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Vorlesung via Internet

Seit 2003 können an der Universität Oldenburg Vorlesungen auch via Internet von zu Hause aus oder bei einer Videokonferenz im Hörsaal verfolgt werden. Die Erfahrungen zeigen: Wirklich mit einer Präsenzveranstaltung mithalten kann die Vorlesungsübertragung wohl nie.

Von Lutz Weihe | 20.07.2006
    Seminarraum Raum A9-004 an der Universität Oldenburg. Ein Videobeamer projiziert acht Bilder von den Hörsälen der angeschlossenen Universitäten auf eine große Leinwand - die Bildverbindung steht. An Konferenztechnik und Tonleitung arbeiten zwei Techniker noch bis zur letzten Minute:

    "Schön, prima. Dann würde ich ganz schnell noch nach Göttingen geben, damit ihr noch mal probieren könnt, die Folien zu schalten. So, hört man Göttingen? Doch jetzt hört man.”"

    Dann stehen die Leitungen und die Oldenburger Junior-Professorin Susanne Boll berichtet, welche Stolpersteine sie bei ihren Vorlesungsübertragungen zur Uni Osnabrück überwinden musste:

    ""Die Vorbereitung blieb für mich identisch, die Durchführung war doch etwas ungewöhnlich. Man war doch eingebunden in den Aufnahmebereich der Kamera, weil nicht "nachgezoomt" oder mitbewegt wurde: Man musste das Mikrofon im Auge behalten, sich nicht wegdrehen dabei. Und vor allem am Anfang gab es den Monitor nicht, der mir Osnabrück und die Studierenden dort gezeigt hat. Dann war das oft so, dass ich die völlig vergessen hatte.”"

    Auch für die Studierenden ist Übertragung gewöhnungsbedürftig, weil hochkomplex. Der Ton ist nicht immer gut verständlich, neben der Videoleinwand mit dem Dozenten gibt es noch eine zweite, auf der parallel eine Power-Point-Präsentation läuft - man muss also ständig mit den Augen hin und her wechseln - und eine lebendige Diskussion ist kaum möglich. Susanne Boll:

    ""Unser Publikum hatte kein Mikrofon, also hätte ich die Frage wiederholen müssen, damit Osnabrücker Studierende das wissen. Dann kam oft die Nachfrage aus Osnabrück: Frau Boll? Oh ja. Selbst die Oldenburger haben mir nachher geholfen, dass sie sagten: Frau Boll, sie müssen die Frage wiederholen sonst haben die Osnabrücker Studierenden das nicht gehört.”"

    Geübte Dozenten können hier sicher vieles wettmachen, doch wirklich mit einer Präsenzveranstaltung mithalten kann die Live-Vorlesungübertragung wohl nie. Warum trotzdem immer mehr Hochschulen darauf setzen, bringt Videokonferenzmoderator Dr. Norbert Kleinefeld auf den Punkt:

    ""Gerade unter hochschulpolitischen Aspekten ist es sehr interessant, dass die Hochschulen versuchen, im Moment die Qualität der Lehre und auch Defizite in der Angebotsstruktur, durch die Angebotsorganisation mit neuen Medien auszugleichen.”"

    Die Erfahrungen mit reinen Vorlesungsaufzeichnungen, als Ergänzung zum normalen Präsenzangebot, fallen deutlich besser aus. Anders als bei der Liveübertragung können Studierende Folien in Ruhe ansehen, oder notfalls noch mal zurückspulen, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Für die Universitäten bringen sie auch Vorteile, berichtet aus Göttingen Professor Dieter Hogrefe:

    ""Also wir haben hier den Online-Studiengang "Winfo-line", ein Studiengang der Wirtschaftsinformatik, in dem wir einfach diese Vorlesungen - die wir in der Informatik aufgezeichnet haben - auch verwenden. Die Studierenden laden das ´runter, und sind nicht an Vorlesungszeiten oder Ähnliches gebunden."

    Die Akzeptanz von reinen Aufzeichnungen untermauern auch Befragungen von rund 500 Studierenden in Hannover und Clausthal-Zellerfeld. Danach nutzen vier von fünf Studierenden die Vorlesungsaufzeichnungen regelmäßig - Tendenz steigend. Ein Drittel aus Neugier, die restlichen Studierenden je zur Hälfte zur Prüfungsvorbereitung, oder weil sie sich schlicht den Weg zur Uni sparen wollen. Jeder Dritte verzichtet bereits gänzlich auf Präsenzvorlesungen - übrigens ohne Auswirkungen auf die Prüfungsleistungen, ergab die Auswertung der Befragung.

    Vorläufiges Fazit: Studierende empfinden vor allem Vorlesungsaufzeichnungen als Bereicherung, weil das Studium dadurch zeitunabhängiger wird. Das sagen auch Oldenburger Studierende:

    "Wenn man das einfach nur angucken will, sich irgendwelches Basiswissen anhören will, dann ist das schon ziemlich praktisch, das als Konserve zu haben."

    Und auf Präsenzveranstaltungen verzichten, wollen die meisten auch nicht, denn wirklich intensiv diskutieren - ohne manchmal störende Technik - lässt sich nur dort:

    "Bei Übungen wär´ das ganz gut, wenn man noch zusammensitzt, dann bespricht man auch die Aufgaben und den Stoff. Dann hat man auch die Vorteile, die man davon hat, dass man noch vor Ort ist."

    "Für mich wäre es ein ganz klares Zusatzangebot und ich würde es auch nicht ausschließlich haben wollen.”"

    Dem kann auch Telekolloquiumsmoderator Norbert Kleinefeldt zustimmen:

    ""Ansonsten möchte ich als Moderator allen Beteiligten danken, und ich möchte sie dann im Grunde nur einladen, zu den nächsten Telekolloquien, im nächsten Wintersemester, zu kommen. Die Termine werden rechtzeitig bekannt gegeben. Damit vielen Dank und noch einen schönen Sommertag."