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Klimaschutz
Fernwärme für Hamburg

Die Hansestadt Hamburg will aktiv etwas für den Klimaschutz tun. Dabei geht es unter anderem um den Umbau der Fernwärmeversorgung. Das Ziel: Bis 2030 sollen fast 500.000 Wohnungen nahezu CO2-frei mit Wärme versorgt werden. Doch nicht alle sind zufrieden.

Von Axel Schröder | 16.09.2019
Das Heizkraftwerk Wedel in Hamburg bei Sonnenuntergang
Heizkraftwerk Wedel in Hamburg (picture alliance / Eckart Gienke)
Der "Energiepark Hafen" soll südlich der Elbe entstehen. Dem Konzept liegt ein Paradigmenwechsel bei der Fernwärmeerzeugung zugrunde: Weg von der zentralisierten Wärmeproduktion durch wenige Kraftwerke und hin zu einer dezentralen Ausrichtung mit vielen kleineren Einheiten, erklärt Michael Beckereit, Geschäftsführer bei städtischen "Hamburg Wärme GmbH":
"Da werden erneuerbare Wärmequellen, also industrielle Abwärme, eine Großwärmepumpe im Wasser einer Kläranlage, eine Power-to-Heat-Anlage und eine weitere Müllverbrennungsanlage zusammengefasst. Und daneben wir ein GuD, ein Gas-und-Dampf-Kraftwerk gebaut, dass eben zusammen mit diesen Anlagen die Wärme erzeugt, die wir in Wedel durch das Abschalten des alten Kohlekraftwerks verlieren."
Ziel: Komplett kohlefreie Fernwärme-Produktion
Das alte Kohlekraftwerk in Wedel wurde Anfang der Sechzigerjahre gebaut und emittiert jedes Jahr rund eine Million Tonnen Kohlendioxid. Nach den Berechnungen der Planer werden durch das neue Gaskraftwerk 360.000 Tonnen CO2 eingespart.
"Und wir wollen ja noch weitergehen. Wir wollen die gesamte Fernwärmeproduktion kohlefrei gestalten. Es gibt noch das Kraftwerk in Tiefstack, was wir bis 2030 abschalten wollen. Dann werden wir insgesamt 600.000 Tonnen als unser Ziel einsparen."
Möglich soll das unter anderem auch ein so genannter Aquiferspeicher machen. Die tief unter der Erde liegenden Grundwasserspeicher sollen im Sommer, dann, wenn die Industrieabwärme nicht von den Fernwärmekunden genutzt wird, in den Untergrund geleitet werden. Auf 80 bis 100 Grad können die riesigen Wasserreservoir aufgeheizt werden, um dann, geringfügig abgekühlt, im Winter wieder entnommen zu werden. 750 Millionen Euro wird die Hamburger Fernwärmewende kosten, schätzte Michael Beckereit.
Preiserhöhungen sollen sich in Grenzen halten
Dass dadurch das Heizen für die 489.000 Kunden sehr viel teurer wird, schließt er aus:
"Das ist eine der Grundvoraussetzungen gewesen, dass eben keine sprunghaften Preissteigerungen da sein werden. Wir müssen uns auch vor Augen halten, dass wir innerhalb des Gesamtsystems, das wir ja nicht nur in Hamburg verändern wollen und müssen, sondern eben in der gesamten Republik, in ganz Europa, auf der gesamten Welt, um die CO2-Emissionen zu reduzieren, wir über Preissteigerungen, also höhere CO2-Preise reden werden."
Das Kalkül der Planer: Je mehr Fernwärme in Kohle- oder Gaskraftwerken erzeugt wird, desto teurer diese Energie, weil der CO2-Ausstoß in Zukunft bepreist werden wird. In Hamburg, mit vielen CO2-neutralen Erzeugungseinheiten, würde dieser Preisanstieg viel geringer ausfallen. Auch der Chef der Hamburger Verbraucherzentrale Michael Knobloch geht davon aus, dass es keine großen Preissprünge durch das städtische Fernwärmekonzept geben wird:
"Das sind ja langjährig laufende Verträge und da gibt es einen Vertragsbestandsschutz. Das heiß, da sind Preisgleitklauseln drin. Und dieses Vertragswerk wird jetzt durch die Übernahme jetzt nicht einfach obsolet. Da gibt es aus unserer Sicht eben eine gewisse Rechtssicherheit."
Dass die "Hamburg Wärme GmbH" dafür bei Neukunden die Preise anzieht, sei eher unwahrscheinlich, so der Verbraucherschützer.
Bedenken und Alternativvorschläge
Kritik an den Plänen kommt von der CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft. Stephan Gamm bezweifelt, dass die Preise durch die Fernwärmewende tatsächlich nur moderat steigen werden und schlägt eine Alternative zu den Senatsplänen vor.
"Es muss die Frage gestellt werden, ob es Sinn macht, ein Gaskraftwerk zwei Kilometer neben dem Kohlekraftwerk Moorburg zu bauen oder ob man nicht darüber nachdenkt, das Kohlekraftwerk Moorburg auf Gas umzurüsten. Das wäre nämlich deutlich günstiger und die Pläne dafür liegen bereits fertig in der Schublade."
Betrieben wird das Kohlekraftwerk Moorburg von Vattenfall. Eine Sprecherin teilt mit, die Prüfung, ob eine Umrüstung auf Gasbetrieb Sinn mache, laufe noch. Klar sei aber schon heute, dass diese Umrüstung sehr teuer werde und dem Unternehmensziel, innerhalb einer Generation CO2-frei Energie zu liefern, widersprechen würde.