Null-Covid in China gescheitert

"Xi hat die Macht, das ganze Land an die Wand zu fahren"

07:19 Minuten
Xi Jinping im Porträt
Risiko an der Staatsspitze: Keiner fällt Xi Jinping bisher in die Arme. Eine Entmachtung droht erst bei einem gravierenden wirtschaftlichen oder geopolitisichen Absturz Chinas. © imago / Xinhua
Sebastian Heilmann im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 27.04.2022
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Millionenstädte wie Schanghai abgeriegelt, Lieferketten gestoppt: Chinas Null-Covid-Strategie hat nach Meinung des Politologen Sebastian Heilmann verheerende Folgen – auch für die Weltwirtschaft. Der Autokrat Xi Jinping sei eine Gefahr für das Land.
Seit mehr als vier Wochen ist die chinesische Wirtschaftsmetropole Schanghai in einem weitgehenden Lockdown. Dennoch wurden zuletzt erneut rund 17.000 Neu-Infektionen gemeldet.
In Peking müssen sich die meisten der 21 Millionen Einwohner Massentests unterziehen. Nun wächst die Sorge, dass auch in der Hauptstadt ein Lockdown folgen könnte. Die chinesische Regierung verfolgt weiter ihre strikte Null-Covid-Politik, obwohl diese gegen die Omikron-Variante des Coronavirus kaum wirksam ist.

Für die Weltwirtschaft nicht kompensierbar

Eine Strategie, um mit Omikron zu leben, habe die Führung nicht, sagt der Politikwissenschaftler Sebastian Heilmann von der Universität Trier. Die "wichtigste Story der kommunistischen Partei", wonach China die Pandemie im Griff habe und damit die Überlegenheit des politischen Systems zeige, breche nun zusammen. "Das ist eine schwere Krise für die kommunistische Partei, keine Frage", sagt Heilmann.
Vor allem die Abriegelung Schanghais sieht der Experte mit Sorge. Alle Lieferketten seien momentan gefährdet oder eingeschränkt. "Das ist für die Weltwirtschaft nicht kompensierbar." China spiele schließlich eine zentrale Rolle in der weltweiten Verflechtung.
"Wir müssen damit rechnen, dass mit einer zeitlichen Verzögerung die Weltwirtschaft wieder völlig durcheinanderkommt, in einer Weise, wie wir es wirklich seit Anfang der Coronapandemie nicht mehr hatten."

Ein unkontrollierter und alternder Alleinherrscher

Das größte Problem dabei ist nach Einschätzung Heilmanns Staats- und Parteichef Xi Jinping. Bei ihm handle es sich um den klassischen Fall eines "unkontrollierten und alternden Alleinherrschers". Er könne "alle möglichen Fehlentscheidungen" treffen, ohne dass ihm jemand in die Arme fallen könne.

Das ist eine Situation, wo in der chinesischen Führung niemand mehr offen reden kann und keine offene Kritik äußern kann. Das kann zu verheerenden Fehlentwicklungen führen. Wir haben jetzt in China ein politisches Dilemma: Dieser Autokrat an der Spitze ist eine Gefahr für das Land, er hat im Grund die Macht, dieses ganze Land an die Wand zu fahren.

Politologe Sebastian Heilmann

Xi und die Parteipropaganda hätten ein Image inszeniert, wonach dieser unfehlbar sei und China in die Zukunft führe. Nun verliere er sein Gesicht und seine Glaubwürdigkeit. Das sei für das gesamte Führungssystem eine "tiefe Erschütterung" und eine "besonders gefährliche Phase", betont Heilmann.

Hoffen auf einen Schwenk der chinesischen Führung

Dabei gäbe es durchaus noch Möglichkeiten, noch umzuschwenken: auf eine Strategie, mit Omikron zu leben und andererseits die Impfkampagne zu verstärken, eventuell mit ausländischen Impfstoffen. Diese habe man bisher abgelehnt. "Wir können nur in unser aller Interesse hoffen, dass die chinesische Führung diesen Schwenk auch vollzieht."
Dass Xi beim Parteitag im Herbst entmachtet werden könnte, glaubt Heilmann nicht. Alles sei von langer Hand vorbereitet, Personalentscheidungen würden drei Jahre im Voraus getroffen. Nur in einem Fall könnte es anders kommen, so der Politologe: wenn in nächster Zeit ein "wirklich krasser" wirtschaftlicher oder geopolitischer Absturz mit offenen Konflikten folge. Mittelfristig allerdings sei Xis Autorität eindeutig geschwächt.
(bth)

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