Wie viel Sicherheit verträgt die Freiheit?

Zu Gast: Dieter Wiefelspütz und Heribert Prantl · 29.11.2008
Die Ablehnung im Bundesrat kam selbst für Verfechter des BKA-Gesetzes nicht überraschend: Der Bundesrat hat dem umstrittenen Gesetz die Zustimmung verweigert, die Bundesregierung wird den Vermittlungsausschuss anrufen. Kommt es dort zu einem Kompromiss, könnte das Gesetz noch vor Weihnachten endgültig beschlossen werden.
Mit diesem seit Monaten heftig diskutierten Gesetz soll das Bundeskriminalamt neue Kompetenzen zur Abwehr terroristischer Gefahren erhalten. Es sieht unter anderem die Videoüberwachung von Wohnungen und die Online-Durchsuchung privater Computer vor. Erstmals soll das BKA auch vorbeugend ermitteln dürfen. Hauptstreitpunkte sind - neben der auch ohne richterliche Anordnung möglichen Online-Durchsuchung - das eingeschränkte Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten, Rechtsanwälten und Ärzten.

Zu den vehementen Kritikern des Gesetzes gehört der Journalist und Jurist Heribert Prantl. Der Leiter des Innenressorts der "Süddeutschen Zeitung" hält das BKA-Gesetz für das "schlechteste Gesetz, das mir seit 21 Jahren untergekommen ist."

Noch nie zuvor habe es in der Bundesrepublik so weitreichende Möglichkeiten zur Rundumüberwachung der Bürgers gegeben, das Gesetz sein – so Prantl in einem Zeitungskommentar - "rechtstechnisch miserabel." Der ehemalige Richter und Staatsanwalt gehört zu den unermüdlichen Mahnern, die vor einer Aushöhlung der Bürgerrechte warnen. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA entwickele sich der bundesdeutsche Rechtsstaat zu einem Präventivstaat. Durch die Sicherheitsgesetze würden Freiheitsrechte eingeschränkt, Grundrechte in Frage gestellt. Die Angst vor dem Terrorismus lasse die westlichen Staaten zu mittelalterlichen Methoden greifen, schreibt der mehrfach ausgezeichnete Publizist in seinem neuen Buch "Der Terrorist als Arbeitgeber. Wie man mit Politik Angst macht" ( Droemer Verlag).

"Ich halte das BKA-Gesetz für das beste Polizeigesetz, was wir in Deutschland haben", hält Dieter Wiefelspütz dagegen. Der SPD-Innenpolitiker hat die BKA-Novelle mit verhandelt. "Wenn man gegen das BKA-Gesetz ist, muss man auch gegen die Landespolizeigesetze sein. Das einzige was wirklich neu ist, ist die Online-Durchsuchung. Die ist nun millimetergenau so im Gesetz abgebildet worden, wie das Bundesverfassungsgericht es in einer sehr bemerkenswerten Entscheidung für verfassungskonform gehalten hat. Wir gehen an keiner Stelle an die Grenze des Rechtsstaats. Leute, die dagegen sind, sollten sich vergegenwärtigen, dass wir in Deutschland seit 1949 den qualifiziertesten Rechtsstaat weltweit aufgebaut haben. Kein Land der Welt kennt ein Bundesverfassungsgericht mit dieser Bedeutung für die Entfaltung der Grundrechte. Kein Land hat eine solch wunderbare Verfassung, keines, das einen solchen Grundrechtsschutz hat. Wir haben einen Standard in Deutschland, den es sonst nirgendwo gibt, und wir wollen diesen Standard halten, deshalb bekämpfen wir den Terrorismus mit strikt rechtsstaatlichen Mitteln."

Die verheerende Anschlagserie im indischen Bombay wirft ein ganz neues Licht auf die hiesige Diskussion. Könnten solche Terrorakte mithilfe des BKA-Gesetzes verhindert werden? Muss erneut über die Balance von Freiheit und innerer Sicherheit diskutiert werden?

"Wie viel Überwachung verträgt die Freiheit? Sicherheitsgesetze und Terrorismus"
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit dem Journalisten Heribert Prantl und dem SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800-22542254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Literaturhinweis:
Heribert Prantl, "Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Politik Angst macht", Droemer Verlag 2008
Heribert Prantl, "Verdächtig. Der starke Staat und die Politik der inneren Unsicherheit", Europa Verlag 2002

Informationen im Internet:
www.dieterwiefelspuetz.de