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Veränderung des Erdmagnetfeldes
Experten rechnen nicht mit schneller Umpolung

Vom Nordpol zum Südpol und umgekehrt: Im Lauf der Erdgeschichte ist das Magnetfeld der Erde immer wieder gekippt - zuletzt vor 770.00 Jahren. Derzeit gibt es Anzeichen eines instabilen Magnetfeldes. Doch so schnell, wie von einigen Wissenschaftlern prophezeit, wird die Polumkehr kaum ablaufen.

Von Dagmar Röhrlich | 08.08.2019
Der Erdkern und das Magnetfeld der Erde in einer künstlerischen Darstellung.
Das Magnetfeld der Erde, hervorgerufen von Strömungen im Kern des Planeten, wird zunehmend instabiler. Mit einem raschen Platzwechsel von magnetischem Nord- und Südpol ist aber nicht zu rechnen. (imago / Science Photo Library)
Das Erdmagnetfeld ist alles andere als stabil. Allein in den vergangenen 2,6 Millionen Jahren hat es zehnmal seine Ausrichtung geändert – sprich: Aus dem Nordpol wurde der Südpol und umgekehrt. Das bislang letzte Mal passierte das vor rund 770.000 Jahren. Weil der genaue Ablauf der Ereignisse bislang unklar war, haben sich Brad Singer und sein Team alle Informationen vorgenommen, derer sie habhaft werden konnten.

"Wir haben für unsere Studie Gesteine von Vulkanen analysiert, die in der Zeitspanne ausgebrochen sind, die für die Polumkehr interessant ist. Die Ergebnisse haben wir mit Daten von Bohrkernen aus Meeressedimenten und antarktischem Inlandeis abgeglichen. Die zeitliche Auflösung war so gut, dass wir erstmals diese drei Archive korrelieren und in den Daten nach Mustern suchen können."
Der jüngste Polwechsel dauerte Jahrtausende
Das wichtigste Ergebnis: Die jüngste Magnetfeldumkehr dauerte sehr lange und ihr Ablauf war komplex, erläutert Brad Singer von der University of Wisconsin-Madison. Verursacht wird das Magnetfeld durch Wirbel im äußeren flüssigen Eisenkern der Erde, dem sogenannten Geodynamo.
"Wir sehen, dass der Geodynamo vor 795.000 Jahren zu einer Magnetfeldumkehr ansetzte. Dieser erste Versuch schlug fehl: Das Feld erholte sich wieder, aber erlitt 11.000 Jahre später einen zweiten 'Schwächeanfall'. Danach blieb der Geodynamo instabil, bis sich dann vor 773.000 Jahre das Erdmagnetfeld endgültig umpolte."
Damit ging der eigentlichen Umpolung eine 22.000-jährige Phase der Instabilität voraus und selbst die Endphase brauchte noch mindestens 4.000 Jahre.
Widerspruch zum Resultat anderer Forscher
Das widerspricht den umstrittenen Ergebnissen italienischer Forscher, nach denen eine Umpolung in weniger als 100 Jahren ablaufe. Während ihre Analyse lediglich auf Seesedimenten aus dem Apennin beruhen, wurden diesmal Material aus allen Teilen der Erde untersucht. Allerdings machen die neuen Ergebnisse aufgrund ihrer Komplexität Prognosen zum künftigen Geschehen eher noch schwieriger.

"Das Erdmagnetfeld schwächt sich derzeit ab, keine Frage. Doch wir sind recht weit von einer Umkehr entfernt. Auch wenn wir in die jüngere Vergangenheit schauen und Eisenpartikel in archäologischen Artefakten untersuchen, scheinen wir nicht in sonderlich instabilen Zeiten zu leben. Ich glaube nicht, dass wir in den kommenden Jahrtausenden mit einer Umpolung rechnen müssen. Allerdings wissen wir zu wenig über das Erdmagnetfeld, um die Möglichkeit mit Bestimmtheit ausschließen zu können."
Bleibt das Erdmagnetfeld bis auf weiteres stabil?
Brad Singer interpretiert Beobachtungen wie die Abschwächung des Magnetfelds oder die schnelle Wanderung des Nordpols als Symptome einer vorübergehenden Schwächephase. Für die Menschheit wäre das gut. Denn ohne schützendes Erdmagnetfeld dringen hochenergetische Teilchen aus dem Weltall zur Oberfläche durch. Zwar übersteht das Leben Umpolungen seit Jahrmilliarden ohne erkennbare Folgen. Allerdings gab es nie zuvor Milliarden Menschen samt Technik auf der Erde. Ohne schützendes Magnetfeld wären Satelliten, Strom- und Kommunikationsnetze gefährdet und Flugreisende einer sehr viel höheren Strahlung ausgesetzt.