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Manuskript: Großes Leuchten

Zehntausende Leuchtdioden machen seit März die Bay-Bridge zwischen San Francisco und Treasure Island zu einem lichtarchitektonischen Erlebnis, in Wuppertal strahlt die Universität weithin sichtbare Leuchtzeichen ab. Mittlerweile gelten die hell weiß strahlenden LEDs als Beleuchtung der Zukunft. Aber während sich die LEDs am Markt erst noch gegen Halogen- und Energiesparlampen – demnächst vielleicht quecksilberfrei - durchsetzen müssen, arbeiten die Forscher schon an organischen Leuchtdioden.

Von Bernd Schuh | 27.10.2013
    "Ich persönlich bin ein großer Fan der Glühlampe…"

    "Es war wirklich schön anzusehen…"

    "Es ist ein unglaublich ästhetischer Raum…"

    "Das Leuchten in den Augen der Designer…"

    "Die Rezeptur macht ein bisschen das aus, wie die Oled später leuchten…"

    " Je kleiner der Quantenpunkt, desto mehr im Blau leuchtet er…"

    "Es ist ein unglaublich ästhetischer Raum…"

    "Das Leuchten in den Augen der Designer…"

    "Das ist das Fenster der Zukunft, absolut…"


    "Are we ready?…"

    "Yeah.…"

    "Okay. Five, four, three, two, one…"

    Licht macht sichtbar Licht, schafft Raum. An der Baybridge in San Francisco kann man es Nacht für Nacht live bewundern: Lichtkünstler Leo Villareal hat die doppelstöckige Hängebrücke zu ihrem 75. Geburtstag im März in ein funkelndes Schmuckstück verwandelt. Villareal:

    "Menschen scheinen sich zum Licht hingezogen zu fühlen, es ist ein grundlegender Impuls, nonverbal, wie das Sitzen an einem Lagerfeuer, es hat eine hypnotische Ausstrahlung, und ich spiele mit dem zusätzlichen digitalen Element, erschaffe meine eigenen Regeln und Strukturen und nehme die Menschen dabei mit."

    Schon aus weiter Ferne sieht man 25000 LEDs an den Stahlseilen der Brücke blinken und funkeln. Die Lichtflecken tanzen nach einer computergesteuerten Partitur, die jede LED einzeln anspricht. Die gewaltige Kunstinstallation wird von webcams in die ganze Welt übertragen. Das Spiel mit dem Licht ist erst durch das schnelle elektronische Schalten der Leuchtdioden möglich geworden. Und ihren geringen Energieverbrauch. Nicht mehr als 30 Dollar pro Nacht kostet die Lichtkunst an der Baybridge.

    "Erst als es gelang, einen Kohlefaden in einem Glaskolben mit einer gewissen Effizienz, mit einer guten Ausbeute reproduzierbar herzustellen, hat sich das elektrische Licht durchgesetzt."

    Für Jürgen Waldorf, Geschäftsführer im Fachverband Licht des Zentralverbandes der elektrischen Industrie ist die Technikgeschichte der Beleuchtung durch das Streben nach Effizienz bestimmt. Jeder technologische Sprung wie der von der chemischen Verbrennung zum elektrischen Licht ging mit einer Erhöhung zumindest der wirtschaftlichen Effizienz einher. Von energetischer Effizienz konnte allerdings zunächst keine Rede sein: Mehr als 95 Prozent der zugeführten elektrischen Energie wurden in der Glühbirne in Wärme verwandelt. Nur der spärliche Rest in Licht. Waldorf:

    "Die nächste technische Innovation waren Gasentladungen, im größeren Stil ab den 40er-Jahren, die es ja heute auch noch gibt, in Form von Leuchtstofflampen, in Form von Energiesparlampen, vieles was Sie im Straßenbereich sehen, was Sie im Shopbereich sehen, sind Gasentladungslampen, mit sehr hohen Effizienzen, und das war gegenüber der Glühlampe ein ganz schöner Effizienzsprung."

    Energiesparlampen, die umweltpolitisch verordneten Nachfolger der Glühbirne, sind nichts anderes als Leuchtstoffröhren im Miniformat: ihre Röhren sitzen verschlungen im Innern der umhüllenden Birne. Doch sie kranken an einem Manko: Das eigentliche Leuchtmittel ist Quecksilber, also hoch giftig. Kein Problem, solange die Lampe kalt ist, dann sitzt das Quecksilber kondensiert an den Innenwänden. Doch sobald Strom fließt, heizen Glühwendeln aus Wolfram die Lampe auf, verdampfen das Quecksilber und liefern Elektronen, die das gasförmige Quecksilber zur Abstrahlung von UV-Licht anregen. Eine meist phosphorhaltige Beschichtung an den Wänden der Lampe verwandelt das UV-Licht in sichtbares Licht. Ohne das eigentliche Leuchtmittel Quecksilber geht dabei nichts. Anlass zu warnender Empörung, auch in öffentlich-rechtlichen Fernsehmagazinen...

    Quecksilberangst Hohe Dosen Quecksilber können tödlich sein. Schon geringe Mengen lassen Nervenzellen schrumpfen und schädigen andere Organe.
    (NDR Kulturjournal, 14.05.12)


    "Wenn man eine Kompaktlampe zerbricht, 15 Minuten kräftig lüftet und die Scherben in eine Plastiktüte packt, hat man auch keine Gefährdung","

    sagt ausgerechnet der Mann, der am lichttechnischen Institut des Karlsruher Instituts für Technologie eine vollkommen quecksilberfreie Leuchtstofflampe entwickelt hat, Rainer Kling.

    ""Es gibt ja schon Lampen, wo gewissenlose Hersteller drauf schreiben 'quecksilberfrei', da findet sich in der Lampe ein so genanntes Quecksilberamalgam, das ist eine Quecksilbermetallverbindung, die hat einen höheren Schmelzpunkt, aber es ist auf jeden Fall eine Quecksilberentladung, und wenn die Lampe im Betrieb zerbricht, tritt da gasförmiges Quecksilber aus, und es ist genauso gefährlich, wie eine konventionelle Lampe."

    Die Idee, ein anderes Leuchtmittel als Quecksilber zu verwenden, war bislang an banalen Hürden gescheitert. Ersetzt man Quecksilber durch andere Leuchtstoffe, verbrennen die Glühwendeln zu schnell. Kling fand eine Lösung, den Ersatz der Glühwendeln durch die so genannte Heuermannsche Hochspannungszündung. Dabei wird die Lampe mit einem Mikrowellenpuls gezündet, so als legte man sie kurz in einen Mikrowellenofen.

    "Indem wir einfach eine Hochfrequenz in die Lampe einkoppeln, um dadurch die Energie einzukoppeln, haben wir auf einmal die Freiheit gehabt, ganz viele Stoffe durchzuprobieren, und dadurch jetzt einen Ersatzstoff für Quecksilber zu finden."

    Nun brauchte man auf empfindliche Heizwendeln keine Rücksicht mehr zu nehmen; eine Fülle anderer Materialien kam in Frage. Kling:

    "Jetzt hatte man eine Spielwiese, auf der wir über mehrere Jahre und mit mehreren Doktoranden viele Substanzen durchprobiert haben, um die richtige Mischung zu finden."

    Wie die richtige Mischung aussieht, wird natürlich nicht verraten, denn die Vermarktung läuft bereits. Nächstes Jahr soll die neue Lampe auf den Markt kommen. Angesichts von zwölf Milliarden Anschlüssen mit Standardfassung, in die man beliebige Leuchtmittel einschrauben kann, bieten sich der Neuerung aus Karlsruhe keine schlechten Aussichten. Zumal, wenn die alten Kompaktleuchtstofflampen wegen ihres Quecksilbergehalts verboten würden. Beleuchtungslobbyist Jürgen Waldorf ist da eher skeptisch: Quecksilber…

    "...Ist kein Thema mehr, erst einmal ist ja sehr, sehr wenig drin. Die Frage ist, ob das nicht auch als Hysterie geschürt wurde an der einen oder anderen Stelle. Zweitens: Der Verbraucher kann auch zu Lampen greifen, wo er das Quecksilber zu Amalgam gebunden hat, oder jetzt greift er zur LED, da sind überhaupt keine flüchtigen Stoffe mehr verbaut."

    "Ich persönlich bin ein großer Fan der Glühlampe, aber mehr aus ästhetischen Gründen, es entsteht ein unheimlich ästhetischer Raum. In diesem Vakuum diesen glühenden Faden strahlen zu sehen!"

    Wie für den Lichtkünstler Mischa Kuball hat das Licht der Glühlampe für viele Menschen eine besondere Bedeutung, als Inbegriff von Wärme und Feuer, von künstlicher Sonne und angenehmer Atmosphäre. Jedes Leuchtmittel schafft seinen eigenen Raum. Warm und heimelig zumeist das Licht der Glühlampe, kalt die Leuchtstoffröhre, aktivierend die taglichthelle LED. Erhellend sind sie alle. Kuball:

    "Die Lampe ist in unserer Kultur ein extrem hoch aufgeladenes Kulturgut, wer mit einer Lampe kommt, also mit einem Licht, das ist an sich schon sehr, sehr tragfähig."

    im Rahmen eines seiner Projekte ließ Lichtkünstler Mischa Kuball Kinder aus verschiedenen Kulturen erzählen, was für sie Licht bedeutet.

    "Ein Junge aus Rumänien beschreibt, dass die Eltern ihn in den Keller gesperrt haben, zur Strafe, und so ein kleiner Schlitz zwischen den Holzplanken, der war so ein kleiner Hoffnungsschimmer."

    Die energetisch so ineffiziente Glühlampe hat mehr als 100 Jahre überlebt – trotz der neuen Möglichkeiten, die schon einige Jahrzehnte nach ihrer Erfindung zur Verfügung standen. Physikalisch unterscheiden sich die Lichterzeugungstechnologien nicht: Immer sind es Lichtpakete, die beim Übergang von Elektronen in energetisch tiefer liegende Zuständen frei werden – Physiker sprechen von Quantensprung. Das Atom enthält danach weniger Energie, die Differenz fliegt als Lichtquant, als Photon davon. Das Prinzip bleibt dasselbe, ganz gleich ob es sich um Feuer, Glühfaden, Gasentladung oder die leuchtende Halbleiterschicht handelt. Doch technikgeschichtlich bedeutete jeder Übergang zu einem neuen Leuchtmittel jeweils einen Riesensprung – paradoxerweise hat sich in der Alltagssprache dafür der Begriff Quantensprung eingebürgert.

    Highlights aus dem Fraunhofer Heinrich Hertz Institut, ein magischer Ort in Berlin. Hier kommen Computerdaten aus ganz normalen LED-Lampen. Visual Light Communication, Datenübertragung über ein optisches W-LAN.
    (Fraunhofer HHI)


    Neben ihrer hohen energetischen Effizienz hat die LED einen weiteren Vorteil gegenüber der Leuchtstoffröhre: sie lässt sich wesentlich schneller schalten. Diesen Vorteil nutzen die Wissenschaftler am Heinrich-Hertz-Institut in Berlin, um die Lichtquelle LED mit einer zusätzlichen Funktion auszustatten: der Datenübertragung. Im Labor des Instituts erklärt mir Projektleiter Anagnostis Paraskevopoulos, wie das funktioniert. Auf einem Labortisch stehen links und rechts je ein Laptop. Der linke ist mit einer kleinen Box über der Mitte des Tischs verbunden. Eine hell leuchtende LED an der Box beleuchtet den Tisch, dort steht ein Empfängermodul, das mit dem zweiten Laptop rechts verbunden ist.

    "Das ist der gleiche Anschluss, den wir auch im Büro brauchen. Für die Experten: Das nennen wir eine Ethernet Bridge, also eine Ethernetbrücke. Wir kommen mit Ethernet an, übertragen die Daten optisch, und machen weiter mit Ethernetsignalen."

    Zur Demonstration lässt der Ingenieur auf Laptop links ein Video mit Musik laufen. Die Daten erreichen per Kabel die Box mit der LED. Im Lichtstrom der Lampe schwimmen die Töne und Bilder dann weiter, bis sie die Empfängerbox erreichen und auf gewohntem Terrain weiterreisen: per Kabel bis zu Laptop rechts. Nun hält Anagnostis Paraskevopoulos eine Hand über den Empfänger.

    "Jetzt blockiere ich die optische Übertragung, und der Sound bleibt weg….Jetzt lasse ich die optische Übertragung wieder fließen, und Sie haben sofort wieder Signal."

    Die LED überträgt den Datenstrom, indem sie - unsichtbar für das menschliche Auge - im Rhythmus der Datenpulse flackert. Ein optisches W-LAN quasi. Die Techniker am Fraunhoferinstitut haben bereits Übertragungsraten jenseits der Möglichkeiten von W-LAN oder Bluetooth erreicht. Paraskevopoulos:

    "Wir haben Ideen, wie wir das steigern können, aber für viele Anwendungen ist das nicht notwendig. Wir als Nachrichtentechniker sind immer interessiert an höher, schneller, aber ich denke die Technologie ist jetzt soweit, dass wir an konkrete Industrieanwendungen denken können. Und das werden wir mit dem, was wir heute schon haben, bestreiten können."

    Auch andere Forschergruppen arbeiten an diesem Prinzip der "Visual Light Communication", kurz VLC genannt. Der Ansatz der Fraunhofer in Berlin ist besonders praxisorientiert; fast alles kann mit marktgängigen Bauelementen realisiert werden. Eine LED wird ohnehin elektronisch angesteuert, an der Lampe muss also lediglich zusätzlich der Modulator untergebracht werden. Dazu kommt eine neue Einheit am Endgerät. Paraskevopoulos:

    "Da braucht man einen, wir nennen das Transceiver, also einen Sender und Empfänger kombiniert, und unser Wunschtraum ist, dass wir so eine Komponente in Form von einem USB-Stick haben, oder wenn die Akzeptanz groß genug ist, wird so eine Komponente in einem Laptop ins Gehäuse integriert werden."

    Aber wer braucht ein optisches W-LAN, das nur bei eingeschalteter Beleuchtung funktioniert, und wozu?

    "Das allen bekannte Beispiel ist die Flugzeugkabine. Viele möchten in einem Flieger auch Internet Access haben, das hapert noch. Ein weiteres Beispiel ist die Logistikhalle, denn Funkwellen werden überall reflektiert, und sie haben gewissermaßen eine Art Funkchaos."

    Die Fraunhofer denken auch an Krankenhäuser, wo Funkverkehr unerwünscht ist; oder Industrieanlagen, wo starke elektromagnetische Felder den Betrieb von Funkwellen-gesteuerten Geräten unterbinden. Doch Paraskevopoulos hat auch noch andere Ideen:

    "Eine Motivation für die Entwicklung dieser Technologie ist das Thema Datensicherheit. Sie kennen alle die Problematik, dass Sie nicht nur ihr eigenes W-LAN erkennen, wenn Sie ihren PC oder ihr Smartphone anmachen, sondern auch das W-LAN von etlichen Nachbarn vielleicht zwei Wohnblöcke weiter."

    Mit der Hausbeleuchtung in jeden Raum übertragene Daten wären vor Ausspähern sicher. Paraskevopoulos:

    "Das ist eine große Motivation, solche Systeme zu entwickeln."

    Aber es gibt doch sicher auch bei diesem System ein Einfallstor für Hacker?

    "Wenn Sie einen Spiegel dazwischen halten, ja."

    Seit dem 22. Oktober erstrahlt die Uni in neuem Licht – dem Metalicht.
    (Universität Wuppertal)


    "Die Fragestellung, wie kann man Universität und Stadt miteinander in Beziehung setzen: Da gab es gar keine Alternative!"

    Auch Lichtkünstler Kuball nutzt LED-Licht zur Kommunikation, allerdings zur offenen: zwischen der Wuppertaler Campusuniversität auf dem Berg und den Bürgern im Tal.

    "Alle anderen Versuche, dass Menschen an diesen Ort kommen, auf diesen Berg der Universität und dort in dieser Trutzburg die Seminare besuchen, das hat es ja alles schon gegeben. Jetzt war es genau umgekehrt. Jetzt wurde die Universität zum Sender."

    Aus der Nähe betrachtet besteht der Uni-Campus aus einer Vielzahl von großen Gebäuden auf verschiedenen Ebenen. Treppen verbinden sie wie Gelenke.

    "Aber von der Wahrnehmung aus der Stadt sieht das aus wie eine betonhafte Wehr, wie eine Trutzburg. Und überall da, wo diese Gelenke sind, habe ich die Vielfalt der achteckigen Körper mit feinen LED Lichtern ausgestattet, die alle geschaltet sind, jede Lampe hat praktisch eine eigene IP Adresse, und die wird dann eben angesteuert."

    Dietmar Thomas: "Hier dann noch mal zwei Schuhe."

    Bernd Schuh: "Doppelt gemoppelt."

    Thomas: "Zusätzlich dürfen wir dann noch so ein wunderschönes Haarnetz aufziehen."

    Feuer, Gas, Glühbirne, Gasentladung, Leuchtdiode. Und was kommt danach? Die Industrie arbeitet dran. An der O-LED, kurz Oled genannt.

    Dietmar Thomas: "Also, wir haben uns jetzt gerade umgezogen, indem wir Haarnetz, Überschuhe und einen antistatischen Kittel angezogen haben, damit wir in die Produktion gehen können. Die Produktion ist in einem Reinraum untergebracht. Die Produktion als solche macht so gut wie gar keine Geräusche, hier und da macht es mal Piep und Tschirp, das ist halt keine normale Produktion wie bei der Glühlampe, wo man richtig Stanzen hört und Rattern, das ist relativ ruhig. Alles was man hier hört, ist im Prinzip Klimaanlage."

    Dietmar Thomas von Philips Technologies führt mich durch eine Aachener Produktionsanlage, in der die Beleuchtung der fernen Zukunft hergestellt wird. Oled steht für organische LED.

    "Das Wichtige an Oled ist ja, dass Oled die erste Lichtquelle ist, die ihr Licht über die ganze Fläche abgibt. Die Lichtquellen, die wir vorher gekannt haben, von der Kerze über die Glühlampe bis zur LED, sind Punktlichtquellen, und Oled sind erstmals echte Flächenlichtquellen."

    Man kennt die Oleds bereits aus Handy- oder iPad-Displays, weniger als Lichtquellen für die private oder öffentliche Beleuchtung. Dazu waren sie bis vor kurzem nicht leistungsstark und nicht haltbar genug. Diese Schwierigkeiten sind überwunden. In der 40 Millionen Euro teuren Pilotanlage stellt Philips Oled-Komponenten in größeren Stückzahlen her. Die einzelnen Produktionsschritte geschehen vollautomatisch und unsichtbar in luftleeren Kammern, die längs aufgereiht in einer großen Halle stehen. Grundlage sind plane Glasscheiben, sorgfältig gestapelt in einer Ecke der Halle. Auf jede Scheibe wird als erstes ein Kontaktnetz aus Indium-Zinn-Oxid aufgedampft. Dann kommt – ja, was eigentlich? Dietmar Thomas:

    "Mehr verraten können wir da tatsächlich nicht, weil die Rezeptur macht ein bisschen das aus, wie die Oled später leuchten, und wir wollen natürlich nicht unseren Mitbewerbern zu viele Tipps geben."

    Nur so viel will der Pressesprecher verraten: Es sind an die 30 bis 40 verschiedene Schichten, die schließlich mit einem Aluminiumoxid versiegelt werden. Nicht nur bei Philips, auch bei Osram und asiatischen Konkurrenten, allen voran Samsung, wird intensiv an Oleds für Beleuchtungszwecke geforscht. Der aufwändige Produktionsprozess lässt ahnen, dass das Ergebnis nicht ganz billig ist. Wer einen 300-Watt-Deckenfluter durch Oled-Kacheln an der Decke ersetzen will, sollte dort einen halben Quadratmeter Platz und im Portemonnaie ein paar Tausend Euro locker haben. Was Lebensdauer und Helligkeit angeht, können die kommerziell verfügbaren Oled-Leuchten mit LEDs und Kompaktleuchtstofflampe allerdings bereits mithalten. Aber Mithalten allein reicht nicht in einem ohnehin schon engen Markt. Der wird nach wie vor von der guten alten Glühbirne dominiert. Jürgen Waldorf:

    "Man kann sagen, dass bis vor drei Jahren noch über 200 Millionen Glühlampen verkauft wurden in Deutschland."

    Von den gut 100 Millionen Lampen für den häuslichen Bereich, die 2012 in Deutschland noch primär in den Handel kamen, waren 80 Prozent Halogenlampen, also Glühlampen mit erhöhter Effizienz; 12 Prozent waren Kompaktleuchtstofflampen und nur 8 Prozent LEDs. Bis die von vielen als "Leuchtmittel der Zukunft" gepriesene LED die Führung im Markt übernommen hat, könnte noch einige Zeit vergehen. Waldorf:

    "Trotzdem wird weiter entwickelt, zum Thema Oled, also organische LEDs. Ich denke es wird in Zukunft, wenn die Oled mal die Effizienzen wie die LED hat und damit auch breit in den Markt kommen kann, dann wird es eine Koexistenz beider Technologien geben."

    Was die Oleds prinzipiell so attraktiv und überlegen machen könnte, sind futuristische Anwendungen wie leuchtende Tapetenfolien oder Fenster, die tags das natürliche Licht hereinlassen und bei Dunkelheit künstliches Licht liefern. Dietmar Thomas:

    "Das ist das Fenster der Zukunft, absolut. Da werden wir auch den Fensterherstellern den Mehrwert liefern können, indem wir irgendwann einmal Folien mit transparenten Oled-Materialien liefern können, die die dann wiederum einbauen in ihre Fenster."

    "Irgendwann" ist das entscheidende Wort in dieser Prognose. Der Stromfluss in den dünnen Schichten reagiert enorm empfindlich auf Unebenheiten oder andere Störstellen in der Unterlage. Immerhin haben Philips-Ingenieure jetzt eine Autoheckleuchte aus gebogenen OLED-Elementen fabriziert, die sie stolz als "3D-OLED" bewerben.

    "Wenn man die Autos von hinten sich anschaut, da spielt ja das Design eine große Rolle und da bieten die Oleds sehr viel","

    sagt die Chemikerin Dr. Helga Hummel, die das 3D-Projekt leitet. Drei Jahre Entwicklung hat es gekostet, ein geeignetes Oled-Material auf eine kleine gebogene Glasscheibe aufzutragen und gleichmäßig zum Leuchten zu bringen. Die handgroßen Scheiben wirken ohne Auto nur beeindruckend, wenn man weiß, wie viel Arbeit in Aachen und beim Autobauer investiert wurde. Hummel:

    ""Wir hatten unser Abschlusstreffen in Ingolstadt, da haben wir gemeinsam das Auto mit den Heckleuchten bestückt. Und es war wirklich schön anzusehen, das Leuchten in den Augen der Designer, als dann das voll bestückte Auto in dem Lichtlabor leuchtete. Das zeigt, was die Oleds können, filigran gleichförmig in den Raumwinkel abstrahlende Lichtquellen, auf die Form und den Charakter dieses Autos abgestimmt. Das war schon beeindruckend."

    Von den versprochenen leuchtenden Tapeten, flexiblen Flächenlichtquellen sind die Entwickler noch ein paar Jahre entfernt. Möglicherweise werden ganz andere Entwicklungen das Rennen um die Beleuchtungsquellen der Zukunft machen. Das Zauberwort heißt Quantenpunkt. Auch hierbei handelt es sich um Halbleiterstrukturen, allerdings um Größenordnungen kleiner als die, die in den Leuchtdioden stecken. Typischerweise besteht ein Quantenpunkt aus einem winzigen Stückchen Halbleiter, der in einem anderen Halbleitermaterial eingeschlossen ist, ähnlich wie Luftblasen in einem Glaskörper. Am Institut für Festkörperphysik an der TU Berlin arbeitet man bevorzugt mit Indiumarsenid und Galliumarsenid.

    "Zum Beispiel könnte man Indiumarsenid in Galliumarsenid einschließen, und wenn die Größe dieses Einschlusses passend gewählt wird, dann bleibt die klassische Physik auf der Strecke und es treten vollkommen neue Phänomene auf, die durch die Quantenphysik geschrieben werden."

    Daher der Name Quantenpunkt. Das Besondere der Quantenpunkte ist ihre Größe, erklärt Gruppenleiter Sven Rodt.

    "Die Quantenpunkte haben typischerweise laterale Abmessungen von 10 bis 30 Nanometer, manchmal auch ein bisschen größer, es kommt auf die gewünschte Anwendung an, denn durch die Größe lassen sich bestimmte Eigenschaften ganz gezielt einstellen. Wir haben zum Beispiel die Möglichkeit, mit ein und demselben Material von Halbleiter die Farbe von Blau bis ins Rote durchzustimmen, indem wir einfach nur die Größe des Quantenpunktes variieren. Dabei gilt die Faustregel, je kleiner der Quantenpunkt, desto mehr im Blau leuchtet er, je größer der Quantenpunkt, desto weiter im roten Bereich des Spektrums leuchtet er dann."

    An der TU Berlin hat man sich auf die Herstellung von Quantenpunkten mit einem so genannten selbstorganisierenden epitaktischen Verfahren spezialisiert. Dabei wird das Indiumarsenid auf einer Galliumarsenidoberfläche abgelagert. Aufgrund der auftretenden Verspannung in der aufgetragenen Schicht bilden sich kleine Tröpfchen Indiumarsenid heraus. Abteilungsleiter Stefan Reitzenstein:

    "Die sind von der Größe her unregelmäßig, allerdings haben die alle in etwa die gleiche Form, die sind so linsenförmig, es ist fast wie bei einem Auto, wenn sie das Auto frisch gewachst haben, und wenn es dann regnet, bilden sich auch die Wassertropfen auf der Lackoberfläche ab, so ungefähr kann man sich die Quantenpunkte stark vergrößert vorstellen."

    Anschließend werden die Tropfen, anders als beim Auto, von weiteren Schichten Galliumarsenid eingeschlossen. Die fertigen Proben müssen als nächstes vermessen werden. Dies geschieht in einer so genannten Kathodenstrahl-Luminiszenz-Apparatur, einer Art Kochtopf, der luftleer und tiefstgekühlt ist. Die Kühlung mit flüssigem Helium nimmt den größten Teil der Apparatur ein, Zuleitungen und Verbindungsschläuche bilden ein für den Uneingeweihten undurchsichtiges Gewirr. Über dem Kochtopf hängt ein armdicker Aufsatz. Sven Rodt:

    "Das ist ein Rasterelektronenmikroskop mit Glühkathode, das heißt wir haben im Innern ein relativ gutes Vakuum."

    Mit dem Elektronenstrahl des Mikroskops lässt sich die Probe nicht nur auslesen sondern quasi auch beschriften: Jeder winzige Quantenpunkt wird mit einem Tröpfchen Lack markiert; so lässt er sich für weitere Untersuchungen leichter auffinden.

    Mittlerweile stehen wir mit einer briefmarkengroßen Probe, in der sich einige hunderttausend Quantenpunkte befinden, in einem Labor, in dem die optischen Eigenschaften der fertigen Proben überprüft werden: Stoff für einige Masterarbeiten wie die von Elli Schlottmann.

    "Ich markiere hier auf dem Bild, wo der Laser anregt. Jetzt gehe ich mit diesem Punkt auf dem Bild auf einen schwarzen Fleck."

    Die Studentin muss zunächst die Quantenpunkte in der Probe finden. Dazu werden sie mit einem Laser zum Leuchten angeregt. Das ausgestrahlte Licht wird von einem CCD-Chip detektiert und gleich in ein Spektrum übersetzt, ein Bild also, das zeigt, wie viele Photonen bei welcher Wellenlänge abgestrahlt werden.

    "Dann wechsele ich die Kamera und gehe jetzt auf die stickstoffgekühlte CCD-Kamera. Erster Versuch und es funktioniert gleich: Wir sehen hier einen Wellenlängenbereich von 922 bis 944 Nanometer, und darauf sieht man ganz viele einzelne Linien. Und die kommen von einzelnen Quantenpunkten."

    In Berlin ist man weniger an lichtstarken Lampen als vielmehr an optischen Bauteilen interessiert, die besonders wenige Photonen abgeben. Auch dazu sind die Quantenpunkte ideal geeignet. Stellt man sich einen Quantenpunkt als Topf vor, in dem Ladungsträger gefangen werden, dann passen mit der Verkleinerung des Topfs immer weniger hinein. Stefan Reitzenstein:

    "Der Strom, der in das Bauteil fließt, besteht aus einzelnen Ladungsträgern, Elektronen zum Beispiel, und so ein Elektron wird in einem Quantenpunkt lokalisiert, und nach einer gewissen Zeit relaxiert das Elektron, und gibt ein Photon ab."

    Mit Einzelphotonenquellen ließen sich abhörsichere Datenquellen realisieren. Denn wer abhört, müsste einzelne Photonen entwenden, und das würde der Empfänger sofort bemerken. Aber kann man mit den Quantenpunkten auch Licht machen?

    "Mit unseren Quantenpunkten kann man sehr wohl Licht machen, man kann natürlich höhere Lichtintensitäten erzeugen, indem man solche Quantenpunkte nicht einzeln, sondern in größeren Konglomeraten benutzt, und dann die Quantenpunkte als aktive Schicht ausnutzt, zum Beispiel für Mikrolaser oder Laser als solche."

    Auch ein Mikrolaser ist eine wichtige Beleuchtungsquelle, aber für Räume, ohne die keine moderne Technologie mehr auskommt: die Aufenthaltsräume für Bits und Bytes, Computerchips. Mikrolaser auf Quantenpunktbasis könnten die Chiptechnologie revolutionieren, Supercomputer noch schneller machen. Reitzenstein:

    "In Zukunft werden kleine Laser, solche Mikrolaser auch in Computern zum Einsatz kommen, wenn man dann Daten sehr schnell und effizient von einem Bauteil innerhalb des Computers auf das andere übertragen möchte, und dazu braucht man sehr effiziente Laser, die sehr klein sind, und diese Laser sollen einen sehr sehr kleinen Stromverbrauch aufweisen."

    Denn schon heute gehört das Kühlen der miniaturisierten Computereingeweide zu den größten technischen Herausforderungen. Effizienz ist also auch hier gefragt, wo es um die kleinsten denkbaren Lichtquellen geht.

    Mischa Kuball: "Licht drückt immer eine Relation aus zwischen dem, was dunkel ist und was hell ist. Wenn ich in einem hellen Raum mit Licht Wirkung erzielen will, dann muss ich sehr viel Leistung, sehr viel Watt aufbringen, um diese Sichtbarkeit zu erreichen. Sobald ich aber in einem Waldstück bin, und jemand macht sein Feuerzeug an, oder hat ein einziges LED-Birnchen an seinem Schlüsselbund, dann habe ich eine unglaubliche Sichtbarkeit, denn ich habe einen total dunklen Umraum."

    Eine kommerzielle Anwendung von Quantenpunkten gibt es bereits: Die neuste Fernsehgeneration von Sony wirbt mit noch mehr und noch brillanteren Farben. Das Geheimnis ist eine Schicht aus Quantenpunkten, die wie Farbfilter wirken und die blauweiße LED-Hintergrundbeleuchtung des Fernsehers nach Belieben verändern. Darüber, wie diese Quantenpunktschicht hergestellt wird, kann man außerhalb der Sony-Forschungslabors freilich nur spekulieren. Sven Rodt traut sich.

    "Man muss sich das so vorstellen, dass dieses Konglomerat der reinen Quantenpunkte zum Beispiel in einer Lösung vorliegt, quasi aufgeschwemmt, und mit dieser Lösung kann man dann arbeiten. Man kann sie irgendwo aufbringen, wenn das Lösungsmittel verdampft, bleiben die Quantenpunkte zurück, und wenn das Verfahren gut eingestellt ist, kann man damit sicher auch beliebige Flächendichten, Konzentrationen und dergleichen erreichen. Da das einzelne kleine Kugeln sind, die auf einem Untergrund liegen, kann man mit diesem Untergrund auch eine flexiblere Folie erreichen, die mit Hilfe der Quantenpunkte zu Lichtemissionen angeregt werden kann."

    Mag sein, dass damit auch die ersten Schritte zu den bislang utopischen Versprechungen der Beleuchtungsforscher beschrieben sind, der flexiblen Flächenlichtquelle, leuchtenden Tapeten, selbst leuchtendem Papier oder Licht spendenden Tischdecken. Wenn es soweit ist, wird man über die gute alte LED vielleicht nur noch müde lächeln. Mischa Kuball:

    "Ich sitze übrigens abends im Dunkeln."