Brummvolle Cafés, gleißender Sonnenschein und in der Luft ein Hauch von Marihuana: So empfängt der Rothschild-Boulevard in Tel Aviv seine Besucher. Eine Straße, in der das Leben pulsiert – Sinnbild für das ungezwungene Flair in Israels zweitgrößter Stadt.
Knorrige Ficus-Bäume säumen den breiten Boulevard, ich lasse mich treiben und beobachte die Menschen. Bald aber staune ich vor allem nur noch über eins: diese Häuser! Unzählige Villen und Gebäude im Bauhaus-Stil sind hier versammelt, eine riesige Schatzkiste der modernen Architektur.
Knorrige Ficus-Bäume säumen den breiten Boulevard, ich lasse mich treiben und beobachte die Menschen. Bald aber staune ich vor allem nur noch über eins: diese Häuser! Unzählige Villen und Gebäude im Bauhaus-Stil sind hier versammelt, eine riesige Schatzkiste der modernen Architektur.
Ein Viertel im Bauhaus-Stil – wie im Architekturkatalog
Der Rothschild-Boulevard führt quer durch die Weiße Stadt, so heißt dieses historische Viertel, das seit 2003 zum UN-Welterbe zählt. Das will ich erkunden – komme zuvor aber noch kurz ins Gespräch mit Ofra, die ich in einem Café aufgabele. Sie ist 70, lebt hier seit ihrer Jugend und schwärmt mir vor vom Charme der Weißen Stadt.
„Ich könnte nicht woanders leben“, sagt sie, „es ist jung und immer lebendig hier. Und auch die Häuser hier sind etwas Besonders. Nicht so wie die anderen Gebäude in Israel. Die Architekten waren einfach echte Künstler.“
Ofra hat mir eine Route empfohlen, die ich jetzt einschlage – kreuz und quer durch die Seitenstraßen. Überall Bauhaus! Verkantete Kuben, klare Linie, abgerundete Balkone – wie ein Architekturkatalog blättert sich das Viertel vor mir auf. Irgendwie fühlt sich der Anblick vertraut an. Häuser wie man sie auch aus Dessau, Weimar oder Berlin kennt.
„Ich könnte nicht woanders leben“, sagt sie, „es ist jung und immer lebendig hier. Und auch die Häuser hier sind etwas Besonders. Nicht so wie die anderen Gebäude in Israel. Die Architekten waren einfach echte Künstler.“
Ofra hat mir eine Route empfohlen, die ich jetzt einschlage – kreuz und quer durch die Seitenstraßen. Überall Bauhaus! Verkantete Kuben, klare Linie, abgerundete Balkone – wie ein Architekturkatalog blättert sich das Viertel vor mir auf. Irgendwie fühlt sich der Anblick vertraut an. Häuser wie man sie auch aus Dessau, Weimar oder Berlin kennt.
Kultur aus Deutschland von jüdischen Immigranten
Jüdische Architekten aus Deutschland haben den Bauhaus-Stil in den 30er-Jahren hierher gebracht. Geprägt waren sie von den damaligen Größen der Zunft: Walter Gropius, Mies van der Rohe, Le Corbusier. Sie flohen vor dem Terror der Nazis ins damalige Palästina, wo sie mit Zehntausenden anderen eine neue Heimat suchten.
„Die fünfte Immigrationswelle bestand hauptsächlich aus Immigranten aus Europa. 60 Prozent von denen stammten aus Deutschland, diese Bevölkerung kam hier her und es mussten ganz schnell Wohnung geschaffen werden für diese Einwanderer. Sie brachten aus Deutschland ihre Kultur mit, aber auch Baumaterialien. Und vor allem diesen internationalen Stil, diesen Gedanken der Moderne, der sich in der Architektur widerspiegelt.“
„Die fünfte Immigrationswelle bestand hauptsächlich aus Immigranten aus Europa. 60 Prozent von denen stammten aus Deutschland, diese Bevölkerung kam hier her und es mussten ganz schnell Wohnung geschaffen werden für diese Einwanderer. Sie brachten aus Deutschland ihre Kultur mit, aber auch Baumaterialien. Und vor allem diesen internationalen Stil, diesen Gedanken der Moderne, der sich in der Architektur widerspiegelt.“
Ausgeklügelte Bauweise
Sharon Golan-Yaron ist verantwortlich für den Denkmalschutz in der Weißen Stadt. Ich treffe sie vor dem Max-Liebling-Haus, einem echten Vorzeigebeispiel der Bauhaus-Architektur – es fungiert als Denkmalzentrum des Viertels. An dem Haus könne man gut erkennen, erklärt mir Sharon, wie fortschrittlich die Architekten damals dachten.
„Also im Osten ist die größte Fassade mit den wenigsten Fenstern, im Westen ist die kleinere Fassade, die aber viele Öffnungen hat, so dass es wie einen Zugeffekt gibt. Die Meeresbrise kommt in dieses Gebäude rein und der Zugeffekt geht dann so, der saugt die Luft durch das Gebäude zu diesen hinteren Balkonen, die in der Küche sind. Also ist es klimatisch eigentlich perfekt ausgerichtet, sodass es immer ziemlich angenehm ist in dem Gebäude.“
„Also im Osten ist die größte Fassade mit den wenigsten Fenstern, im Westen ist die kleinere Fassade, die aber viele Öffnungen hat, so dass es wie einen Zugeffekt gibt. Die Meeresbrise kommt in dieses Gebäude rein und der Zugeffekt geht dann so, der saugt die Luft durch das Gebäude zu diesen hinteren Balkonen, die in der Küche sind. Also ist es klimatisch eigentlich perfekt ausgerichtet, sodass es immer ziemlich angenehm ist in dem Gebäude.“
Skurriler Deal
Sharon führt mich ins Treppenhaus. Auch im Innern herrscht klare Bauhaus-Ästhetik. Überraschend finde ich die Geschichte der Kacheln, die die untere Hälfte der Wand bedecken. Auch sie stammen nämlich aus Deutschland. Der Grund: ein skurriler Deal.
„1933 haben die Nazis mit den Zionisten einen Vertrag geschlossen. Sie wollten die Industrie ankurbeln, sie wollten die jüdische Bevölkerung loswerden. Und die Zionisten wollten die jüdische Bevölkerung ins Land Palästina bringen, sodass beide davon profitieren würden.“
Das sogenannte Haavara-Transfer-Abkommen sah vor, dass auswanderungswillige Juden ihr Vermögen in einer Bank einzahlen – einer so genannten Transferbank – und dann in Palästina dafür Importgüter aus Deutschland erhalten.
„So kommt es, dass die Weiße Stadt mit ganz vielen Produkten aus Deutschland gebaut wird – wie zum Beispiel auch diese Villeroy & Boch-Kacheln, die fast überall im Viertel in den Eingangsbereichen sind, aber auch in den Küchen und Bädern.“
Auch in der Sprache sind aus dieser Zeit Spuren geblieben, erzählt mir Sharon – vor allem, wenn man Bauarbeitern oder Handwerkern bei der Arbeit zuhört.
„Sie benützen noch die deutschen Wörter, sie sprechen dann ganz schnell auf Hebräisch, blablabla – dann sagen sie ‚Kratzputz‘ oder dann sagen sie ‚Zockel‘ oder dann sagen sie ‚Spachtel‘. Also es ist noch ganz stark zu sehen, wie diese Kultur, diese Baukultur hier, diese Stadt eigentlich geprägt hat von vornherein.“
„1933 haben die Nazis mit den Zionisten einen Vertrag geschlossen. Sie wollten die Industrie ankurbeln, sie wollten die jüdische Bevölkerung loswerden. Und die Zionisten wollten die jüdische Bevölkerung ins Land Palästina bringen, sodass beide davon profitieren würden.“
Das sogenannte Haavara-Transfer-Abkommen sah vor, dass auswanderungswillige Juden ihr Vermögen in einer Bank einzahlen – einer so genannten Transferbank – und dann in Palästina dafür Importgüter aus Deutschland erhalten.
„So kommt es, dass die Weiße Stadt mit ganz vielen Produkten aus Deutschland gebaut wird – wie zum Beispiel auch diese Villeroy & Boch-Kacheln, die fast überall im Viertel in den Eingangsbereichen sind, aber auch in den Küchen und Bädern.“
Auch in der Sprache sind aus dieser Zeit Spuren geblieben, erzählt mir Sharon – vor allem, wenn man Bauarbeitern oder Handwerkern bei der Arbeit zuhört.
„Sie benützen noch die deutschen Wörter, sie sprechen dann ganz schnell auf Hebräisch, blablabla – dann sagen sie ‚Kratzputz‘ oder dann sagen sie ‚Zockel‘ oder dann sagen sie ‚Spachtel‘. Also es ist noch ganz stark zu sehen, wie diese Kultur, diese Baukultur hier, diese Stadt eigentlich geprägt hat von vornherein.“
Umfassende Sanierung nötig
Bald 90 Jahren sind seitdem vergangen – und die sieht man den Häusern hier an. Das feucht-heiße Seeklima hat ihnen zugesetzt: Überall bröckelt Putz von den Fassaden, viele sind notdürftig überspachtelt, manche Balkone brauchen Stützkonstruktionen.
Ganz schön was zu tun hier, denke ich, als ich weiter laufe, doch irgendwie hat das auch was, diese Baufälligkeit, diese Spuren der Zeit. Inzwischen wird die Weiße Stadt umfassend saniert, auch mit Unterstützung aus Deutschland. Vieles hier wird dann wie neu aussehen – manche befürchten auch sehr viel steriler.
Auf dem Rückweg komme ich wieder vorbei an den Straßencafés. Dort sitzt noch immer Ofra, die alte Dame, die hier fast ihr ganzes Leben verbracht hat. Dass das Viertel durch die Sanierung an Reiz verliert, glaubt sie nicht – und wird noch einmal ganz leidenschaftlich.
„Es wäre eine Schande, wenn die Weiße Stadt verfällt. Sie muss unbedingt bewahrt werden. Ich wünschte mir, wir hätten mehr Bauhaus-Gebäude hier in Israel.“
Ganz schön was zu tun hier, denke ich, als ich weiter laufe, doch irgendwie hat das auch was, diese Baufälligkeit, diese Spuren der Zeit. Inzwischen wird die Weiße Stadt umfassend saniert, auch mit Unterstützung aus Deutschland. Vieles hier wird dann wie neu aussehen – manche befürchten auch sehr viel steriler.
Auf dem Rückweg komme ich wieder vorbei an den Straßencafés. Dort sitzt noch immer Ofra, die alte Dame, die hier fast ihr ganzes Leben verbracht hat. Dass das Viertel durch die Sanierung an Reiz verliert, glaubt sie nicht – und wird noch einmal ganz leidenschaftlich.
„Es wäre eine Schande, wenn die Weiße Stadt verfällt. Sie muss unbedingt bewahrt werden. Ich wünschte mir, wir hätten mehr Bauhaus-Gebäude hier in Israel.“