Dienstag, 30. April 2024

25. März 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zum Zustand der Ampelkoalition und zum Trainerwechsel beim FC Bayern. Beherrschendes Kommentarthema ist aber der für Montag angekündigte Warnstreik der Gewerkschaften Verdi und EVG.

25.03.2023
Das Foto zeigt Streikende am Flughafen Köln/Bonn. Sie tragen Warnwesten und stehen neben einem Schild mit der Aufschrift "Streik".
Für Montag haben die Gewerkschaften Verdi und EVG einen bundesweiten Streik angekündigt. (dpa-news/ Oliver Berg)
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER führt aus: "Keine Schule, weil der Schulbus oder die U-Bahn zur Bildungseinrichtung ausfällt. Was viele Schüler freuen dürfte, lässt Eltern wieder einmal die Haare raufen. Nach Homeschooling wegen Corona und notorischem Lehrermangel nun das: Ein Mega-Streik legt Deutschland lahm und Eltern sowie Kinder sind die Leidtragenden. Besonders stark betroffen sind davon Geringverdiener. Denn Gutverdiener können es sich eher leisten, die Kinder einmal mit dem Auto zur Schule zu fahren oder im Homeoffice zu bleiben. In die Röhre schauen nun wieder die Kinder, deren Eltern nicht die Zeit und Mittel haben, sich zu kümmern. Der Streik trägt so zur Bildungsmisere bei", befindet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Dem schließt sich die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg an: "Was am Montag stattfinden wird, geht deutlich über das angemessene Maß hinaus. Ein überzogener Abschluss würde weitere Branchen anstacheln und könnte eine kaum noch zu kontrollierende Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen, die letztlich den Wohlstand aller aufs Spiel setzt. Verdi und die EVG spielen mit dem Feuer – und manche Brände lassen sich nur sehr schwer wieder löschen", warnt die SCHWÄBISCHE ZEITUNG.
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN unterstreichen: "Der Arbeitskampf ist ein Grundrecht der Gewerkschaften, um Forderungen durchzusetzen. Letztlich entscheiden sie es selbst, wann sie den Zeitpunkt für gekommen halten. Aber eines kann man jetzt schon sagen: Dieser 'Generalstreik' im Bereich Verkehr ist massiv und geht an die Grenzen dessen, was der Republik zuzumuten ist", finden die NÜRNBERGER NACHRICHTEN.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU mahnt die Gewerkschaften zum maßvollen Handeln: "Viele werden sauer sein und sich empören über die empfindliche Störung im reibungslosen Tagesablauf. Doch vielleicht bringen manche von ihnen auch ein gewisses Verständnis auf für die Rolle der Gewerkschaften. Umgekehrt sollten diese auch Verständnis für die Empörung aufbringen, wenn ein einziger Warnstreik die gesamte Republik lahmlegt – und den Chaos-Montag deshalb nicht zur Regel machen. Ansonsten könnte das anfängliche Verständnis schnell ins Gegenteil umschlagen", befürchtet die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus.
Für die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN hat der Streik am Montag trotz aller Nachteile für viele Menschen seine Berechtigung, denn: "Angesichts der lautstarken Kritik könnte man meinen, ein Streik sei nur dann zulässig, wenn man möglichst wenig von ihm mitbekommt. Die beiden Gewerkschaften nutzen ihre Möglichkeiten effizient aus. 'Synergieeffekte' würde man das in der Wirtschaft nennen. Auch wenn man ihre Maximalforderungen nicht teilt, muss man doch grundsätzlich attestieren: Es gibt in Deutschland Nachholbedarf bei den Löhnen und Gehältern. Die Wechselwirkungen sind schlicht: Wenn man sich fragt, warum junge Menschen nicht mehr stets bereit sind, sich mit voller Kraft in den Beruf zu stürzen, liegt das mitunter einfach an der Bezahlung", geben die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe zu bedenken.
Die TAGESZEITUNG aus Berlin sieht dem Streiktag gelassen entgegen: "Am Montag wollen Verdi und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft Deutschland stilllegen. Bestreikt werden sollen Flughäfen, die Bahn Autobahnen und die Schifffahrt. Vom 'Monsterstreik' schreibt der Boulevard. Franzosen lächeln darüber müde. Dort heißt es Generalstreik. Millionen gehen seit Wochen auf die Straße gegen die geplante Rentenreform. Autos brennen, der Müll bleibt liegen, Schulen sind geschlossen und Raffinerien blockiert." So weit die TAZ und so viel zu diesem Thema.
Der Dauerstreit in der Ampelkoalition und der darum für Sonntag einberufene Koalitionsausschuss beschäftigen ebenfalls die Kommentatoren. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG vermutet: "Es kommt wohl wieder auf den Kanzler an. Vor dem Koalitionsausschuss macht keiner der Ampelstreithähne den Eindruck, von seinen Forderungen abzurücken. FDP und Grüne verhaken sich an den Formelkompromissen des Koalitionsvertrags, die jeweils neu verhandelt werden müssen, sobald es konkret wird. Das wird vor allem in der Klimapolitik so bleiben, wo das dirigistische Modell der Grünen auf das Marktmodell der FDP stößt. Niemand machte das jetzt so deutlich wie Robert Habeck. Warum Verbote, wenn doch Emissionshandel mit CO2-Preis zum selben Ergebnis führt, wurde er gefragt. Antwort des Wirtschaftsministers: Weil nur so Planungssicherheit herrscht. Im Kohle-Ausstieg, im Verkehr, bei der Gasheizung erleben wir das glatte Gegenteil: Verunsicherung und hohe Kosten", bemängelt die F.A.Z.
Für die WIRTSCHAFTSWOCHE ist der Fall klar: "Mehr und mehr zeigt sich im politischen Alltag der Koalition, was man immer schon geahnt hat: dass nämlich die drei Partner im Kern nicht zusammenpassen. Die anfängliche Befürchtung der FDP, in Verbindung mit den beiden linken Parteien SPD und Grüne immer wieder in die Defensive gedrängt zu werden, hat sich in vollem Umfang bewahrheitet. In der Dreierkoalition steht es fast immer 2:1 – zulasten der Liberalen. Doch Argumente zählen nichts mehr, denn die Arbeitsteilung der Koalition hat Robert Habeck bereits beschrieben: Die Grünen sind für den Fortschritt und die Liberalen stehen auf der Bremse. Wenn sich aber ein Partner im alleinigen Besitz der Wahrheit wähnt und der andere als politisches Irrlicht gebrandmarkt wird, ist es höchste Zeit, die Zukunftsfähigkeit der Verbindung zu hinterfragen", ist in der Online-Ausgabe der WIRTSCHAFTSWOCHE zu lesen.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG sieht die Ampelkoalition ebenfalls in keinem guten Licht: "Dass es nicht leicht werden würde miteinander, das wussten SPD, Grüne und FDP von Anfang an. Nach bald eineinhalb Jahren gemeinsamer Regierung verwundert es da umso mehr, dass die Ampel-Regierung keinen besseren Arbeitsmodus gefunden hat, als ihre Gegensätze und Befindlichkeiten in aller Öffentlichkeit vorzuführen. Entnervt und kindisch wirft man sich in Interviews Indiskretionen vor, FDP-Krawallo Wolfgang Kubicki vergleicht das Staatsverständnis von Robert Habeck mit dem des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das zu toppen, dazu müsste sich die Opposition schon sehr anstrengen. Neben dem unbestritten hohen Unterhaltungswert, den das Ganze bisweilen hat: So kann es nicht weitergehen", urteilt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Zu unserem letzten Thema, der Entlassung von Julian Nagelsmann als Trainer des FC Bayern München. Dazu bemerkt DER NEUE TAG aus Weiden: "Vorhang auf für den FC Hollywood! Das neueste Schmierenstück steht auf dem Programm. Arbeitstitel: Nagelt Nagelsmann an die Wand – auf Tuch(el)fühlung mit dem Abgrund. Ein millionenschweres Spektakel um Erfolg und Eitelkeiten erwartet die Fans der Soap an der Säbener Straße. Bei der Trainerposse bleiben brisante Fragen offen: Wie viele Maulwürfe gibt es in München, die gezielt Interna an die Öffentlichkeit stecken? Wie kann es sein, dass Nagelsmann über die Medien von seinem Rauswurf erfahren hat? Was bedeuten Treueschwüre für einen Trainer noch, wie der von Bayern-Boss Herbert Hainer – vor gerade mal vier Tagen?", fragt DER NEUE TAG.
Ähnlich sieht es die AUGSBURGER ALLGEMEINE: "Die Meisterschaft ist für die Bayern eine Selbstverständlichkeit. Nagelsmann schaffte es zuletzt nicht mehr, seinen Bossen zu vermitteln, dass Selbstverständliches selbstverständlich bleibt.Nach zehn Meisterschaften in Folge ist ein Spannungsverlust in der Mannschaft verständlich. Der FC Bayern aber ist kein normaler Verein. Er ist ein irrsinniges Konstrukt." Das war die AUGSBURGER ALLGEMEINE, mit der diese Presseschau endet.