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Flüchtlingslager Idomeni
Ein Ort der Hoffnungslosigkeit

Die Räumung des griechischen Flüchtlingslagers Idomeni habt begonnen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Menschen in offizielle Lager gebracht werden sollen. Denn die Lage in Idomeni ist hoffnungslos. Die Kriminalität greift immer stärker um sich: Berichten zufolge floriert der Drogenhandel. In einem Waggon am Grenzbahnhof soll es ein Bordell geben. Die Geschichte eines Elendslagers.

Von Wolfgang Landmesser | 24.05.2016
    Zelte im Flüchtlingslager Idomeni - auf einem steht die Forderung "Open the Borders"
    "Open the Borders" steht auf einem Zelt im Flüchtlingslager Idomeni (Deutschlandradio / Panajotis Gavrilis)
    Es ist nicht die erste Räumungsaktion in Idomeni. Ende Februar waren an der Grenze zu Mazedonien hunderte afghanische Flüchtlinge gestrandet. Die griechische Polizei bot ihnen Plätze in offiziellen Flüchtlingslagern an, aber die Menschen weigerten sich zu gehen. Schließlich wurde das Camp früh morgens weiträumig abgesperrt. Die Polizei holte die afghanischen Flüchtlinge aus ihren Zelten, und im Laufe des Tages wurden sie mit Bussen nach Athen gebracht. Eine eher kleine Aktion im Vergleich zu dem, was jetzt geplant ist.
    Die Situation im Lager war schon damals sehr beengt, wie diese Frau aus Syrien beschrieb: "Zwei Leute müssen sich ein Bett teilen. Wir können nicht schlafen. Wir müssen bis zum Tag warten, um schlafen zu können." Damals konnten syrische Flüchtlinge noch die Grenze passieren. Anfang März wurde der Grenzübergang dann komplett geschlossen, kein Flüchtling kommt seitdem mehr durch.
    Menschen sind wütend auf "untätige EU"
    Nach der Grenzschließung stieg die Zahl der Flüchtlinge im Camp von Idomeni rapide an. Die großen weißen Zelten der Hilfsorganisationen waren schnell überfüllt. Viele Tausende Flüchtlinge übernachten in kleinen, dünnen Kuppelzelten auf den Feldern entlang der Grenze. Im März regnet es viele Tage lang in Strömen. Die Flüchtlinge sind verzweifelt. "Wir sind jetzt seit 25 Tagen hier. Keiner kümmert sich um uns. Nicht mal Tiere können so leben. Jeden Tag kommt Wasser ins Zelt. Es gibt hier viele Frauen und Kinder. Ich werde nach Deutschland laufen - kein Problem -, weil wir hier sterben, aber langsam."
    Aufgestachelt von Aktivisten machen sich hunderte Flüchtlinge auf den Weg Richtung mazedonische Grenze. Frauen, Kinder, alte Menschen überqueren einen reißenden Bach. Durch ein Loch im Zaun gelangen sie auf die mazedonische Seite, wo sie aber bereits von Sicherheitskräften erwartet werden. Alle müssen wieder zurück. Die Wut der Menschen richtet sich auch gegen die EU, die nichts unternehme, um die Situation der Flüchtlinge zu verbessern. Ein junger Syrer klagt an: "Wir sind jetzt alle krank. Mein einjähriger Bruder, meine Frau, meine Mutter - auch ich und mein Vater sind krank. Ich kann nicht glauben, was die Länder der EU mit uns machen. Wir fliehen vor dem Krieg in Syrien, um hier eine andere Art von Tod zu finden. Warum?"
    Hunderte Flüchtlinge nun in offiziellen Lagern
    Nach dem gescheiterten "Marsch der Hoffnung" fordert Ministerpräsident Alexis Tsipras die Flüchtlinge persönlich auf, Idomeni zu verlassen: "Wir appellieren an die Flüchtlinge in Idomeni, nicht weiter alles daran zu setzen, dort zu bleiben. Die Länder entlang der Balkanroute haben einseitig beschlossen, ihre Grenzen zu schließen. Und wir glauben nicht, dass diejenigen, die die Route geschlossen haben, sie wieder öffnen werden." In den vergangenen Wochen gaben Hunderte Flüchtlinge nach und ließen sich in offizielle Lager bringen. Aber immer noch halten sich an der mazedonischen Grenze rund 8.500 Menschen auf. Hilfsorganisationen versuchen sie, so gut es geht, mit Nahrung und medizinischer Hilfe zu versorgen.
    Im Lager von Idomeni greift die Kriminalität immer stärker um sich: Die Bewohner des nahen Dorfs beschweren sich über Diebstähle und Vandalismus. Es gibt Berichte über illegalen Drogenhandel im Lager. In einem Waggon am Grenzbahnhof soll es ein Bordell geben. Dort prostituierten sich Frauen, denen auf der Flucht das Geld ausgegangen ist. Immer wieder gab es in Idomeni auch friedliche Demonstrationen der Flüchtlinge – wie im vergangenen Dezember. "Merkel, hilf" oder "wir geben nicht auf" lauteten die Slogans. Aber die Grenzen gingen immer weiter zu. Idomeni wurde zu einem Ort der Hoffnungslosigkeit.