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Der Erreger, der aus der Luft kam

Virologie. - Im Blut eines an Lungenentzündung gestorbenen Mannes fanden Ärzte ein neuartiges menschliches Corona-Virus. Wie gefährlich HCoV-EMC ist, lässt sich noch nicht abschätzen. Doch Forscher fanden heraus, dass das Virus offenbar durch Fledermäuse übertragen wird.

Von Joachim Budde | 01.02.2013
    Die meisten Coronaviren, an denen Menschen erkranken, rufen eine Erkältung hervor. Sie begleiten uns schon seit Tausenden von Jahren, das Immunsystem weiß mit ihnen umzugehen. Anders ist es bei zwei Coronaviren, die offenbar erst kürzlich auf den Menschen übergesprungen sind: das SARS-Virus, das im Jahr 2003 eine weltweite Pandemie ausgelöst hat und das neuartige menschliche Coronavirus HCoV-EMC, das Ärzte im Oktober bei einem Mann in Saudi-Arabien fanden. Der 60-Jährige wurde mit einer schweren Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert, an der er schließlich starb – ein Krankheitsbild wie bei SARS.

    Das neue Virus fanden Ärzte in seinem Blut und auch in Proben von Menschen mit ähnlichen Symptomen, die bereits im Frühjahr 2012 behandelt worden waren. Wie gefährlich das Virus ist, lässt sich allerdings noch nicht abschätzen, sagt Professor Christian Drosten. Er leitet das Institut für Virologie am Universitätsklinikum Bonn.

    "Das, was auffällt, das sind natürlich immer die schwersten Fälle, also diejenigen, die entweder ganz schwer krank sind oder sogar sterben. Aber in jedem Fall wissen Sie dann nicht genau, was Sie dann vor sich haben: Ist das die Spitze des Eisbergs oder ist das fast der Regelfall. Wenn es dabei um die Spitze des Eisberges geht, dann heißt das, es gibt eine ganz hohe Dunkelziffer, und das wäre für einen Infektionserreger auch eigentlich der Normalfall."

    Um das bei dem neuen Virus zu beurteilen, fehlen bislang jedoch die Untersuchungen, also zum Beispiel Tests auf Antikörper gegen das Virus in Blutspenden, die einen Hinweis darauf geben könnten, wie viele Menschen mit ihm in Kontakt gekommen sind. Anscheinend verbreitet sich der Erreger weniger leicht als etwa bei SARS, denn Ärzte, Schwestern und Pfleger, die den Kranken behandelt hatten, blieben gesund.

    Dafür wissen Christian Drosten und seine Kollegen jetzt, von welchem Tier das Virus auf den Menschen übergesprungen sein dürfte.

    "Das sind jetzt neuere Daten für dieses neue Virus, und was wir gesehen haben, ist, dass die allernächsten Verwandten dieses Corona-Virus, das da beim Menschen jetzt neu aufgetreten ist, in Fledermäusen zu finden sind. Das ist aber eigentlich gar nicht so überraschend, denn wir wissen für viele andere Coronaviren auch, dass man die bei Fledermäusen findet."

    Das Problem sind Christian Drosten zufolge allerdings nicht die Fledermäuse.

    "Die Fledermäuse sind wahrscheinlich nicht das, was man da im Auge haben muss. Also sicherlich ist es nicht so, dass man sich demnächst an irgendeiner Fledermaus wieder ein neues Virus holt."

    Solche Erreger springen nicht direkt von Fledermäusen auf den Menschen über, sondern über andere Tiere.

    "Diese anderen Tiere, die in Kontakt sind einerseits mit den Fledermäusen und andererseits mit uns, das könnten landwirtschaftlich gehaltene Zuchttiere sein, Nutztiere, denn die sind in künstlich aufgebauten Herden. Wir schaffen eine Herdengröße, die so in der Natur oft nicht vorkommt, und diese Herdengröße könnte eine Ursache dafür sein, dass Viren erhalten werden, und dass diese Tiere damit zu etwas werden, was wir Brückenwirte nennen."

    Die neuartigen Krankheitserreger sind nach Ansicht des Virologen eine Folge dessen, dass der Fleischkonsum zunimmt – auf der ganzen Welt. Der Mensch selbst bietet den Viren die Entwicklungsmöglichkeiten.

    "Unsere Gesellschaft ist sicherlich dadurch charakterisiert, dass sie einen hohen Fleischverbrauch hat, und das ist natürlich eine übergeordnete Ursache für die zunehmenden Probleme, die wir haben mit neuen Infektionserregern."

    Auch das Coronavirus von der Arabischen Halbinsel dürfte also nicht das letzte gewesen sein, das auf Menschen überspringt.