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USA
Studierende so hoch verschuldet wie noch nie

Ohne Kredit kein Studium: In den USA verschulden sich viele Studierende. Die Studentenkredite sind auf einem Allzeithoch. Doch schon jetzt können vier Millionen Menschen ihre Schulden nicht zurückzahlen. Der Steuerzahler muss einspringen. Bahnt sich die nächste Finanzkrise an?

Von Sophie Schimansky | 04.07.2018
    Das Gelände der Harvard University in Boston (USA)
    Der Weg nach Harvard ist für viele Studierende nur mit einem Kredit möglich (imago stock&people)
    Die Amerikanerin Toni Vincent hat vor zwei Jahren ihren Master-Abschluss in Public Health gemacht. Für das Studium musste sie einen sechsstelligen Betrag an Schulden aufnehmen, noch bevor sie ihr erstes Gehalt ausgezahlt bekommen hat:
    "Bei meinem Abschluss hatte ich etwa 100.000 Dollar an Studentenkrediten. 15.000 für meinen Bachelor an einer öffentlichen Uni, der Master an der renommierten George Washington Uni hat noch einmal deutlich mehr gekostet mit etwa 85.000 Dollar."
    Vincent arbeitet inzwischen als Programm-Managerin bei einer gemeinnützigen Organisation und koordiniert Projekte im Rahmen der öffentlichen Gesundheit. Ihr Gehalt, sagt sie, reicht nicht aus, um die Kredite zu tilgen. Nach zwei Jahren in ihrem ersten Job sitzt sie noch immer auf einem Schuldenberg von 90.000 Dollar. Sie ist 31 Jahre alt und steht am Anfang ihrer Karriere.
    Jeder zehnte Studierende zahlt seine Schulden nie zurück
    So wie 44 Millionen andere Amerikaner mit Studentendarlehen. Gemeinsam haben sie einen Schuldenberg von etwa 1.3 Billionen Dollar akkumuliert. Das ist ein Rekordhoch.
    Ein bedeutender Teil von ihnen kann schon nach zwei Jahren nicht mehr zahlen und es kommt zum Zahlungsausfall. Constantine Yannelis unterrichtet Finanzen an der New Yorker Universität und hat sich in seiner Forschung auf Studienkredite spezialisiert.
    "Sehr viele Studenten haben Probleme, die Schulden zu begleichen. Von den 44 Millionen verschuldeten Studenten zahlen 10 Prozent ihre Schulden nie zurück - das ist eine hohe Quote."
    Der Gläubiger ist in 90 Prozent aller Fälle der Staat. Für die 10 Prozent der Studenten, die ihre Schulden nicht begleichen können, springt also der Steuerzahler ein. Der Trend zeigt in eine beunruhigende Richtung: In Zukunft werden immer mehr Studenten nicht in der Lage sein, ihre Darlehen zurückzuzahlen. Die Ausfallquoten könnten bis 2023 auf 40 Prozent 2023 ansteigen. Das geht aus Zahlen des renommierten Brookings Instituts hervor. Seit Jahren ziehen Medien immer wieder Vergleiche zur Pleite der Investment Bank Lehman Brothers und der anschließenden Finanzkrise in 2008. Der Fernsehsender CNBC spricht von einer Blase, Fox News und MarketWatch schreiben von einer Krise. Die Sorge: Was damals die Hypotheken von Amerikanern mit schlechter Bonität waren, könnten nun die Studentendarlehen sein. Constantine Yannelis:
    "Diese Schulden machen zwar einen großen Teil in der Bilanz des Staatshaushalts aus, aber sie sind immer noch ein verhältnismäßig kleiner Teil verglichen mit der Größe der amerikanischen Wirtschaft."
    Trotz hoher Kosten lohnt sich ein Studium
    Hinzu kommt: Bei der Krise im Immobilienmarkt fiel der Wert der beliehenen Häuser. Demgegenüber aber haben die Studenten einen finanziellen Mehrwert von ihrem Studium, der nicht verfällt, sagt Jon Fansmith, Direktor des Universitäten-Verbandes American Council on Education. Sie investieren im Schnitt zwischen 27.000 und 33.000 Dollar für ihren Abschluss, erwirtschaften damit aber eine gute Rendite.
    "Ein Uniabschluss macht aufs Leben gesehen einen Einkommensunterschied von einer Million. Da sind die Kosten für einen Kredit ein gutes Investment."
    Eine höhere Ausbildung zu haben ist derzeit so wichtig wie noch nie. Bis 2020 werden 65 Prozent aller Stellenangebote mindestens einen Bachelor-Abschluss erfordern, laut einer Studie der Georgetown Universität von 2013. Für Toni Vincent kam es deshalb nie in Frage, nicht zu studieren:
    "Es stand für mich nie zur Debatte, ob ich studiere oder nicht. Das ist mein Investment in meine Zukunft, und ich bin immer davon ausgegangen, dass ich diese Schulden eines Tages zurückzahlen werde."
    Die Schulden der amerikanischen Studenten sind ohne Zweifel hoch. Aber anders als bei der Immobilienkrise profitiert davon die amerikanische Wirtschaft, weil es mehr gut bezahlte Amerikaner gibt. Für Jobs in schlecht bezahlten Branchen, wie der von Toni Vincent, hat Präsident Trump im neuen Haushalt 350 Millionen Dollar vorgesehen. Wenn Toni dort 10 Jahre lang arbeitet und ihre Raten zurückzahlt, wird ihr die Restschuld erlassen.