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Protest der Betriebsräte
Schulz nennt Stellenabbau bei Siemens "asozial"

Die Beschäftigen bei Siemens sind erbost: Der Konzern will Stellen abbauen und Standorte schließen, obwohl er einen Milliardengewinn erwirtschaftet hat. Beim Protest in Berlin an der Seite der Gewerkschaften: SPD-Chef Martin Schulz, der Siemens-Chef Joe Kaeser an dessen soziale Verpflichtung erinnerte.

Von Claudia van Laak | 23.11.2017
    Der SPD-Parteivorsitzende Martin Schulz spricht in Berlin, am Rande der Siemens-Betriebsrätetagung der IG-Metall, zu den demonstrierenden Siemens-Beschäftigten
    Der SPD-Parteivorsitzende Martin Schulz spricht in Berlin, am Rande der Siemens-Betriebsrätetagung der IG-Metall, zu den demonstrierenden Siemens-Beschäftigten (picture alliance/ dpa/ Sophia Kembowski)
    Sprechchöre: "Keine Schließung, keine Schließung"
    Lautstarker Protest vor Beginn der Siemens-Betriebsräteversammlung in Berlin. Mehrere tausend Beschäftigte und Betriebsräte aus ganz Deutschland waren zur Kundgebung angereist. Birgit Steinborn, Vorsitzende des Siemens-Gesamtbetriebsrates mit den Forderungen:
    "Keine Schließung von Standorten. Wir wollen, dass Kraftwerks- und Fertigungstechnologie sowie Know-how in Deutschland erhalten bleibt. Wir brauchen Standortkonzepte und wir wollen, dass der Vorstand den Strukturwandel mit uns gemeinsam gestaltet und nicht gegen uns."
    Siemens hatte zuvor den Abbau von 6.900 Stellen weltweit verkündet, die Hälfte davon in Deutschland. Standorte in Görlitz und Leipzig sollen geschlossen werden, Einschnitte soll es in Berlin, Erfurt und Offenbach geben. Die Geschäfte im Bereich Kraftwerks- und Antriebstechnik laufen nicht wie gewünscht, große Gasturbinen können kaum noch verkauft werden, die Werke sind nicht ausgelastet. Doch die Beschäftigten erbost es, dass Siemens tausende Stellen abbauen will, obwohl der Konzern einen Gewinn von 6,3 Milliarden Euro erwirtschaftet hat.
    Schulz: Volkswirtschaftlich ist das Irrsinn
    Unterstützung kommt von SPD-Chef Martin Schulz:
    "Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt keinen Grund, bei einem Unternehmen, das 6,3 Milliarden Euro Gewinn macht, Arbeitsplätze abzubauen. So einfach ist das."
    Durch Arbeitsplatzabbau die Effizienz des Unternehmens zu steigern, um anschließend noch mehr Gewinn zu machen, dies sei asozial, so Martin Schulz. Dann sprach er Siemens-Chef Joe Kaeser direkt an:
    "Sie erteilen der Politik oft Auskünfte darüber, dass Unternehmen eine soziale Verpflichtung haben. Jetzt, Herr Kaeser, haben Sie mal die Chance, Ihre Theorie in die Praxis umzusetzen. In unserer Verfassung steht: Eigentum verpflichtet. Volkswirtschaftlich ist der Abbau von qualifizierten Arbeitsplätzen ein Irrsinn."
    Es ist eine Machtdemonstration: IG Metall und Siemens-Arbeitnehmervertreter wollen vorerst nicht mit der Konzernführung über den geplanten Personalabbau sprechen. Erst wenn die Werksschließungen vom Tisch seien, sei man zu Gesprächen bereit, so der IG-Metall Vorstand.
    Personalchefin Kugel ruft zum Dialog auf
    Am Rande der Betriebsrätekonferenz appellierte Siemens-Personalchefin Janina Kugel an die Verhandlungsbereitschaft der Beschäftigten. Ein Dialog sei jetzt dringend nötig, sagte sie:
    "Protest ist natürlich eine Möglichkeit, seinen Ärger, seine Wut und seine Frustration kundzutun. Lösungsvorschläge, so wie wir sie finden wollen, finden wir aber nur im Dialog. Und ich glaube, darum geht es. Es ist niemandem geholfen, und zuallerletzt den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wenn wir nicht in einen Dialog kommen und Lösungswege finden."
    Sollten die Siemens-Werke wie geplant schließen, träfe dies besonders strukturschwache Regionen in Ostdeutschland. Für Siemens ist dies kein Kriterium. Es gehe um weltweite Kapazitäten und nicht darum, wie eine Landkarte in Deutschland aussehe, sagte Personalchefin Kugel dem Deutschlandfunk.