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Vertrauliche Gespräche
Geheimdienst zu Auskunft verpflichtet

Hat der Bundesnachrichtendienst gezielt Informationen an einzelne Journalisten gestreut? Nach einem Eilbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts muss er darüber Auskunft erteilen. Der Fall rückt vertrauliche Gespräche zwischen Journalisten und Politikern in den Fokus – auch die von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Von Stefan Fries |
    "Bundesnachrichtendienst" steht an einem Gebäude des BND in Berlin im Bezirk Steglitz/Zehlendorf unter einer Überwachungskamera und neben dem Bundesadler, aufgenonmmen am 20.12.2015.
    Der Bundesnachrichtendienst in Berlin (picture alliance / Wolfram Steinberg)
    Der Fall hatte im Frühjahr einigen Wirbel gemacht. Im März sagte der Chef des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, dem Spiegel, er habe keine Hinweise darauf, dass hinter dem Putschversuch in der Türkei im Sommer 2016 der Prediger Fetullah Gülen stecke. Eine Einschätzung, die sich vorher schon in Texten anderer Journalisten fand.
    Tagesspiegel-Redakteur Jost Müller-Neuhof fand das auffällig und vermutete, dass der Geheimdienst seine Einschätzung bereits vorher gezielt an Journalisten rausgegeben hatte. Dazu wollte der BND aber nichts sagen. Müller-Neuhof klagte:
    „Mit der Klage möchte ich Informationen erhalten über die selektive Informationsvermittlung an ausgewählte Journalisten zu bestimmten Sachverhalten, die ich auch vorgetragen hatte, weil ich denke, dass darauf ein Auskunftsanspruch steht und auch ein Interesse der Öffentlichkeit.“
    Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat Müller-Neuhof jetzt per Eilbeschluss teilweise Recht gegeben (Beschluss beim BVerwG). Der BND muss ihm jetzt sagen, ob er seine Erkenntnisse zur Beteiligung oder Nicht-Beteiligung der Gülen-Bewegung am Putsch schon vor dem Spiegel-Interview vertraulich herausgegeben hat.
    Müller-Neuhof: „Sicherlich ein wichtiger Schritt. Und insbesondere wird damit festgestellt, dass die Behauptungen der Bundesregierung, dass alle vertrauliche Vermittlung von Informationen an Journalistinnen und Journalisten in ausgewählten Kreisen pauschal geschützt werden muss, zumindest fraglich geworden ist.“
    „Hintergrund ist nicht Hinterzimmer“
    Damit hatte das Kanzleramt begründet, warum es dem Tagesspiegel-Redakteur keine Auskunft erteilen wollte, mit welchen Journalisten Kanzlerin Angela Merkel sich zu vertraulichen Gesprächen getroffen hat. Auch gegen das Kanzleramt hat Müller-Neuhof deshalb geklagt. Er möchte, dass alle Journalisten dieselben Informationen von staatlichen Stellen bekommen.
    Mit seiner Klage stößt der Journalist bei Kollegen auf Widerspruch. Bei der Tagung „Formate des Politischen“ vorige Woche sagte Deutschlandfunk-Chefredakteurin Birgit Wentzien, in Hintergrundgesprächen könnten Politiker und Pressesprecher Wissen über politische Abläufe weitergeben, das Journalisten bei ihrer Vermittlung helfe:
    „Hintergrund ist nicht Hinterzimmer. Einsicht ist nicht Durchsicht. Professionelle Distanz ist entscheidender statt Transparenz. Ich glaube, dass Politik als Handwerk zur eigenen Funktionsfähigkeit das Recht darauf hat, dass nicht alles öffentlich ausgetragen werden muss.“
    Auch Journalistikprofessor Tanjev Schultz von der Universität Mainz, der früher als Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung gearbeitet hat, verteidigte die vertraulichen Gespräche. Zwar träten Journalisten grundsätzlich für Transparenz ein, jedoch müssten sie auch Redaktionsgeheimnisse und Informanten schützen.
    „Es ist eben auch wichtig, dass Journalisten die Gelegenheit haben, vertraulich Informationen zu erlangen und auch, sich etwas erklären zu lassen, und auch Politiker nicht immer die Gefahr laufen, dass jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird, und dass sie auch mal ins Blaue hinein in einer gewissen Weise sprechen dürfen und auch komplizierte, sensible Vorgänge in Ruhe erklären können.“
    Ex-Regierungssprecher: Journalisten sollte sich nicht instrumentalisieren lassen
    Nähren vertrauliche Gespräche zwischen Politikern und Medienvertretern auch im Rahmen der Bundespressekonferenz nicht Zweifel, die Regierung könne hier Journalisten für die eigene Agenda instrumentalisieren? Uwe-Karsten Heye sieht diese Gefahr nicht. Er war von 1998 bis 2002 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder Regierungssprecher und plädiert dafür, solche Versuche öffentlich zu machen. Heye:
    „Wenn ich eine Situation vorfinde, von der ich glaube, dass sie nicht der Informierung, sondern der Desinformation vorbehalten ist, dann ist es meine Pflicht, in einer Bundespressekonferenz, die Selbstwertgefühl hat und Selbstbewusstsein hat, das auch öffentlich zu diskutieren und mit dieser Regierung entsprechend umzugehen.“
    Über die Klage von Tagesspiegel-Redakteur Jost Müller-Neuhof gegen den Bundesnachrichtendienst entscheidet das Bundesverwaltungsgericht noch im Hauptsacheverfahren, für seine Klage gegen das Kanzleramt vor dem Berliner Verwaltungsgericht gibt es noch bislang keinen Termin. Bis dahin bleiben Gespräche zwischen Kanzlerin und Journalisten weiter: vertraulich.