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"Fotografen sind in gewisser Weise Komponisten"

"Das Negativ ist die Partitur, der Abzug das Konzert" - so sah der Landschaftsfotograf und Musikliebhaber Ansel Easton Adams das Wesen der Fotografie. Archaische Berglandschaften in schwarz-weiß, Wasserfälle, weite Täler - rein, klar und imposant wie Gemälde wirken seine Bilder. Vor 25 Jahren starb Adams.

Von Michaela Gericke | 22.04.2009
    Ein zunehmender, fast voller Mond steht über einer senkrechten Felswand von "Half Dome", dem majestätischen Berg im Kalifornischen Yosemite-Nationalpark. Ein Hauch von Schnee schimmert weiß auf dem Kamm, während sich an dem schroffen Felsen ein Lichtspiel aus untergehender Sonne und dem Schatten eines Berges gegenüber ergibt.

    Von glitzerndem Weiß bis tiefsattem Schwarz reichen die Nuancen auf der Fotografie "Moon and Half Dome". Das Bild aus dem Jahr 1960 zählte Ansel Adams zu seinen bedeutendsten hundert Aufnahmen. In seinem Buchband "Ansel Adams Meisterphotograhie" schrieb er 1983 darüber:

    "Der Himmel war klar und die Schatten des späten Nachmittags krochen langsam die 650 Meter hohe Steilwand des Dome hinauf. Um Mond und Himmel zu trennen, benutzte ich ein strenges Orangefilter, es dämpfte den Tonwert des Himmels und ließ den Mond überzeugend scheinen. Das Filter minderte auch die Wirkung des bläulichen Streulichts in den Bergschatten um mindestens einen Blendenwert."

    Eigentlich wollte Ansel Easton Adams, der 1902 in San Francisco geboren wurde, Pianist werden. Doch schon in seiner Kindheit faszinierte ihn neben der Musik die Natur. Wenn er aus dem Fenster seines Elternhauses sah, schaute er direkt auf den Pazifik.

    Bücher über den Yosemite-Nationalpark und die dortige "High Sierra" machten den Jugendlichen so neugierig, dass er seine Eltern überredete, mit ihm dort wandern zu gehen. Von 1916 an kam er jährlich in den Park und übernahm schließlich die Leitung für Wandergruppen. Bei abenteuerlichen Bergtouren fotografierte er nebenbei; benutzte eine Glasplattenkamera mit Stativ, verschiedene Filter und Belichtungsmesser. Das Motiv musste seinen Vorstellungen von einem komponierten Bild und seinem eigenen Gefühl für die Natur genau entsprechen.

    "Egal wie kultiviert du sein magst, einem großen Granitberg kann man sich nicht entziehen. Er spricht schweigend zum innersten Kern deines Wesens."

    Auf seinen Fotos erfasst Adams die Dramatik von Wolken über Bergen und Tälern, die Wucht von Wasserfällen, das feine Flirren goldener Espen-Blätter in der Abendsonne, die Struktur knorriger alter Baumstämme - die Magie der Natur.

    Er entscheidet sich 1927 schließlich gegen den Beruf des Musikers, nimmt Foto-Aufträge für Werbekataloge, Porträts und Hochzeiten an. Mit Kollegen gründet er Anfang der Dreißigerjahre die Gruppe f/64:

    "Wir strebten nach Reinheit des Bildes, Schärfe des optischen Abbildes und Schärfe in der Tiefe, wiedergegeben auf Papieren mit glatter Oberfläche. Wir glaubten uns im Begriff, eine neue Ästhetik zu definieren."

    Der Fotograf Alfred Stieglitz, den er 1933 in New York besuchte, um ihm seine Arbeiten zu zeigen, war begeistert. Er erklärte Adams' Bilder für Kunst und stellte sie in seiner Galerie aus.

    Mitte der Dreißigerjahre wurde Ansel Adams berühmt in den USA, er lehrt an der Art Center School in Los Angeles, entwickelte ein "Zonensystem", das in zehn Abstufungen von Weiß bis Schwarz reicht und bis heute für professionelle Fotografen zur Lichtberechnung und Bildgestaltung gehört.

    Trotz mancher Kritik, seine Bilder seien zu schön, zu menschenleer, zu technisch und künstlich, blieb Ansel Adams unbeirrt seinem Thema treu: der Magie der Landschaft. Er schrieb Essays über den Zustand der Nationalparks, drängte Präsidenten von Roosevelt bis Carter zu Umweltprogrammen. Im Yosemite-Park unterrichtete er schließlich bis ins hohe Alter Fotografie, verfasste mehrere Grundlagen-Bücher zur Fototechnik. Die letzten 20 Jahre lebte er im wildschönen kalifornischen Küstenort Carmel.

    Zum 80. Geburtstag des Fotografen spielte Vladimir Ashkenazy als Überraschungsgast. Zwei Jahre später, am 22. April 1984 starb Ansel Adams.

    Seine Fotografien hatte er immer als Ausdruck seines Empfindens verstanden und unmittelbar mit Musik verglichen:

    "Fotografen sind in gewisser Weise Komponisten. Und die Negative ihre Partitur."