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NRW-Haushalt
Einen Euro für die Einhaltung der Schuldenbremse

Nordrhein-Westfalen macht in diesem Jahr wieder 2,4 Milliarden Euro neue Schulden. Dabei steckt das Bundesland schon tief in den roten Zahlen. Ein sogenanntes Effizienzteam ist auf der Suche nach Einsparungspotential im Haushalt. Groß fündig geworden ist es allerdings bislang nicht.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 09.07.2014
    Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft verlässt in Düsseldorf eine Sondersitzung der SPD-Landtagsfraktion.
    Wenn NRWs Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ihre Haushaltspolitik verteidigen muss, reagiert sie mitunter dünnhäutig. (picture alliance / dpa / Federico Gambarini)
    "Wer hat das denn verursacht in diesem Haus? Wer hat es denn gemacht, ja?" Gelegentlich zeigt Hannelore Kraft Nerven, wenn sie ihre Haushaltspolitik verteidigen muss. Im Februar 2011 wurde sie richtig wütend im Landtag, und erst vor wenigen Tagen war es wieder soweit: Eine gereizte Ministerpräsidentin musste erklären, wie sie im hoch verschuldeten Nordrhein-Westfalen ab 2020 bloß die Schuldenbremse einhalten will. Ja, wie denn nun? Sozialdemokratin Kraft setzt auf Angriff als beste Verteidigung: "Geben sie hier Butter bei die Fische. Seien sie endlich eine Opposition, die zu dem steht, was sie hier machen würde, wenn sie regieren würde."
    Neunstellige Zahlenkolonnen fliegen den Abgeordneten in dieser Plenarsitzung um die Ohren. Trotz sprudelnder Steuereinnahmen: NRW macht dieses Jahr wieder 2,4 Milliarden Euro neue Schulden. Den Finanzminister Norbert Walter-Borjans kann das alles nicht erschüttern: "Daran muss man sich wohl gewöhnen, wenn man das größte Land der Bundesrepublik Deutschland vertritt, dass immer die Zahlen in diesem Land die größten sind."
    Niederlagen vor Gericht
    Mittlerweile gilt das auch für die Zahl der Gerichtsurteile. Viermal in vier Jahren hat Rot-Grün in NRW vor dem Landesverfassungsgericht jetzt Schiffbruch erlitten, jedesmal in der Finanzpolitik. Erst letzte Woche verwarfen die Richter zwei Nullrunden für Lehrer, Polizisten und andere Staatsdiener. CDU-Oppositionschef Armin Laschet glaubt, Norbert Walter-Borjans sei zu viel unterwegs: "Dieser Minister sitzt doch mehr in Münster vor dem Verfassungsgericht als auf der Regierungsbank. Das muss ihnen doch mal zu denken geben!"
    "Nö, also mein Fell ist schon ausreichend..Es darf auch nicht zu dick werden. Das hört sich immer gut an, ein dickes Fell zu haben", sagt Norbert Walter-Borjans, "damit man sich nicht umpusten lässt. Aber man muss auch noch sensibel sein, für das, was vorgeht." Er wolle ja sparen, meint Walter-Borjans. 700 Millionen Euro wären es zum Beispiel durch die Nullrunden für die A13-Beamten gewesen. Doch das hat das Verfassungsgericht verhindert, stattdessen wird die Neuverschuldung wohl wieder steigen.
    Sparen ist schwer
    Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen rauft sich die Haare. Das Sparen sei ganz schön schwer: "Sobald sie irgendwo drangehen, im Bereich Denkmalpflege, im Baubereich: sie sind entweder diejenigen, die keine Straßen mehr bauen wollen, die an der Stelle den Denkmalschutz zugrunde richten, Kulturbanausen." Gezwungenermaßen greift der Finanzminister jetzt durch: Ab sofort gilt in NRW eine Haushaltssperre. Noch nicht genehmigte Förderprojekte, das Sommerfest in der Berliner Landesvertretung, eine Skandinavien-Reise von Hannelore Kraft . Alles abgesagt. Und dann noch das: "Ein Antrag der CDU zur Unterstützung der niederdeutschen Sprache, also des Plattdeutschen. Auch da müssen wir ganz klar sagen, das kann es jetzt nicht geben", sagt Priggen.
    Über vierzig Prozent des Landeshaushalts verschlingen allein die Personalkosten in NRW, so dass Reiner Priggen jetzt als einziger tapfer ausspricht, ohne Personaleinsparungen werde es künftig wohl nicht gehen. Aus der SPD ist von einem strukturellen Konsolidierungskurs hingegen nichts Konkretes zu hören. Obwohl ein so genanntes Effizienzteam seit Jahren nach Einsparungen sucht. Zum Beispiel bei Fördermitteln, erklärt der Finanzminister: "Da ging es darum, zum einen zu sagen, auf welche Förderprogramme kann man verzichten. Und der zweite Punkt ist, Förderung muss ja nicht unbedingt immer nur durch geschenktes Geld erfolgen. Man kann ja auch mal einen Kredit geben, ein Darlehen.
    Sparen durch neue Schulden?
    Also sparen durch neue Schulden? Das ergebe keinen Sinn, sagt der FPD-Abgeordnete Dirk Wedel: "Das Ganze ist ein reiner PR-Gag der Landesregierung." Die Opposition heult gleich mehrfach auf: Das Effizienzteam liefere keine grundlegenden Sparvorschläge, es arbeite intransparent und verursache obendrein auch noch neue Kosten. Norbert Walter-Borjans bestätigt, dass das Effizienzteam bis zu anderthalb Millionen Euro für externe Berater ausgegeben habe. Die ganze Aufregung sei aber unangebracht. "Wir geben Geld dafür aus, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wo man Geld sparen kann, auch Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wo es unsinnig wäre, Geld zu sparen. Auch das gehört zur Effizienz", sagt der NRW-Finanzminister.
    Den Einwand, dass das Effizienzteam selbst bereits aus Experten besteht - unter anderem dem Finanzminister - lässt die rot-grüne Landesregierung nicht gelten. Erstens, so hieß es schon vor zwei Jahren, brauche man Profis, und zweitens sei die Arbeitsbelastung im Finanzministerium sehr hoch. Nach der Sommerpause will das Effizienzteam nun Vorschläge vorlegen und seine Arbeit damit offiziell beenden. Doch der Opposition reicht es längst. Zwölf Abgeordnete von CDU, FDP und Piraten haben wieder mal Klage eingereicht beim Landesverfassungsgericht. Walter-Borjans: "Das gehört dann wieder zu dem dickeren Fell, das man haben muss." Der Vorwurf der Geheimhaltung - der Anlass ist für die Verfassungsklage gegen das Effizienzteam - sei haltlos. Man wolle nur nicht, dass die Opposition immer gleich jeden Vorschlag zerpflücke. Und übrigens: Die Schuldenbremse werde NRW ab 2020 bestimmt auch einhalten. Walter-Borjans: "Pfff...ich würde wetten, dass wir es einhalten." Gefragt nach seinem Wetteinsatz, wird der Finanzminister allerdings sehr sparsam. Mehr als einen Euro würde er wohl setzen für die Einhaltung der Schuldenbremse.