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Europawahlen
Konservative stellen größte Fraktion im EU-Parlament

Die konservative EVP ist nach aktuellen Zahlen stärkste Fraktion bei den Europawahlen geworden. Ihr Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker reklamierte bereits den Posten des Kommissionspräsidenten für sich. Ein Überblick über die Ergebnisse.

25.05.2014
    Blick von oben ins EU-Parlament
    Das EU-Parlament wird künftig zehn Fraktionen haben. (dpa / Patrick Seeger)
    Die Fraktion der konservativen europäischen Parteien (EVP) - ihr gehören auch CDU und CSU an - wird stärkste Kraft bei den Europawahlen. Laut einer vom EU-Parlament veröffentlichten Hochrechnung holt die Europäische Volkspartei 28,2 Prozent. Damit kommt sie auf 212 Sitze. Zweitstärkste Kraft werden demnach die Sozialdemokraten mit 24,7 Prozent, was wiederum 186 Mandate bedeutet. Die Liberalen kommen auf 9,3 Prozent, die Grünen auf 7,3 Prozent, die Europäischen Konservativen auf 5,8 und die Linken auf 5,7 Prozent.
    Die Anzahl der im Europaparlament sitzenden Parteien dürfte steigen. Laut der Hochrechnung wird es künftig zehn Fraktionen geben. Bisher waren es sieben. Eine davon wird wohl ein neuer Rechtsblock sein.
    Juncker beansprucht Chefsessel
    Der Luxemburger Jean-Claude Juncker, Spitzenkandidat der EVP, reklamiert den Posten des EU-Kommissionspräsidenten für sich. Nachdem sich abzeichne, dass die EVP die stärkste Fraktion im EU-Parlament bilden werde, sei er bereit, den Posten zu übernehmen, sagte Juncker in Brüssel. Auch der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Schulz, kündigte an, sich weiter um das Amt zu bemühen. Auch er werde versuchen, im Parlament eine Mehrheit für sein Programm zu finden, sagte er in Brüssel.
    Der Nachfolger von Kommissionspräsident José Manuel Barroso wird vom EU-Rat vorgeschlagen und muss vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen am Dienstag erstmals über die Personalie beraten.
    Ein Überblick über die Ergebnisse
    28 Länder, 28 unterschiedliche Wahlsysteme, 751 Abgeordnetenplätze im EU-Parlament und rund 400 Millionen Wahlberechtigte: Bei den Europawahlen ist es nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten. 21 Länder wählten allein am Sonntag. Wer hat wo zugelegt, wer hat verloren? Ein Überblick der Nachrichtenagentur dpa über den Stand am frühen Montagmorgen:
    BELGIEN (21 Sitze): Noch offen.
    BULGARIEN (17): Die oppositionelle bürgerliche GERB gewinnt mit klarem Vorsprung. Sie erhielt laut Prognose 28,6 Prozent der Stimmen, wie das Meinungsforschungsinstitut Gallup mitteilte. Die regierenden Sozialisten kamen demnach nur auf 19,8 Prozent. Die bisher in Straßburg vertretene nationalistische Partei Ataka wird den Sprung ins EU-Parlament diesmal wohl verfehlen. Im ärmsten EU-Land gab es erneut Vorwürfe von Stimmenkauf und Wahlmanipulation.
    DÄNEMARK (13): Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei («Dansk Folkeparti») ist stärkste Kraft des Landes. Nach einer Hochrechnung kommt die Partei auf 26,7 Prozent der Stimmen. Mit etwa 19 Prozent erreichten die regierenden Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt die zweitmeisten Stimmen.
    Bei einer gleichzeitigen Volksabstimmung entschieden sich die Dänen laut einer Prognose klar für ein europäisches Patentgericht.
    DEUTSCHLAND (96): Trotz Einbußen bestätigen die Unionsparteien in Deutschland ihre Vorrangstellung. Die SPD legt laut Hochrechnungen nach ihrem Tief 2009 deutlich zu. Die euroskeptische Alternative für Deutschland (AfD) erreicht bei ihrer ersten Europawahl demnach 7,0 Prozent und damit wohl sieben Sitze im EU-Parlament.
    ESTLAND (6): Noch offen.
    FINNLAND (13): Die rechtspopulistische Partei Wahre Finnen liegt laut Prognosen bei fast 13 Prozent der Stimmen und käme damit auf zwei Sitze im neuen EU-Parlament. Stärkste Kraft wurde mit rund 22 Prozent die zu den europäischen Konservativen gehörende Nationale Koalitionspartei.
    FRANKREICH (74): Die rechtsextreme Front National hat die Wahl in Frankreich gewonnen. Laut vorläufigem Ergebnis des Innenministeriums kam sie auf 26 Prozent - nach 6,3 Prozent 2009. Zweitstärkste Kraft wurde die konservative Oppositionspartei UMP mit 20,7 Prozent. Die regierenden Sozialisten von Präsident François Hollande kassierten mit nur 13,9 Prozent eine erneute Niederlage.
    GRIECHENLAND (21): Die oppositionellen radikalen Linken (Syriza) um den europaweiten Linken-Spitzenkandidaten Alexis Tsipras sind laut Angaben aller Demoskopieinstitute mit 26,5 Prozent stärkste Kraft in Griechenland. Die zusammen mit den Sozialisten regierende konservative Nea Dimokratia landete mit 23,2 Prozent auf Platz zwei. Drittstärkste Kraft ist demnach die rechtsradikale und rassistische Partei Goldene Morgenröte mit 9,3 Prozent. Als Folge des Wahlsieges forderte Tsipras vorgezogene Parlamentswahlen in dem Land.
    GROSSBRITANNIEN (73): Die rechtspopulistische Partei UKIP hat die Europawahl in Großbritannien gewonnen. Nach Auszählung eines Großteils der Stimmen kam UKIP auf 28 Prozent. Einer Berechnung der BBC zufolge entfallen damit 24 der 73 britischen Sitze auf UKIP. Auch die Labour-Partei konnte im Vergleich zu 2009 starke Zugewinne verbuchen und landete auf Platz zwei mit rund 25,5 Prozent der Stimmen bzw. etwa 20 Sitzen, knapp vor den Konservativen von Premierminister David Cameron mit 24 Prozent und 19 Sitzen.
    IRLAND (11): Die irischen Wähler strafen ihre Regierung ab. Die konservative Fine-Gael-Partei von Premier Enda Kenny kam Prognosen zufolge nur auf 22 Prozent, die mitregierenden Sozialdemokraten erzielen nur sechs Prozent. Unabhängige Bewerber profitieren, auch die linksgerichtete Sinn-Fein-Partei um Ex-IRA-Mann Gerry Adams legt zu.
    ITALIEN (73): Die Demokratische Partei (PD) von Regierungschef Matteo Renzi hat die erste Bewährungsprobe nach dem Machtantritt bestanden.
    Seine PD wurde nach Prognosen mit rund 33 Prozent stärkste Kraft.
    Dahinter folgt die populistische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) des Komikers Beppe Grillo mit rund 26,5 Prozent. Die konservative Oppositionspartei Forza Italia (FI) von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi landet voraussichtlich mit 18 Prozent auf Platz drei.
    KROATIEN (11): Noch offen.
    LETTLAND (8): Laut einer ersten vorläufigen Prognose gewinnt der EU-freundliche Einheitsblock von Regierungschefin Laimdota Straujuma in Lettland klar. Das vor den Wahlen favorisierte oppositionelle Harmoniezentrum käme demnach auf Platz zwei, vor den beiden anderen Mitte-Rechts-Regierungsparteien. Europakritik ist in Lettland kaum zu sehen. Die Wahl ist ein Stimmungstest für die Parlamentswahl im Oktober.
    LITAUEN (11): Noch offen.
    LUXEMBURG (6): In Luxemburg haben die drei Regierungsparteien Stimmen verloren. Hingegen verbuchte die oppositionelle Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) des einstigen Regierungschefs Jean-Claude Juncker einen Stimmengewinn von 6,3 Prozent. Insgesamt kam sie auf 37,7 Prozent und stellt damit 3 der 6 EU-Abgeordneten des Großherzogtums.
    MALTA (6): Erste inoffizielle Schätzungen sehen die Labour Partei von Regierungschef Joseph Muscat (PL) in Malta deutlich vorn. Die Partei kam demnach auf mehr als die Hälfte der Stimmen. Für die größte Oppositionspartei, die konservative Nationalistische Partei (PN), hätten rund 40 Prozent gestimmt. 75 Prozent der Wahlberechtigten gingen in Malta an die Urne.
    NIEDERLANDE (26): Die Anti-Europa-Partei des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders kann vier Abgeordnete nach Straßburg schicken. Die Partei verlor zwar rund 3,5 Prozentpunkte im Vergleich zu 2009, wurde aber laut vorläufigem Endergebnis mit 13,2 Prozent drittstärkste Kraft. Stärkste Parteien sind die - europafreundlichen
    - Christdemokraten (5 Mandate) und die linksliberale Partei D66 (4).
    Je drei Sitze errangen die Regierungsparteien - die rechtsliberale VVD und die sozialdemokratische Partei für die Arbeit.
    ÖSTERREICH (18): Die konservative ÖVP bleibt in Österreich laut vorläufigem Endergebnis stärkste Kraft. Zweitstärkste Partei hinter den Konservativen wird demnach die sozialdemokratische SPÖ. Deutlich zugelegt hat die rechte FPÖ, die laut Hochrechnungen knapp 20,5 Prozent erreicht. Auch die Grünen gewannen deutlich hinzu.
    POLEN (51): Erste Prognosen sehen die liberale Bürgerplattform (PO) von Regierungschef Donald Tusk nahezu gleichauf mit der nationalkonservativen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Beide Parteien erreichen demnach je 19 der insgesamt 51 polnischen Sitze im Europaparlament.
    PORTUGAL (21): Noch offen.
    RUMÄNIEN (32): Rumäniens regierende Sozialisten (PSD) haben die Wahl laut Prognosen haushoch gewonnen. Die Partei des Ministerpräsidenten Victor Ponta käme demnach auf 41 bis 43 Prozent der Wählerstimmen.
    Zweitstärkste Kraft würde demnach die oppositionelle Nationalliberale Partei (PNL) mit rund 14 Prozent. Das in zwei Parteien zersplitterte bürgerliche Lager, das der Europäischen Volkspartei (EVP) nahesteht, käme auf die Plätze drei und vier.
    SCHWEDEN (20): Wenige Monate vor der Parlamentswahl im September haben die Schweden ihrer Regierung einen kräftigen Dämpfer verpasst.
    Einer Hochrechnung zufolge erreichte die konservative «Moderate Sammlungspartei» von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt nur 13,6 Prozent der Stimmen. Wahlsieger wurden die Sozialdemokraten mit 24,4 Prozent. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten erreichten 9,7 Prozent und sitzen damit wohl zum ersten Mal im Europaparlament.
    SLOWAKEI (13): Neuer Negativrekord für die Slowakei: Nur 13 Prozent der Stimmberechtigten gingen laut offiziellem Ergebnis wählen. Die sozialdemokratische Regierungspartei siegt und bekommt vier Sitze im EU-Parlament, die restlichen neun verteilen sich auf sieben Splitterparteien.
    SLOWENIEN (8): Wie erwartet siegt in Slowenien die oppositionelle SDS-Partei. Sie bekommt laut dem TV-Sender RTV drei der acht Parlamentssitze des Landes. Eine konservative Liste habe demnach zwei Mandate erzielt, je einen Abgeordneten stellen die Rentnerpartei, die Sozialdemokraten und eine Bürgerplattform.
    SPANIEN (54): Die regierende konservative Volkspartei (PP) hat die Europawahl in Spanien mit 16 Sitzen zwar knapp gewonnen, im Vergleich zum Urnengang 2009 aber herbe Verluste erlitten. Sechs Jahre nach Ausbruch der Wirtschaftskrise straften die spanischen Wähler am Sonntag auch die sozialdemokratisch orientierte Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) ab, die das Land bis Ende 2011 regiert hatte und nun 14 Sitze erhielt. Zwei linke Parteien haben mit einer Anti-Sparpolitik-Agenda stark abgeschnitten.
    TSCHECHIEN (21): Nur vier Monate nach seinem Amtsantritt hat Ministerpräsident Bohuslav Sobotka eine Wahlschlappe erlitten. Seine sozialdemokratische CSSD landete laut tschechischem Statistikamt mit 14,2 Prozent nur auf dem dritten Platz. Stärkste Kraft wurde der Koalitionspartner ANO des Großunternehmers Andrej Babis mit 16,1 Prozent. Die Beteiligung erreichte zehn Jahre nach dem EU-Beitritt Tschechiens mit 18,2 Prozent einen neuen Tiefpunkt.
    UNGARN (21): Die regierende rechtskonservative Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban gewinnt laut der ungarischen Wahlkommission mit 51,5 Prozent der Stimmen. Erstmals überholt die oppositionelle rechtsextreme Partei Jobbik (Die Besseren) die Sozialistische Partei (MSZP) bei einer Wahl. Jobbik kam auf 14,7 Prozent der Stimmen, MSZP auf 10,9 Prozent.
    ZYPERN (6): Deutlicher Sieg für die proeuropäische konservative Partei Demokratische Gesamtbewegung (DISY). Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen kommt sie auf knapp 38 Prozent. Zweitstärkste Kraft wird die Linkspartei AKEL mit rund 27 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag ersten Angaben zufolge deutlich unter 50 Prozent.