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Staatsausgaben
Italien droht an seinen Schulden zu ersticken

Fast 2.300 Milliarden Euro Schulden hat Italien angehäuft. Das hat gravierende Folgen für sehr viele Bereiche der Gesellschaft des Landes, insbesondere die Wirtschaft, die Bildung und die Gemeinden. Die Frage stellt sich: Wie lange kann das noch gut gehen?

Von Jan-Christoph Kitzler | 19.12.2017
    Obere Hälfte einer italienischen Ein-Euro-Münze vor schwarzem Hintergrund.
    Eine italienische Ein-Euro-Münze (picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand)
    Der Palazzo delle Finanze in Rom ist ein gewaltiger Bau. Die langen, hohen Gänge im Inneren strotzen vor dem Stolz der jungen Republik. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts, kurz nachdem Rom die Hauptstadt des geeinten Italiens geworden war, wurde der "Finanzpalast" gebaut. In einem Wartezimmer im ersten, dem prächtigsten Stockwerk, hängt, eingerahmt an der Wand, ein Kapitel Finanzgeschichte des italienischen Staates: Staatsanleihen aller Art, aus früheren Jahrzehnten, ja sogar Jahrhunderten. Prächtig bedruckte Papiere, die auch deutlich machen sollen: Dieser Staat ist ein stolzer Schuldner – und wer diese Staatsanleihen besitzt, muss sich keine Sorgen machen.
    Heute haben diese Dokumente nur noch einen historischen Wert. Um das klar zu machen, haben umsichtige Beamte Löcher hineingestanzt und sie damit entwertet.
    Maria Cannata hat nebenan ein sehr großes, sehr repräsentatives Eck-Büro - und das ist auch nur angemessen. Denn die energische, schon etwas ältere Frau hat eine der wichtigsten Aufgaben im Land - neues Geld für Italien aufzutreiben. Jedes Jahr enorme Summen:
    "In letzter Zeit sind es zwischen 400 und 450 Milliarden. 2009 war es am meisten: Da haben wir Staatsanleihen im Wert von 538 Milliarden platziert. Danach wurde es immer weniger, in Abhängigkeit auch vom Umfang der Anleihen von mittlerer und langer Laufzeit."
    "Mich interessiert, dass Italien jetzt wieder auf Wachstumskurs ist"
    Über 2.250 Milliarden Euro Schulden hat Italien zurzeit. Und fast alles hängt am Verkauf der Staatsanleihen. Sie haben unterschiedliche Laufzeiten. Manche werden nach einem Jahr, manche erst nach 50 Jahren fällig. Das Geschäft von Maria Cannata ist ziemlich kompliziert:
    "Man darf nicht im letzten Moment ankommen, zum Beispiel, wenn 20 Milliarden einer Anleihe fällig werden. Man soll nicht denken, dass man das dann gleich finanzieren kann. Deshalb haben wir uns organisiert und planen 12 Monate im Voraus. Und: Wir überwachen jeden Tag genau die Einnahmen und Ausgaben des Staates."
    Jeder Staat bietet Staatsanleihen an. Sie werden nicht nur von Privatleuten gekauft, sondern auch von den Banken, Versicherungskonzernen und großen Investoren. Auch Italien muss, um an Geld zu kommen, Risikoaufschläge, also Zinsen, zahlen. In normalen Zeiten sind sie ein Gradmesser für die wirtschaftliche Situation eines Landes. Aber was ist derzeit schon normal? Die Europäische Zentralbank hat in den letzten Jahren massenhaft italienische Staatsanleihen aufgekauft und damit die Risikoaufschläge gedrückt. So zahlt Italien historisch niedrige Zinsen: 2016 waren es im Schnitt 0,55, dieses Jahr sind es um die 0,7 Prozent.
    Den langen, hohen Gang hinunter und um ein paar Ecken hat Pier Carlo Padoan sein Büro. Es ist noch größer als das von Maria Cannata, aber er ist ja auch der Finanzminister. Ein richtiger Politiker ist Padoan nicht. Lange Jahre war er Uni-Professor, dann angestellt beim Internationalen Währungsfond, später Chefvolkswirt der OSZE. Fast vier Jahre ist er nun schon Finanzminister – in Italien eine kleine Ewigkeit. Er ist der Herr über den gewaltigen Schuldenberg von über 2.250 Milliarden. Schlaflose Nächte hat er deswegen nicht:
    "Das belastet mich nicht, denn ich verstehe die Dynamik. Wir haben einen Höchststand an Verschuldung erreicht und darüber freue ich mich. Denn das heißt ja auch, dass es jetzt abwärts geht, und das ist was zählt. Die Verschuldung ist in den letzten Jahren immer weiter angestiegen, in Italien und auch in anderen Ländern. Mich interessiert, dass Italien jetzt wieder auf Wachstumskurs ist, und dass sorgt dafür, dass die Schulden sinken."
    Gerade ist er dabei, seinen Haushalt durchs Parlament zu bringen. Und weil im nächsten Jahr ein neues Parlament gewählt wird, ist die Wunschliste lang. Wahlkampfzeiten sind keine guten Zeiten für einen Finanzminister, der sparen will. Auch unter Finanzminister Padoan ist der Schuldenberg noch einmal größer geworden. Aber seine Botschaft ist: Die Wirtschaft wächst, damit steigen die Steuereinnahmen des Staates und damit sinkt die Verschuldung. Außerdem legt der Minister Wert auf die Feststellung, dass er einen rigiden Sparkurs fährt:
    "Die Ausgaben des italienischen Staates wurden stark verringert. Im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt sind sie viel niedriger als in anderen Ländern, auch in Deutschland. Wenn Italien so viel ausgeben würde wie Deutschland, dann hätten wir ein Wachstum von mehr als zwei Prozent. Aber dann hätten wir die Schulden weniger im Griff. Wenn man sich die Primärüberschüsse ansieht, dann hat Italien zwar viele Schulden, aber auch eine konstante Haushaltsdisziplin. Das steht nicht zur Debatte, aber es wird manchmal in der Diskussion ignoriert.
    An Sätzen wie diesen merkt man, dass man sich die Lage auch schönrechnen kann. Oder besser gesagt: Man muss nur die Zahlen nehmen, die am besten ins Bild passen. Der sogenannte Primärüberschuss von dem Minister Padoan spricht, berücksichtigt nämlich nicht die Zinskosten für die Schulden. Und die sind sehr hoch: Fast 66,5 Milliarden hat Italien im letzten Jahr an Zinsen gezahlt. 2012 waren es fast 17 Milliarden mehr. Aber die Kosten der Verschuldung könnten wieder steigen, das ist sogar wahrscheinlich. Die Europäische Zentralbank hat nämlich angekündigt, ihr Programm zum massenhaften Ankauf von Staatsanleihen in den nächsten Jahren zurück zu fahren – und das bedeutet: höhere Zinsen.
    "Die Kosten für die Refinanzierung der Staatsverschuldung können nur ansteigen"
    Um das alles noch besser zu verstehen, sollte man nach Mailand fahren, in die italienische Finanzhauptstadt. Hier sitzen Fachleute, die einen distanzierten Blick auf die römischen Verhältnisse haben. Wie Alberto Mingardi, er ist Direktor des Istituto Bruno Leoni, einer Einrichtung, die sich zum Ziel gesetzt hat, wirtschaftsliberale Gedanken in die Welt zu tragen. Zum Foto bittet Mingardi vor ein Porträt der "Eisernen Lady": Magaret Thatcher als Popart-Version. Dem Staat, vor allem dem italienischen Staat, traut der junge Mann mit Intellektuellen-Brille nicht viel zu. Er ist in Sorge, wegen der Schulden:
    "Unser Land hat gar nicht so sehr heute ein Problem, aber dafür in ein, zwei Jahren. Die Kosten für die Refinanzierung der Staatsverschuldung können nur ansteigen. Und das kann verheerende Folgen haben, eben weil unser Finanzbedarf so hoch ist."
    Fragt man ihn nach der Lösung des Problems, empfiehlt Mingardi, allen zu misstrauen, die einfache Lösungen vorschlagen:
    "Man kann das Problem nicht einfach lösen. Wer das sagt, meint am Ende, hohe Steuern auf Vermögen zu verhängen. Es heißt ja oft, dass Italien eine hohe Staatsverschuldung hat, aber dass die Italiener ihre eigene Verschuldung gut im Griff haben. Also müsste sich das ausgleichen. Das Problem ist nur, dass Italien nach Dänemark und Frankreich schon jetzt die höchste Steuerlast hat – und dann auch noch viele andere Probleme."
    Recht beschaulich geht es bei Carlo Cottarelli zu. Die Università Cattolica liegt mitten im Zentrum von Mailand gleich neben der uralten Sant’Ambrogio-Kirche. Cottarelli baut hier gerade eine Forschungseinrichtung auf, in der die italienischen Staatsschulden analysiert werden sollen. Fünf Jahre war er Direktor beim Internationalen Währungsfonds in Washington. Dann wurde er 2013 gebeten, Italien beim Sparen zu helfen. Er kam nach Rom. Seine Funktion: "Sonderkommissar für die Revision der Staatsausgaben".
    Carlo Cottarelli im Büro.
    Carlo Cottarelli war mal so eine Art Sparkommissar, sollte die Regierung in Rom dabei beraten, wie der Staat schlanker, effizienter werden könnte. (Jan-Christoph Kitzler)
    "Die Regierung von Enrico Letta hat mich ernannt. Nach vier Monaten ist die Regierung gestürzt, dann habe ich noch acht Monate für die Regierung von Matteo Renzi gearbeitet. Ich habe meine Empfehlungen ausgesprochen, aber dann kam der Punkt, an dem ich dachte, ich sollte besser in die USA zurückkehren. Wir waren uns nicht ganz einig über die Frage, was zu tun sei und wie viel man einsparen könnte, und dann bin ich eben in die USA gegangen."
    Man kann sich vorstellen, dass Cottarelli ein unbequemer Berater ist. Und dass sein Wille zu sparen, inkompatibel war mit dem stürmischen, jungen Ministerpräsidenten Matteo Renzi, der sich oft über die vermeintlich strengen Vorgaben aus Brüssel beschwert hat, der Anreize schaffen wollte für die Wirtschaft, für Familien und junge Italiener – auch auf Kosten des Staatshaushalts. Cottarelli war und ist unnachgiebig:
    "Italien hat eine zu hohe Verschuldung, sie muss sinken, denn das ist schlecht für Italiens Wirtschaft. Das setzt uns Risiken aus und bremst das Wachstum. Wir müssen die Schulden senken, indem wir Ausgaben begrenzen. Und wenn uns das gelingt, dann müssen wir auch versuchen, die Steuern zu senken, die hoch sind. Und schließlich brauchen wir auch noch mehr Klarheit in den staatlichen Dokumenten, die sind schwer zu lesen."
    Cottarelli hatte unter anderem vorgeschlagen, 85.000 Stellen im Staatsdienst zu streichen. Der öffentliche Dienst sei zu aufgedunsen. Alberto Mingardi hat eine Erklärung für die Frage, wie es zu den vielen Schulden kam. Alles begann in den 70er Jahren:
    "Bis in die 70er Jahre war Italiens Staatsverschuldung absolut in Ordnung. Dann steigen, wie auch in anderen Ländern wie Deutschland, die Staatsausgaben stark an. Die Regierung versuchte damit gewissermaßen Zustimmung zu erkaufen. Das heißt: mehr Ausgaben, vor allem für mehr Menschen, die für den Staat arbeiten. Anfang der 70er Jahre hatte Italien etwas mehr als eine Million Staatsbedienstete. Und ohne dass die Bevölkerung mehr geworden wäre, waren es Ende der 70er Jahre mehr als drei Millionen."
    Und die kosten bis heute – zum Beispiel für Pensionen. Damals, in den 70er Jahren, führte der Staat allerlei Wohltaten für seine Bürger ein. Eine verheiratete Lehrerin mit Kindern zum Beispiel konnte schon nach vierzehneinhalb Jahren in Pension gehen. "Baby Pensioni" wird das liebevoll genannt. Nach einigen Berechnungen hat das den italienischen Staat in den letzten fast 45 Jahren weit über 150 Milliarden Euro gekostet, obwohl Italien in den 90er Jahren die Reißleine gezogen hat. Das Problem: Der Staat hat zwar die Ausgaben kräftig erhöht, aber dabei die Einnahmenseite vergessen:
    "In England zum Beispiel versucht die Regierung von Frau Thatcher, die Wirtschaft mit Steuersenkungen anzukurbeln. Und gleichzeitig senkt sie in den 80er Jahren die Zahl der Unternehmen in öffentlicher Hand, die Geld kosten könnten. In Frankreich erhöht man einfach die Steuern. Italien macht in den 80er Jahren nichts von beidem."
    Die Folge ist ein Brain Drain
    Die Folgen der knappen Kassen kann man besichtigen, wenn man eine ganz normale italienische Universität betritt. Besuch bei Giovanni Besio. Er ist seit ein paar Jahren Professor für Ingenieurwissenschaften, spezialisiert auf Hafenbau und Strömungslehre. Er hat im Ausland studiert, gelehrt, geforscht, aber jetzt erlebt er in seiner Heimatstadt Genua, wie seine Universität finanziell ausgetrocknet wird:
    "Der Staat hat bei den Unis und in der Forschung die Zügel angezogen. Geld für landesweite Forschungsprojekte gibt es inzwischen nur noch jedes zweite Jahr. Und wenn man so ein Projekt gewinnt, dann wird man gebeten, es umzuschreiben, und das heißt, noch mehr zu sparen. Beim letzten Mal hat es viel Aufregung gegeben, denn in dem Jahr hat Juventus Turin den Stürmer Higuaín vom SSC Neapel gekauft. Und Juventus hat mehr Geld für Higuaín ausgegeben als der Staat für die Forschung. Daran sieht man, wie der Staat nach und nach die Ausgaben gekürzt hat."
    Manchmal fragt er sich, wie seine Universität überhaupt noch den normalen Betrieb aufrechterhalten kann. Wie an allen italienischen Hochschulen wurde in den letzten Jahren heftig Personal abgebaut. Seit einiger Zeit kann von fünf Dozenten, die in Rente gehen, nur eine Stelle wieder besetzt werden. Lehre und Forschung sind stark geschwächt worden. Von modernen Forschungslaboren, die international wettbewerbsfähig sind, kann Besio nur träumen:
    "Zum Beispiel neue Computer oder Drucker oder die Abonnements für die wissenschaftlichen Zeitschriften, die ziemlich teuer sind. Da muss man jedes Mal seinen Etat überprüfen, um das wenige Geld optimal zu nutzen. Da muss man sich dann entscheiden."
    Italien gehört zu den Ländern in Europa mit den niedrigsten Bildungsausgaben. Während andere Länder die Ausgaben erhöht haben, sind sie In Italien seit 2010 noch einmal um sieben Prozent gesunken. Die Folge ist ein Brain Drain. Oft sind es die hellsten Köpfe, die ins Ausland gehen, die ihre Chance überall suchen - nur nicht in Italien:
    "Ich verstehe das gut, auch ich wollte schon mehrmals ins Ausland, auf der Suche nach neuen Möglichkeiten. Denn im Ausland gibt es Chancen, die es in Italien nicht gibt."
    Blick auf die Hauptstadt der italienischen Region Ligurien, Genua
    Blick auf die Hauptstadt der italienischen Region Ligurien, Genua. Die Universität dort leidet unter den Schulden des Staates. (Stock.XCHNG - Stefano Barni)
    Auch die italienische Wirtschaft leidet unter den hohen Staatsschulden. Alessandro Martella ist Ingenieur. Er arbeitet in Rom für die Firma AzzeroCO2 und plant Anlagen, die mit erneuerbaren Energien Strom und Wärme produzieren. Immer wieder saniert er große Gebäude. Der Staat ist oft der Auftraggeber, aber seine Erfahrungen sind nicht die besten:
    "Wenn man heute einen öffentlichen Auftrag bekommt, wird man bezahlt. Im Gegensatz zu vor drei Jahren, als der Staat auf dem Rücken der Unternehmen gespart hat, die die Arbeiten ausgeführt haben. Heute bekommt man sein Geld. Aber die Zahl der Ausschreibungen ist stark gesunken, weil es keine Möglichkeit gibt sich zu verschulden und Geld aufzunehmen. Die Finanzmittel der Regionen sind drastisch gekürzt worden, es gibt wenige Projekte, und die Folge sind viel weniger öffentliche Aufträge."
    Die Folge sieht man überall in Italien: marode, öffentliche Gebäude, Straßen in schlechtem Zustand, ungepflegte Parkanlagen. Die Hauptstadt Rom, ein spezieller Fall, musste im Sommer sogar Brunnen schließen. Nicht nur wegen der großen Trockenheit, sondern auch, weil Unmengen an Wasser verloren gehen:
    "Wenn eine Gemeinde marode Wasserleitungen hat und viel Wasser versickert, dann wäre es schlau, Geld aufzunehmen, damit die Wasserleitungen zu sanieren, und dann mit den Einsparungen durch den geringeren Wasserverlust die Raten zu bezahlen. So würde ein Unternehmer vorgehen. Eine Gemeinde kann das nicht machen."
    Martellas Arbeit hat sich radikal verändert. Er plant nicht mehr nur Infrastrukturprojekte, er muss inzwischen auch das Geld dafür besorgen, Finanzierungsmodelle stricken, zum Beispiel über EU-Fonds.
    "Man muss nicht nur mehr gute Arbeit abliefern, sondern man muss Finanzlösungen finden. Das ist nicht besonders schön, das ist das traurig. Denn das heißt, dass ein Unternehmen, das sehr gut arbeitet, vielleicht sogar die besten Arbeiten ausführt, keinen Auftrag bekommt, weil es den Verwaltungen keinen Vorschlag zur Finanzierung machen kann."
    Die Finanz-Experten aus Mailand sind skeptisch
    Den Staat als Auftraggeber empfiehlt Alessandro Martella deshalb nicht. Italien droht, an seinen hohen Schulden zu ersticken. Und es könnten neue Gefahren hinzukommen. Sie hängen mit der Wahl im kommenden Frühjahr zusammen. Der Ausgang ungewiss: Zu befürchten ist ein politisches Patt. Wenn dann die Märkte kein Vertrauen mehr haben, die Zinsen in Höhen klettern, die nicht mehr kontrollierbar sind, dann kann es eng werden für Italien. Doch Finanzminister Pier Carlo Padoan beruhigt: Die Lage sei am Ende dieser Legislaturperiode viel besser als vor fünf Jahren:
    "Wer auch immer an der Regierung ist, kann mit einer positiven wirtschaftlichen Lage rechnen. Und ich hoffe, dass diese Lage so gut wie möglich ausgenutzt werden kann."
    Maria Cannata wird wohl noch für ein paar Jahre Geld für Italien auftreiben. Egal, wer an die Regierung kommt. Sie ist für das Management der gigantischen Staatsschulden einfach zu wichtig.
    "Früher musste man sich keine Sorgen machen. Wenn es eine gute Grundlage gab, spielte die politische Situation keine große Rolle. Jetzt ist das fast wichtiger als die Fakten. Aber auch die spielen uns in letzter Zeit in die Karten. Der Aufschwung ist stabil, die Wirtschaft ist robuster, auch der Arbeitsmarkt hat sich verbessert. Und das spüren auch wir."
    Die Experten aus Mailand sind deutlich skeptischer. Alberto Mingardi befürchtet, dass die politische Situation schnell schlimme Folgen für die Staatsfinanzen haben könnte:
    "Die wichtige Frage für die europäischen Partner ist: Wer wird 2018 den Italienern sagen, dass man sich an die Regeln halten muss? Und dass es auch ganz unabhängig davon gut für Italien ist, einen sparsamen haushaltspolitischen Kurs zu fahren? Das ist keine ganz unwichtige Frage, denn Anfang des Jahres wird gewählt. Und wenn Konsens ist, dass eine sparsame Haushaltspolitik das Land schwächt, dann wird es umso leichter, für wen auch immer an der Regierung, sich in Abenteuer zu stürzen."
    Carlo Cottarelli, der frühere Sparkommissar, glaubt am Ende könne nur ein Bewusssteinswandel helfen:
    "Wir Italiener sind gut darin, die Einnahmen zu privatisieren und die Ausgaben, die Verluste, zu vergemeinschaften. Das ist ein Mentalitätsproblem: Wenn wir immer Regierungen wählen, die die Schulden hochhalten wollen, dann können wir am Ende niemandem die Schuld geben. Es fehlt das Bewusstsein dafür, dass es wichtig ist, das der Staatshaushalt in Ordnung ist."
    Langsam, aber stetig müsste man den italienischen Schuldenberg abschmelzen. Das sagen alle Fachleute. Doch dafür braucht es politische Stabilität, eine starke Regierung und vor allem Reformen.