
Im Ausbildungslager steht intuitives Schießen auf dem Trainingsprogramm: Abwechselnd führen Taxon und Schum zwei Männer ins Gelände, tippen einem auf die Schulter – der versucht, eine Zielscheibe zu treffen. Etwa 20 Mann sind in ihrer Gruppe. Wie viele Mitglieder der Rechte Sektor insgesamt hat, ist unklar. Offizielle Vertreter der Bewegung sprechen von bis zu 10.000 Kämpfern, aber die Zahl sei übertrieben, sagen Experten und ukrainische Journalisten.
Tatsache ist: Der Rechte Sektor kämpft in der Ostukraine oft dort, wo es besonders gefährlich ist. Dafür bewundern viele Ukrainer die Gruppierung. Schum behauptet: Je länger der Krieg dauere, desto mehr Freiwillige würden sich bei ihnen melden.
„Eine gute Vorbereitung gibt es auch in anderen Freiwilligen-Bataillonen. Zu uns kommt man wegen der Ideologie. Die Menschen sind enttäuscht von den Mächtigen – seit dem Maidan und eigentlich schon die ganzen 23 Jahre seit der ukrainischen Unabhängigkeit. Sie vertrauen niemandem: Nicht der Polizei, nicht der Armee. Und auch wir vertrauen denen nicht. Wir sehen uns als Hebel zwischen den Leuten und den Mächtigen. Wir wollen uns von den Mächtigen fernhalten und uns selbst treu bleiben.“
„Unsere reguläre Armee hat große Mängel“
Auch das schnelle Nachladen lernen die Männer – und den Umgang mit Handgranaten. Alles soll so real wie möglich sein. Die meisten in Schums Gruppe sind jünger als 30, einige älter als 50 Jahre. Es gibt auch Frauen, die für den Rechten Sektor kämpfen, aber nicht in ihrem Bataillon. Von den Vereinbarungen von Minsk, dem Ziel einer Waffenruhe, halten sie hier alle nichts. Die Ukraine dürfe nicht verhandeln, sie müsse militärisch siegen – fordert auch Takson.
„Unsere reguläre Armee hat große Mängel. Sie haben auch eine ganz andere Strategie. Oft gibt es da keinen Feuerbefehl – obwohl es direkte Aggression gibt – und zwar wegen dieser Minsk-Vereinbarungen. Aber was kann es für Vereinbarungen geben, wenn ein Panzer direkt auf deine Position zufährt? Die Leute wollen nicht Kanonenfutter sein, deshalb kommen sie zu uns.“
Die ukrainische Regierung wiederum ist immer noch auf die Freiwilligen-Verbände angewiesen, die Seite an Seite mit der Armee kämpfen – die ukrainische Armee bekommt ihre Ausrüstungsprobleme nur langsam in den Griff und die Freiwilligenverbände sind besonders motiviert. Aber der Rechte Sektor pocht auf seine Eigenständigkeit. Schum ist sauer auf den Präsidenten und die Regierung. Sie seien korrupt – und obendrein zu zögerlich im Kampf gegen die Separatisten.
„Noch stellen wir unsere Forderungen an die Mächtigen friedlich – und wir haben sehr viele. Verdammt, mit denen da in Kiew ist es wirklich nichts geworden. Wir haben sie selbst gewählt. Und wir müssen sie auch selbst loswerden. Besser wäre es natürlich, wenn sie von allein gehen. Einen Maidan so wie er war wird es nicht noch einmal geben. Jeder, der eine Waffe will oder braucht, hat jetzt eine. Legal oder illegal. Niemand wird mit Holzschildern oder Pfählen auf dem Maidan stehen. Das würde dann ein sofortiger Staatscoup werden und das war's dann.“
Keine Anweisungen von der Armee befolgt
Der Konflikt mit der Regierung schwelt schon länger: Neuerdings fordert der Rechte Sektor ein Referendum, um die Regierung zu stürzen. Die Bataillone des Rechten Sektors sind die einzigen unter den Freiwilligen-Kampfverbänden, die nicht offiziell in die Armee eingegliedert sind. Das heißt: Es gibt keine finanziellen Hilfen von staatlicher Seite, wenn jemand verwundet wird oder stirbt. Vor allem aber bedeutet es: Der Rechte Sektor folgt nur den eigenen Befehlsstrukturen: Im Juli hinderten Mitglieder des Rechten Sektors eine Gruppe von OSZE-Beobachtern daran, einen Checkpoint in der Ostukraine zu passieren. Anweisungen der Armee, die OSZE durchzulassen, halfen nicht.
Dabei ist der Anführer des Rechten Sektors, Dmytro Jarosch, seit rund vier Monaten offizieller Berater des Generalstabes – ernannt von Präsident Petro Poroschenko. Aber das sei vor allem ein symbolischer Schritt gewesen, sagt Extremismus-Forscher Shekhovtsov.
„Der Rechte Sektor hat ganz eigene Vorstellungen darüber, wie die Ukraine aussehen soll. Es ist gut möglich, dass er langfristig eine vom Staat unabhängige, eigene Arme sein will – eine Einsatztruppe – für eventuelle Aktionen in der Zukunft. Der zweite Grund, weshalb der Rechte Sektor sich nicht eingliedern lassen will, ist weniger ideologisch: Als unabhängige Kampfeinheit könnten sie sich und ihre Dienste eines Tages, falls der Krieg vorbei ist, einem Oligarchen und seiner Geschäftsgruppe anbieten.“
Alles von Spenden bezahlt
Nach der Mittagspause lässt Schum seine Männer Knoten binden – sie sollen lernen, sich aus Häusern abzuseilen. Dabei erzählen sie, dass sie keinen Sold bekommen. Alles hier: Essen, Unterkunft, Uniformen – werde mithilfe von Spenden ukrainischer Bürger und Sympathisanten aus dem Ausland bezahlt. Ihre Waffen seien Trophäen aus dem Kampf. Darauf besteht auch Tschurkin, ein hochrangiger Kommandeur des Rechten Sektors, der gerade aus dem Kampfgebiet ins Camp gekommen ist. Die hartnäckigen Gerüchte, dass der Oligarch Ihor Kolomojskij den Rechten Sektor finanziert, streitet Tschnernij ab.
„Ich habe das schon oft gesagt und werde es auch wieder sagen: Wir werden vom einzigen Oligarchen finanziert, den es in unserem Staat gibt: vom ukrainischen Volk. Die Menschen sind nicht blind: Sie sehen, wie wir kämpfen. Immer wieder hören wir, dass Kolomojskij uns angeblich finanziert. Das soll er mal tun – wenn er uns tatsächlich Geld gibt, dann bin ich auch bereit zu sagen: Ja, Kolomojskij hat uns Geld gegeben.“
Der Unternehmer Ihor Kolomojskij, der im Banken-, Medien-, und Energiesektor tätig und einer der reichsten Männer der Ukraine ist, wurde nach dem Maidan zum Gouverneur von Dnipropetrowsk ernannt – seiner Heimatregion. Ganz offiziell finanziert Kolomojskij das Freiwilligen-Bataillon Dnipro. Laut Rechtsextremismus-Experte Shekhovtsov ist anzunehmen, dass Kolomojskij den Rechten Sektor zumindest bis Ende 2014 finanzierte – um die Region Dnipropetrowsk und seine Geschäftsinteressen zu schützen. Aber auch, um sich politischen Einfluss zu sichern.
„Aus dem Rechten Sektor als politische Partei wurde nichts und dann fiel diese mutmaßliche, aber doch sehr wahrscheinliche Finanzierung von Kolomojskij weg. Das hat wohl die Radikalisierung des Rechten Sektors vorangetrieben. Was wir jetzt sehen, ist wahrscheinlich sogar ein Versuch, sich einem neuen Herren, einer neuen Finanzgruppe zu verkaufen. Und zwar auch, indem man sich möglichst radikal zeigt und in der Lage ist, Unruhen auf der Straße zu organisieren. Denn in der ukrainischen Politik ist das manchmal sehr gefragt.“
Eskalation zwischen Rechtem Sektor und Armee
Am 11. Juli sorgte der Rechte Sektor in der Westukraine, nahe der ungarischen Grenze, für Unruhe: Mitglieder der Bewegung lieferten sich in Mukatschewe eine Schießerei mit Polizisten – einige Männer starben, mehrere Zivilisten wurden verletzt. Es sei dabei aber nicht um Politik gegangen, sondern um die Kontrolle der Schmuggelrouten für Tabak in die EU, berichteten ukrainische Medien. An dem soll in der Region auch der Rechte Sektor mitverdient haben. Die Vorgänge seien Ausdruck der zunehmenden Eskalation in den Beziehungen zwischen dem Rechten Sektor und der Kiewer Führung, sagt Shekhovtsov.
„Damit hat der Rechte Sektor, genauer gesagt eine Untergruppe im Westen, in den Karpaten, den Staat offen herausgefordert. Denn sie haben das Gewaltmonopol des Staates gebrochen, als sie verkündeten, dass sie auch außerhalb des Kampfgebietes im Osten das Recht haben, Waffen zu tragen und zu verwenden. Das war eine offene Herausforderung und es ist mein Eindruck, dass der Staat erst gar nicht wusste, wie er darauf reagieren soll.“
Kiew schickte jedoch bald Militär-Einheiten in die Region und wechselte den Gouverneur aus. Dmytro Jarosch stellte sich hinter die mutmaßlichen Täter, die auf der Flucht waren, und begann gleichzeitig mit dem Präsidenten zu verhandeln. Zu Solidaritätsprotesten, zu denen der Rechte Sektor in mehreren Städten aufgerufen hatte, kamen nur einige hundert Menschen.
„Ich denke, es wurde ein Kompromiss ausgehandelt. Aber Jarosch hat einen großen Fehler gemacht, als er sich nicht sofort distanziert hat von dem was in Mukatschewe passiert ist. Er hätte einfach sagen müssen, wir können nicht jeden Mann einzeln kontrollieren und dass es sich da wohl um Verbrecher handelt. Oder er hätte zumindest eine Untersuchung ankündigen müssen. Auf keinen Fall hätte er eine beliebige Gruppe, die sich Rechter Sektor nennt, einfach so unterstützen dürfen.“
Die Führung des Rechten Sektors setzte stattdessen weiter auf Angriff und veröffentlichte ein Manifest, in dem die Regierung als „Besatzungsregime“ bezeichnet wird. Einige Tausend Anhänger kamen daraufhin in der vergangenen Woche zu einem Protest gegen die Regierung auf dem Maidan in Kiew. Sie forderten ein Referendum, das Verhängen des Kriegsrechts und eine Wirtschafts-Blockade der von den Separatisten kontrollierten Regionen.
Russland als Hauptfeind
Auch im russischen Staatsfernsehen war die Demonstration in Kiew die Topnachricht, wie schon zuvor die Schießerei in Mukatschewe: Seit dem Maidan berichten russische Staatsmedien überproportional häufig über den Rechten Sektor und ziehen ihn als Beleg dafür heran, dass in der Ukraine ein faschistischer Coup stattgefunden habe. In Russland ist der Rechte Sektor als terroristische Organisation verboten.
Andersherum sieht der Rechte Sektor Russland derzeit als Hauptfeind. Doch viele Mitglieder sind auch gegen die liberale Denk- und Lebensweise des Westens. Im Juni überfielen Mitglieder des Rechten Sektors in Kiew eine Kundgebung für die Rechte Homosexueller. Extremismus-Forscher Shekhovtsov meint, die Bewegung hätte sich damit selbst geschadet.
„Die jüngsten Aktionen des Rechten Sektors, der Überfall auf die Gay Parade in Kiew und die Vorfälle von Mukatschewe, diskreditieren ihn in den Augen potenzieller Unterstützer. Denn selbst wenn der Rechte Sektor politisch gescheitert ist, so hat er in der Gesellschaft doch eine gewisse Unterstützung, ein Ansehen. Nicht weil sie rechte Aktivisten sind, sondern weil sie als Patrioten gelten.“
Schwierige Rückkehr ins normale Leben
Im Lager in der Ostukraine proben sie bis zum frühen Abend das richtige Erstürmen von Häusern. Schum zeigt auf ein Fenster, das mit Sandsäcken verbarrikadiert ist. Dort hielt er neulich immer wieder stundenlang Wache, weil die ukrainische Armee sie tagelang umzingelt hatte. Er habe schon damit gerechnet, dass das Lager gestürmt und der Rechte Sektor entwaffnet wird. Aber die Armee zog wieder ab. Es war eine weitere Kraftprobe zwischen Rechtem Sektor und dem Staat -vermutlich eine Warnung an den Rechten Sektor. Ein Leben ohne Krieg kann Schum sich nur noch schwer vorstellen.
„Es ist doch moralisch unmöglich für einen Menschen, ins normale Leben zurückzukehren, zur normalen Arbeit. In der Armee bist du wer. Ich bin hier zum Beispiel Kommandeur. Im zivilen Leben wäre ich wieder Arbeiter oder Kellner- zuletzt war ich Kellner. Das ist aber nichts für mich.“
Am Abend reinigen sie ihre Waffen: Alle Männer aus der Truppe von Schum leben in einem Schlafsaal – mit etwa 60 anderen. Dort steht Bett an Bett. Das Licht ist schummrig, die meisten Lampen sind kaputt. An den Wänden hängen Zeichnungen, die ukrainische Schulkinder den Kämpfern zum Dank für ihren Einsatz geschickt haben. Befehlssprache beim Rechten Sektor ist Ukrainisch, aber sie unterhalten sich auf Russisch. Denn die meisten im Schlafsaal kommen aus dem Osten und Süden der Ukraine. Im Fernsehen laufen Nachrichten, Petro Poroschenko spricht dort. Kaum einer guckt hin. Sie alle wollen so schnell wie möglich an die Front, um für die Ukraine zu kämpfen – aber nicht für ihre Regierung. Mit der, sagen sie, rechnen sie später ab – nach dem Krieg. Oder – falls sie den Befehl bekommen – auch schon vorher.