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Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt
Hans-Werner Sinn: Mindestlohn behindert Integration

Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integrieren – für die deutsche Wirtschaft die drängendste Aufgabe in den nächsten Jahren. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn hält mit Blick auf gering-qualifizierte Zuwanderer eine Abschaffung des Mindestlohns für nötig. Dem widersprechen aber sogar Unternehmer.

Von Susanne Lettenbauer | 14.10.2015
    Der Präsident des ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, spricht am Mittwoch (29.06.2011) in München (Oberbayern) auf der Jahresversammlung des Instituts
    Der Präsident des ifo Instituts, Hans-Werner Sinn (picture alliance / dpa / Tobias Hase)
    Hans-Werner Sinn wirkt in diesen Tagen ziemlich müde. Die Dinge seien außer Kontrolle geraten, sagt Deutschlands Chefökonom ohne Zögern. Einerseits stehe die Wirtschaft vor dem demografischen Problem, dass bis zum Jahr 2030 rund sieben Millionen mehr Rentner in Deutschland leben und rund 8,4 Millionen Arbeitskräfte rechnerisch fehlen werden. Zuwanderung sei deshalb wichtig und richtig.
    Andererseits kämen zur Zeit eher geringqualifizierte Zuwanderer aus Afghanistan, dem Irak und Syrien, die schwer in den Arbeitsmarkt zu integrieren seien. Das zeige die neueste Studie vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB:
    "Das IAB schätzt, dass von den Flüchtlingen, die aus den Bürgerkriegsgebieten kommen 22 Prozent keinen Schulabschluss hat. Mit denen können sie nicht ohne weiteres eine Ausbildung anfangen. Das sind Arbeitskräfte, die gering qualifiziert sind und in das unterste Segment des Arbeitsmarktes hineindrängen, wo wir den Mindestlohn haben."
    Die afghanischen Flüchtlinge Said Abduhlwahed Haschimi (l) und Abdullah Mohammadi zeigen sich am 07.11.2014 in ihrem Heizungsbaubetrieb in München (Bayern), wo sie eine Berufsausbildung absolvieren. 
    Flüchtlinge sollen besser in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden (picture-alliance / dpa / Simon Ribnitzky)
    Der Mindestlohn behindere die Integration gerade dieser gering-qualifizierten Zuwanderer, davon ist Sinn überzeugt und fordert wiederholt seine Abschaffung. Bei den jüngeren Asylsuchenden werde die Integration über Berufsschulen und Ausbildungsplätze derzeit bereits gut gefördert. Das Problem seien die Älteren. Die Handwerkskammer würde sich bei der Weiterbildung engagieren, wenn die Arbeitsagenturen, also der Staat, dies anfordere was bisher aber noch nicht geschehen sei, heißt es aus der bayrischen Handelskammer.
    Kreative Maßnahmen von Firmen, Flüchtlinge über 25 Jahren in dreimonatigen Praktikumsplätzen unter dem Mindestlohn zu beschäftigen, sei nur eine Übergangslösung. Entweder müsse man sich über den Wegfall der Mindestlohnregelung einigen oder zehn Jahre zurückschauen, auf die Reform von Altbundeskanzler Gerhard Schröder und seine Agenda 2010. Weniger Arbeitslosengeld und mehr staatliche Lohnzuschüsse für Firmen, die Flüchtlinge einstellen. Solche Zuschüsse belasteten den Staat weniger als zukünftige Hartz IV-Empfänger. Damit habe man in Deutschland die Arbeitslosigkeit schon einmal nachhaltig bekämpfen können, so Sinn. Seine Forderung ist daher klar:
    "Wir fordern also eine Agenda 2020, die die Idee der Schröderschen Reformen noch einmal aufgreift und verstärkt, um den Arbeitsmarkt flexibel zu machen für Aufnahme der die vielen gering-qualifizierten Menschen, die jetzt kommen."
    Firmeninhaber gegen Abschaffung des Mindestlohns
    Handwerksmeister und Firmeninhaber widersprechen der Forderung nach einer Abschaffung des Mindestlohns. Hans Mädele aus Weilheim, Inhaber von drei Autohäusern und KFZ-Werkstätten empfindet ihn nicht als Problem, sondern eher eine Hilfe bei der Suche nach Fachkräften:
    "Da brauchen wir uns augenblicklich keine Sorgen zu machen, weil wir zu wenig Menschen haben, die in Arbeit sind und wir froh sind, dass die Flüchtlinge kommen. Ich habe zwei Zuwanderer jetzt bei mir, mit denen ich sehr zufrieden bin, ich habe sie mir aber auch rausgesucht."
    Doch nur 30 Prozent der ausländischen Auszubildenden halten die Lehrzeit durch, zeigt ein Hochrechnung der bayerischen Handelskammer. 70 Prozent der jüngeren Flüchtlinge würden ihre Ausbildung abbrechen, sei es, weil die Jugendlichen das duale Ausbildungssystem nicht akzeptieren oder sei es, dass sie schneller in den Arbeitsmarkt einsteigen wollen, zu Dumpinglöhnen. Prekäre Arbeitsverhältnisse gäbe es aber bereits zur Genüge, so Sinn. Der Verdrängungswettbewerb dort sei vorprogrammiert.