Stadtschreiber Peter Wawerzinek

Als „Kosmonaut“ in Dresden

Der Autor Peter Wawerzinek im März 2014.
Der Schriftsteller Peter Wawerzinek ist seit dem 1. Juni 2016 Stadtschreiber von Dresden © picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
Peter Wawerzinek im Gespräch mit Nana Brink |
Flanieren, genau hinsehen und alles notieren – so stellt sich Peter Wawerzinek seine Zeit als Dresdner Stadtschreiber vor. Vielleicht werde er sich als eine Art „Kosmonaut“ auch unter die Pegida-Demonstranten mischen und dabei diese „Geister“ erkunden, meint der Autor.
Nana Brink: „Ich finde es immer besser, nicht von der Raumfahrt zu reden, sondern selber Kosmonaut zu sein“, sagte uns der Schriftsteller Peter Wawerzinek Ende April, als bekannt wurde, dass er ab 1. Juni Dresdener Stadtschreiber sein würde. Und als Kosmonaut, so hatte er sich vorgenommen, würde er auch dahin fliegen, wo es weh tut, zum Beispiel zu den Pegida-Demonstrationen.
Peter Wawerzinek, aufgewachsen als Heim- und Adoptivkind in der DDR, ist bekannt unter anderem durch seine Romane „Der Schluckspecht“ und „Rabenliebe“, für den er 2010 mit dem Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde. Schönen guten Tag, Peter Wawerzinek, hier in „Studio 9“!
Peter Wawerzinek: Guten Tag.
Brink: Wo war denn der Kosmonaut Wawerzinek schon in Dresden? Was haben Sie denn schon erlebt bislang?
Wawerzinek: Bislang war das jetzt irgendwie Empfangen werden am Bahnhof, von einem Kulturbeamten zur Wohnung gebracht zu werden, die Wohnung zu begutachten und gut zu finden – helle, viele Fenster, schöner großer Balkon mit Sicht auf die Dresdner Weinberge, heißen die, glaube ich.
Dann erste Erkundungsspaziergänge, noch keine Wirtshäuser besucht. Da gibt es einige, zum Beispiel gleich in der Nähe das Würz- und Ballhaus Watzke, was ja toll klingt. Kannte ich nicht, weil ich ja, wie gesagt, nach vier Jahrzehnten das erste Mal richtig in Dresden bin.

Die erste „Weltreise“ führte nach Dresden

Brink: Aber Sie waren schon in Dresden als Kind.
Wawerzinek: Als Kind und Jugendlicher. Das war also meine erste große, kann man schon so sagen, Weltreise, Dresden. Von so einem Ostseebad Rerik aus durch die ganze DDR bis in den untersten Zipfel. Dann diese große barocke Stadt mit all ihren schicken Bauten.
Dann hatte ich auch noch extra eine Fotokamera geschenkt bekommen, um dort meine Fotos, die ersten, und meine Eindrücke zu machen. So lange ist das alles her, und ich habe auch jetzt letztes Mal noch die Rolle Film mit angeguckt, wo dann so kleine Fotos zu sehen sind von dem, was ich aufgenommen habe. Und da ist einfach noch die Ruine auch von der Frauenkirche mit drauf, aus der damaligen Zeit. Ja, wann wird das gewesen sein? 13, 14 Jahre, also war das so im Jahr 67, 68.
Brink: Was ist denn Ihre Idee von einem Stadtschreiber? Da hat ja jeder so eine eigene Vorstellung davon.
Wawerzinek: Bei mir ist es so, dass ich mich drauf einlasse, auf diese Ämter. Das sind ja Ämter. Im Normalfall verlangt niemand etwas von einem. Man kommt da an mit einem Stapel Manuskript, gibt vor oder hat es wirklich vor, zu arbeiten, oder lebt da eben halt.
Aber ich habe das in Jena, in Magdeburg, auch teilweise in Venedig immer so gehabt, wo ich mich aufhalte – auch in Amerika war ich mal drei Monate, habe einen ganzen Blog gemacht mit fast hundert Seiten –, also dass ich an den Orten, wo ich bin, dann auch immer schon hinsehe, durch die Gegend gehe, das aufschreiben. Und es sieht sogar so aus, dass, wenn es gut klappt und sich gut lesen lässt und auch gebraucht wird, dann mein Verlag sogar mit einsteigt und sagt, ein kleines Taschenbuch können wir daraus ruhig machen.

Dem „Grummeln“ des Volkes auf der Spur

Brink: Aber man hat doch bestimmt schon eine Vorstellung von der Stadt, also gerade Dresden. Das ist ja nicht irgendeine Stadt. Da haben Sie Kindheitserinnerungen, das ist eine Stadt, die jetzt ja auch viel im Gespräch ist, weil das eine gespaltene Stadt ist, ich sage nur Pegida-Demonstration. Ich komme wieder auf den Kosmonauten zurück, der ja gesagt hat, da will ich aber auch landen. Sie wollen schon hingucken auch?
Wawerzinek: Ja, ich habe auch schon mal überlegt, wie ich das mache. Ganz scherzhaft habe ich gedacht, ach, ich könnte mich eigentlich da oben als Redner bewerben, fange mit dem ganz großen Ich an und wechsle dann in ein Wir um, was aber gar nicht zu den Leuten alles passt, sondern zu meiner Vergangenheit, meinetwegen die Achtundsechziger, was weiß ich, was. Die Szene im Prenzlauer Berg – wir waren ja doch anders da und avantgardistischer drauf, bis sie einen dann von der Bühne runterzerren. Aber das war nur mal so ein kleiner Nachttraum von mir.
Das andere ist, dass mir schon jemand gesagt hat, am besten ist es, du wanderst einfach mit, mischst dich damit in das Volk ein. Finde ich heikel – wenn man dann gesehen wird als Pegida-Mitdemonstrant. Aber sie meinten, man müsse sich da eben mit drunter mischen, und dann könnte man am meisten erfahren, was so geredet, gemacht und getan wird und wie gedacht und gefühlt und gesprochen und, sagen wir mal, im Hintergrund gegrummelt wird.
Muss ich mir noch überlegen, wie ich mir den Zugang verschaffe. Ob ich mich da nur hinstelle und mit die Geister von außen betrachte oder ob ich tatsächlich sage, okay, ich mische mich da mal mit drunter und verschaffe mir so die Übersicht, die in diesem Zusammenhang möglich ist.

Gibt es eine Spaltung in Dresden?

Brink: Spüren Sie schon diese Spaltung der Stadt, oder spüren Sie dieses Gedankengut, das von diesen Demonstrationen ausgeht?
Wawerzinek: Also bis jetzt, muss ich ehrlicherweise sagen –
Brink: Das ist ja ein bisschen unfair, nicht?
Wawerzinek: Das ist ja der Anfang. Aber noch habe ich nicht allzu viel mitgekriegt. Direkt ist mir das einmal nur passiert, dass ich mit dem Fahrrad dann so eine Art moscheeähnlichen Bau gesehen habe, dahin gefahren bin und gedacht habe, ach, jetzt guckst du dir mal an, wie viele Schmierereien da schon sind und wie sie immer wieder weggestrichen werden. War gar keine. Und dann habe ich recherchiert zu Hause, und dann habe ich mitgekriegt, das ist ja gar keine Moschee –
Brink: Alte Tabakfabrik …
Wawerzinek: Das wusste ich vorher auch nicht. Also da sieht man schon, wie unbelastet und wie wenig vorinformiert ich da reingegangen bin. Ich habe mich da auch gar nicht groß mit beschäftigt. Ich habe gesagt, ich habe ein halbes Jahr Zeit, und für ein halbes Jahr ist die Stadt noch nicht zu groß.
Brink: Peter Wawerzinek war das, der Schriftsteller und neue Stadtschreiber von Dresden. Danke schön für das Gespräch!
Wawerzinek: Bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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