Leif Ove Andsnes in Stockholm

Mozart und andere Neue Musik

Leif Ove Andsnes und das Schwedische Rundfunksinfonieorchester mit der Konzertmeisterin Malin Broman am 8.10.2020 in der Stockholmer Berwaldhallen
Leif Ove Andsnes und das Schwedische Rundfunksinfonieorchester mit der Konzertmeisterin Malin Broman am 8.10.2020 in der Stockholmer Berwaldhallen © Arne Hyckenberg/Schwedischer Rundfunk/EBU
Moderation: Volker Michael · 06.12.2020
Wolfgang Amadeus Mozart hat mit seinen späten Klavierkonzerten die Grenzen des Gewöhnlichen überschritten, deshalb passen sie gut zur zeitgenössischen Musik. Leif Ove Andsnes und Malin Broman haben daraus mit dem Schwedischen RSO ein spannendes Konzert gemacht.
Eigentlich wollten wir Ihnen am Nikolaustag eine neue Produktion vom Tschechischen Rundfunk anbieten. Doch in Prag sind derzeit alle Konzerte abgesagt worden. Stattdessen können Sie hier den norwegischen Pianisten Leif Ove Andsnes erleben. Er spielt zusammen mit dem Schwedischen Rundfunksinfonieorchester. Einen Dirigenten gibt es dabei nicht. Die Leitungsfunktion übernimmt der Pianist selbst, beziehungsweise die Konzertmeisterin Malin Broman. Die Geigerin wird sich auch als Solistin beweisen.
Ein Mann sitzt am Flügel und dirigiert dabei ein Orchester.
Leif Ove Andsnes und das Schwedische Rundfunksinfonieorchester mit der Konzertmeisterin Malin Broman am 8.10.2020 in der Stockholmer Berwaldhallen.© Arne Hyckenberg/Schwedischer Rundfunk/EBU
Dieses Konzert fand in der Berwaldhallen in Stockholm am 8. Oktober 2020 statt, allerdings ohne Publikum. Wenn in der Aufnahme doch einmal Applaus zu hören ist, dann handelt es sich um den der Orchestermitglieder, die ihrer Konzertmeisterin und dem Solisten Anerkennung zollen. Herz des Programms sind zwei Klavierkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart, das in C-Dur KV 467 und das in c-Moll KV 491.
Späte, aber nicht allerletzte Beiträge des Komponisten zur Gattung, die er mitbegründet hat. In ihnen bewies er seine Meisterschaft, die sich in der freien Erfindung musikalischer Ohrwürmer äußerte genauso wie in der Konstruktion komplexer polyphoner Gebilde.
Auf einer Bühne, deren Holz rötlich schimmert, ist ein Orchester mit großen Abständen platziert und spielt vor leerem Auditorium
Das Schwedische Rundfunksinfonieorchester mit der Konzertmeisterin Malin Broman am 8.10.2020 in der Stockholmer Berwaldhallen.© Arne Hyckenberg/Schwedischer Rundfunk/EBU
Jeweils davor gibt es zeitgenössische Musik unserer Tage, allerdings solche, die in enger Beziehung zur Tradition steht. Die "Drei Studien von Couperin" von Thomas Adès sind in gewisser Weise Übermalungen französischer Barockmusik durch einen englischen Komponisten.
Das Programm beginnt mit stark französisch, aber auch orientalisch gefärbter Musik einer finnischen Komponistin: Sie ist vielleicht die bekannteste Künstlerin aus Finnland überhaupt, Kaija Saariaho. Mit ihrer Oper "L‘amour de loin" hat sie dem modernen Musiktheater neue Horizonte gewiesen.

Fernbeziehung im Mittelalter

"Die Geschichte faszinierte mich sofort", sagte sie einmal - "sie war das, was ich suchte, ein Märchen über Liebe und Tod, einfach und linear." L'Amour de loin – die Liebe aus der Ferne - basiert auf mittelalterlicher Troubadourlyrik. Das den Stockholmer Abend eröffnende Stück ist quasi die Schlussszene dieser Oper: Troubadour und ferne orientalische Geliebte können nicht zusammenkommen, denn die Liebe entspringt der Fantasie der beiden und kann keiner Wirklichkeit standhalten. Diese sehr poetische Schlussszene erklingt in der Version für Solovioline und Orchester.

Übermalter Couperin

"Drei Studien von Couperin" hat Thomas Adès sein Werk für Orchester genannt. 2006 hat er es für das Basler Kammerorchester geschrieben. Die Besetzung entspricht der eines klassischen kleinen Ensembles. Mit Ausnahme eines facettenreichen Schlagzeugapparats, den Thomas Adès aber sehr sparsam einsetzt. Vorlage sind drei der vielen Cembalostücke, die Francois Couperin hinterlassen hat.
Nachkolorierte zeitgenössische Abbildung eines Mannes in den mittleren Jahren, der eine weiße, barocke Perücke trägt.
François Couperin war in Versailles Lehrer der königlichen Familie und komoponierte für die Abendgesellschaften und dirigierte diese auch. © imago images / Leemage
Sie sind Charakterstudien, Momentbeschreibungen oder einfach nur aphoristische Spielereien. "Les Amusemens/Les Tours de Passe-passe/L’âme en peine" heißen die einzelnen Abschnitte, die Thomas Adès ausgesucht hat. Zu Deutsch: Die Vergnügungen/Taschenspielertricks /Die schmerzerfüllte Seele.
Es sind Übermalungen, fortgesponnene Gedanken, Abwandlungen und Verdopplungen von Figuren, die Adès hier aus den Originalwerken Couperins gewinnt. Eine sehr eigenartige Musik, keine Paraphrase, keine Kopie, aber auch keine Collage von Bekanntem.
Berwaldhallen Stockholm
Aufzeichnung vom 8. Oktober 2020
Kaija Saariaho
"Vers toi qui es si loin" für Solo-Violine
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert Nr. 21 C-Dur KV 467
Thomas Adès
"Three Studies from Couperin" für Kammerorchester
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert Nr. 24 c-Moll KV 491

Leif Ove Andsnes, Klavier und Leitung
Malin Broman, Violine und Leitung
Schwedisches Radio Symphonie-Orchester

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