Geschichte einer jüdischen Bankiers-Familie

Auf den Spuren der Mendelssohns

Ehemaliger Sitz des Bankhauses Joseph und Abraham Mendelssohn in Berlin Mitte, 2004
Etwas abseits des Touristentrubels: Der ehemalige Sitz der Privatbank Joseph und Abraham Mendelssohn in Berlin © imago/Adriano Coco
Von Peter Kaiser · 28.12.2018
Bis zur NS-Zeit existierte das Privat-Bankhaus Joseph und Abraham Mendelssohn in Berlin. 1938 wurde es in die Liquidation getrieben. Heute versucht ein Arbeitskreis die Geschichte der Mendelssohns am Leben zu erhalten.
"Nachdem die Bank so expandierte, dass sie nebenan die 49/50 bauten, waren hier wirklich die Kutschen drin, und im Vorraum die Pferde. Und so ist der Name Remise zu erklären", sagt Eva Ghosh und öffnet die Tür zur alten Mendelssohn-Remise in der Jägerstraße 51 nahe des Gendarmenmarktes.
Hier, etwas abseits des Touristentrubels, ist eine Dauerausstellung zu sehen. Denn hier residierte bis zur NS-Zeit das Privat-Bankhaus "Mendelssohn & Co.". Gegründet wurde die Bank von den Brüdern Joseph und Abraham Mendelssohn mit dem väterlichen Stammkapital von Moses Mendelssohn. Der war als Philosoph nach Berlin gekommen, mittel-, und fast wohnungslos. Aber mit dem unbändigen Willen, es zu etwas zu bringen. "Er ist ein Selfmademan, wie man heute sagt. Er hat sich zunächst alles selbst beigebracht."

In fünf Tagen von Frankfurt nach Berlin

Fünf Fußtagesmärsche, heißt es, brauchte Moses Mendelssohn im Jahr 1743 von Frankfurt/Oder bis nach Berlin. Er brachte sich Latein, Französisch und Englisch bei, bildete sich in Philosophie weiter, und wurde Hauslehrer beim Seidenhändler Bernhard Isaak. Als der eine neue Fabrik eröffnete, wurde Moses Mendelssohn dort Buchhalter. Und handelte selbst nebenbei mit Seide.
"Er hat aus Italien die Seidenstoffe importiert, weil er hatte ja keine eigenen Webstühle, und er hat das Ganze streng getrennt von Isaak Bernhards Unternehmen, und damit war schonmal eine finanzielle Grundlage. Und damit konnte der Grundstein für die spätere Bank gelegt werden."

Großer Erfolg innerhalb kurzer Zeit

Damals, sagt der Historiker und Buchautor Sebastian Panwitz, brauchte es keine aufwändigen Genehmigungsverfahren, um eine Bank zu gründen. "Man sagte einfach, ich gründe die Bank, und dann war man da. Die Aufgabe eines so frischgebackenen Bankiers war, seine Kunden zu überzeugen, dass man wirklich fähig ist, sowohl materiell, als auch von seinen erworbenen kaufmännischen Fähigkeiten, die Aufgaben zu lösen, die man für sie lösen sollte, und für die man auch die entsprechende Bezahlung haben wollte. Also es waren zwei Sachen, die man brauchte: ein gewisses Startkapital, und vor allem auch das Wissen."
Besonders Abraham Mendelssohn mangelte es nach Lehrjahren in einem Pariser Bankhaus weder an Wissen, noch an kaufmännischen Fähigkeiten. Auch sein Bruder Joseph hatte als Buchhalter eine kaufmännische Ausbildung. Das Bankhaus der Brüder prosperierte innerhalb kürzester Zeit. "Es war die größte und einflussreichste Privatbank Deutschlands. Ab dem späten 19. Jahrhundert bis in die Nazizeit."
Das wurde auch in der Jägerstraße sichtbar: "In der Höchstphase der Bank, im frühen 20. Jahrhundert, hatten die Bankiers dort sechs Häuser. Was bei 80 Häusern oder so dann doch nur ein kleiner Ausschnitt war. Aber sicher, für eine Privatbank war das schon eine Größe. Für das Bankgeschäft selbst wurden drei dieser Häuser verwendet, die anderen entweder zu Wohnzwecken oder als Geldanlage.

Eine Familiendynastie

Die Mendelssohn-Häuser in der Jägerstraße waren nicht nur eine Bankadresse über Jahrzehnte hinweg, sondern auch Orte von Soireen und Diners, zu denen Mitglieder unterschiedlichster Gesellschaftskreise zusammenkamen. Denn innerhalb der großen Familiendynastie der Mendelssohns waren nahezu alle Künste und Wissenschaften selbst vertreten. In der Ausstellung in der Jägerstraße wird mit Artefakten aus der Familiengeschichte darauf verwiesen.
"Da gab es die Musiker Fanny und Felix", erzählt Eva Ghosh, "und später auch immer wieder Musiker, und dann Wissenschaftler, und Revolutionäre, Schauspieler, also alles, was man sich vorstellen kann, gab es in dieser großen Familiendynastie. Und das ist hier ist ein Spektrometer, das gehörte dem Chemiker und Mitbegründer der Agfa, Paul Mendelssohn-Bartholdy. Und das ist ein etwas bitterer Beigeschmack."
Die Chemieunternehmen Agfa und später IG Farben hatten eine Interessengemeinschaft. IG Farben lieferte das tödliche Gas Zyklon B in die NS- Konzentrationslager: "Aber er lebte bis 1880. Da hat er nicht daran jemals denken können, dass sowas passiert." 150 Jahre nach der Gründung wurde das Bankhaus 1938 in die Liquidation getrieben und ist in die Deutsche Bank eingegangen. Das Haus selbst wurde im Krieg zerstört.

Ein bisschen leben die Soireen wieder auf

1967 gründete Cécile Lowenthal-Hensel, die Urenkelin von Fanny Hensel, die Mendelssohn-Gesellschaft. Daraus ist der Arbeitskreis "Geschichtsmeile Jägerstraße" entstanden. Und so kundige Führerinnen wie Eva Ghosh begleiten die Besucher hier, erklären und führen tief in die Geschichte der Mendelssohns ein. Und helfen bei den vielfältigen Aktivitäten des Hauses, bei denen man manchmal denkt, die alten Soireen lebten wieder auf.
"Wir haben ja hier unglaublich viele Veranstaltungen, fast jeden Tag, und Sommermusiken, und Mendelssohn-Preis von den Musikschulen, und junge Musiker, oftmals ist das ihre erste öffentliche Bühne, die sie hier haben."
Die Spuren der Mendelssohns sind heute noch sichtbar, indirekt in den Lebensläufen vieler Persönlichkeiten, die über die Jahrhunderte hinweg Kontakt mit der Familie hatten. Wer sich auf die Spurensuche begibt, dem öffnet sich deutsche Geschichte auf eine andere Weise.
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