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Der Hollywood-Rebell

Er gilt als Begründer des "New Hollywood". Der amerikanische Schauspieler und Regisseur Dennis Hopper. Gestern erlag der Star aus "Easy Rider", "Blue Velvet" und "Palermo Shooting" mit 74 Jahren einem Krebsleiden.

Von Josef Schnelle | 30.05.2010
    In seinen ersten Filmen hat ihn keiner erkannt. Niemand erinnert sich an Dennis Hopper in "Denn sie wissen nicht was sie tun" von Nicholas Ray. Er spielte nur eine Nebenrolle gewiss wie in "Giganten". Überlebensgroß überstrahlte sowieso James Dean alle seine Schauspielerkollegen. Dennis Hopper aus der Westernlegendenstadt "Dodge City" aber war sowieso unentschieden, was aus ihm werden sollte, Schauspieler, Regisseur oder einfach nur "Hans Dampf in allen Gassen". So ist es geblieben, obwohl die meisten Erinnerungen an ihn sich mit denkwürdigen Auftritten als Killer, Freak und Kultfigur erinnern werden. Ein bisschen gefährlich wirkte der Bauernsohn Dennis Hopper immer: wenn er in Blue Velvet die Kultdroge Poppers in sich hineinschnauft kann man ganz schön Angst kriegen und Lust daran herauszufinden, was das alles mit einem macht wie seine Filmpartnerin Isabella Rossellini in David Lynchs wohl bestem Film. Hopper war anfangs keineswegs kompatibel zum Hollywoodsystem.

    "Man sagt: Ich war schwierig. Ich WAR schwierig. Ich glaubte wirklich daran, was ich gerade tat. Ich war mutig in meinen Überzeugungen. Es war ja auch eine Zeit der Veränderungen. Schauspieler wurden damals behandelt wie Kinder. Es gab keinerlei Respekt für ihre Arbeit. Nur die Geschäftsleute wussten wie man mit ihnen umgeht. Sie mussten Zeile für Zeile lesen. Alles wurde ihnen gesagt. James Dean hat gesagt: machs einfach jedes Mal ein bisschen anders. Und als Dean starb hab ich das genauso weitergemacht."

    Der ultimative Protestfilm gegen das alte Hollywood trägt nicht nur deswegen ganz seine Handschrift. "Easy Rider" war 1969 eine Kriegserklärung an das Establishment der Filmmetropole. Drei Typen fahren durch Amerika. Mit sich führen sie den provozierenden Geist der 70er-Jahre", konsumieren Drogen und sind überhaupt eine große Gefahr für die konservative Ordnung der Dinge: Jack Nicholson, Peter Fonda und Dennis Hopper. Mit diesem Film - der nur 400 000 Dollar kostete, datiert man die Entstehung des "New Hollywood", und Hopper spielt nicht nur mit. Er ist auch was viele nicht wissen, Regisseur dieses wohl wichtigsten Films des modernen amerikanischen Kinos.

    "Der Titel stammt von Terry Southern. Peter Fonda und ich hatten den ganzen Film durchgesprochen. Während ich schon nach Drehorten suchte, sollten sie das Buch schreiben. Ich kam zurück und nichts war geschrieben. Ich nahm mir eine Sekretärin und diktierte in 10 Tagen das ganze Skript. Das war noch kein großes Meisterwerk. In Wahrheit ist 80 Prozent des Films improvisiert."

    Auch wenn er als Schauspieler das Paradigma der Hippie-Genreration verkörpert hat, hat er eigentlich mit einer Handvoll Filme als Regisseur mehr verändert als mit seiner sicher eindrucksvollen Galerie von Bösewichten und Psychopathen, die er so überzeugend spielen konnte wie kein anderer. "Colours - Farbe der Gewalt", ebenfalls eine Regiearbeit von Hopper gilt noch immer als wichtiger Turning-Point im Wandel des oberflächlichen Polizeifilms zum Charakterdrama. Drogenexzesse wie bei Popstars ließen ihn in den 70er- Jahren aus der Liste der banksicheren Stars schnell verschwinden.

    "Ich trank an die drei Liter Rum pro Tag und spritzte innerhalb weniger Tage 14 Gramm Heroin. Es war die Hölle!"

    Hopper galt als der Inbegriff des selbstzerstörerischen Superstars. Europäische Regisseure wie zum Beispiel Wim Wenders entdeckten ihn für wenig Honorar wieder als Idealbesetzung zum Beispiel 1976 für "Der amerikanische Freund", Francis Ford Coppola erinnerte 1979 in "Apocalypse Now" daran, dass Hopper überhaupt noch existierte. Als durchgeknallter Reporter gehörte er zum Hofstaat von Marlon Brando in seinen schrecklich-schönen Fantasiereich im Herzen der Finsternis. Aber erst in David Lynchs "Blue Velvet" feierte Hopper 1986 ein furioses Comeback in der Rolle des Frank Booth.

    "Frank Booth ist der glamouröseste Typ, den ich je gespielt habe, so verrückt er auch ist. Es ist die romantischste Rolle, die ich je gehabt habe. In all dieser kranken Art und Weise. Seine Leute und wie er angezogen ist. David Lynch hatte ich nie getroffen. Aber ich rief ihn an und sagte: Ich bin Frank Booth. Er sprach mit Kyle und Laura und sagte zu ihnen: ich hab gerade mit Dennis Hopper gesprochen und er sagt er ist Frank Booth. Das ist gut für den Film: aber können wir mit ihm jetzt überhaupt noch Lunch haben."

    Von nun an hörte man aber mehr von dem Photografen, Maler und Sammler Dennis Hopper. Ein normaler Filmstar wurde er nicht mehr. Dennis Hopper war eben immer ein höchst komplexer Künstler. Am Ende seines Lebens beherrschten, obwohl er schwerkrank weiterlebte, eher Scheidungs- und Erbstreitigkeiten sein Leben. Ohne Dennis Hopper hätte es jedenfalls kein "New Hollywood" gegeben, und wir werden ihn wohl auf ewig auf der Harley Davidson in Erinnerung haben: Den Mann, der Hollywood veränderte, obwohl er nie dazu gehört hat. Nie hat jemand so verächtlich schauen können - mit oder ohne Sonnenbrille. In seinem allerletzten Film bei Wim Wenders "Palermo Shooting" spielt er schon den Schnitter Tod. Das ist kein guter Film, aber Hopper brilliert als Mann, der aus dem Nichts auftaucht und überzeugende Weisheiten preisgibt. Er wird gewusst haben, dass es dieser Auftritt sein würde, der neben seinen großen Rollen als Abschied von ihm bleibt.