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Uni Bielefeld kritisiert Entwurf für neues Urheberrecht

Die Bundesregierung hat eine Novellierung des Urheberrechts in den Bundestag eingebracht, von der auch die Hochschulen betroffen sind. Kritik gab es bislang vom Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" und der Allianz der Wissenschaftsorganisationen. Auch der Bundesrat fordert, das Urheberrecht bildungs- und wissenschaftsfreundlicher zu gestalten. Inzwischen beziehen auch einzelne Hochschulen Stellung, darunter die Universität Bielefeld.

Von Miriam Grabenheinrich | 05.07.2006
    Steigende Kosten könnten vor allem in den Bibliotheken entstehen - durch die gesetzliche Änderung für die elektronische Dokumentlieferung. Bislang werden wissenschaftliche Zeitschriften-Artikel von den Bibliotheken gescannt und per Internet verschickt. Doch das soll sich zukünftig ändern - durch den neuen Paragraph 53 a. Demnach ist die elektronische Fernleihe den Bibliotheken nur noch gestattet, wenn die Wissenschaftsverlage keine eigenen Online-Zugriffe auf die Artikel anbieten. Michael Höppner, stellvertretender Bibliotheksleiter der Universität Bielefeld:

    " Wir werden, wenn das Gesetz wird, mit wesentlichen Einschränkungen in der Literaturversorgung leben müssen. Bisher wird eine Fernleihe, also die Lieferung eines Zeitschriften-Aufsatzes, mit 1,50 berechnet. Gängige Verlagsangebote, auf die man künftig ausweichen müsste, werden dann 30 bis 50 Euro verursachen. Finanziell wird es um den Faktor 20 teurer werden."

    Das Bundesjustizministerium hält diese Rechnung für unrealistisch, obwohl einige Wissenschaftsverlage bereits jetzt dreißig Euro je elektronischen Artikel berechnen. Wie hoch die Preise der Verlage zukünftig sein werden, dazu äußert sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries:

    " Das kann man so gar nicht sagen, weil es natürlich darauf ankommt: um was für einen Artikel handelt es sich, wie oft wird er verbreitet? Da gibt es jetzt keine feste Marge für. Wir stellen mit dem Paragraphen 53 a den elektronischen Kopienversand zum ersten Mal auf eine Rechtsgrundlage. Im Moment gibt es überhaupt keine rechtliche Basis für diesen elektronischen Kopienversand. Das ändern wir. Und unser Ziel ist es, damit den Verlagen auch eine Möglichkeit zu geben, ihre Produkte weiterhin zu realisieren."

    Die Änderung des Paragraphen 53 bereitet den Wissenschaftlern aber noch in anderer Hinsicht Sorge. Es geht dabei um eine bestimmte Formulierung. Die besagt, dass die Vervielfältigung wissenschaftlicher Arbeiten kostenpflichtig wird, sobald sie gewerblichen Zwecken dient. Das Justizministerium ist der Meinung, dass die Drittmittel-Forschung oftmals wirtschaftlich genutzt wird und dass daher die dafür verwendeten digitalen Informationen bezahlt werden müssen. Martin Egelhaaf, Prorektor für Forschung und Lehre an der Universität Bielefeld, kann das nicht akzeptieren.

    " Das wäre sicherlich kontraproduktiv für das, was eben die Politik von uns Wissenschaftlern durchaus zu Recht fordert, dass wir eben bemüht sein sollen Interaktionen mit Unternehmen zu suchen und eben auch zu versuchen die Dinge, die wir in Grundlagenforschungsbereich machen auch möglicherweise zur Anwendung zu bringen."

    Martin Egelhaaf kritisiert an der Novellierung des Urheberrechts auch den neuen Paragraphen 137 I. Darin wird eine Übergangsregelung festgelegt: Für neue Nutzungsarten, die bei Vertragsschluss noch unbekannt waren. Zum Beispiel die digitale Veröffentlichung - die war in den achtziger Jahren noch nicht bekannt. Hat ein Autor damals einem Verlag die Nutzungsrechte für seinen Artikel eingeräumt hat, so gehen diese jetzt rückwirkend auch für die neuen Nutzungsarten auf den Verlag über. Allerdings nur, wenn der Urheber nicht widerspricht. Martin Egelhaaf fürchtet, dass viele Wissenschaftler durch diese Gesetzesänderung übergangen werden:

    " Wir sollen hauptamtlich Lehre und Forschung machen und haben eigentlich gar nicht Zeit uns den ganzen Tag mit Paragraphen zu beschäftigen. Und da fürchte ich einfach, dass die meisten Wissenschaftler das gar nicht mitbekommen würden und deshalb auch keinen Einspruch erheben und sie deshalb dann einfach schleichend enteignet würden."

    Diese Befürchtung der Hochschulen hält das Bundesjustizministerium für irrelevant. Brigitte Zypries sieht die Urheber in dem Paragraphen 137 I zu Genüge berücksichtigt:

    " Ich meine, dass wir da eine relativ deutliche Sicherung eingebaut haben. Erstens kann man widersprechen und zweitens wird man aber entschädigt, wenn es denn noch stattfindet und ich glaube, dass das allen Beteiligten nützt. Das nützt sowohl den Urhebern, als auch den Gesellschaften, die die Urheber vertreiben."

    Diese Begründung will Dieter Timmermann, Rektor der Universität Bielefeld, nicht so stehen lassen. Er gibt zu bedenken, dass Wissenschaftler in den meisten Fällen für ihre Veröffentlichungen bei Verlagen zahlen müssen. Wenn sie überhaupt eine rückwirkende Entschädigung bekämen, beliefe die sich wohl auf nur einige Euro. Dieter Timmermann hält den Gesetzesentwurf insgesamt für viel zu verlagsfreundlich. Der Rektor macht sich Gedanken über Alternativen für seine Universität, falls das Gesetz in dieser Form in Kraft treten sollte:

    " Also wenn es jetzt so kommen sollte, wie Frau Zypries das beabsichtigt, und wir all diese Folgen tragen müssen, dann kann ich mir vorstellen, dass wir eigene Verlage gründen. Also Universitätsverlage oder Hochschulverlage. Dann wären wir echte Konkurrenten zu den Wirtschaftsverlagen."

    In jedem Fall will Dieter Timmermann einen Protest an der Universität Bielefeld organisieren und auch andere Hochschulen davon überzeugen:

    " Die Unis sind ja meist zu vornehm, um zu protestieren und da müssen wir lauter werden. Das Problem ist, dass wir Gehör finden müssen und ich habe immer den Eindruck, dass die Politik das entweder ignoriert oder dass denen das gar nicht bewusst ist, was sie für gefährliche Entscheidungen treffen."