Wie Webcams zu Mikroskopen werden

Von Susanne Nessler · 20.06.2011
Webcams, Computermäuse und CD-Brenner lassen sich zu Laborgeräten für den Hausgebrauch umbauen. Der Schweizer Materialwissenschaftler Marc Dusseiller und der amerikanische Biologe Mac Cowell zeigen im Internet, wie es geht.
"Ich hacke eine Maus, um mir Würmer anzuschauen, das tönt irgendwie lustig. Eine gehackte Maus, damit meine ich keinen biologischen Organismus Maus, sondern eine Computermaus."

Marc Dusseiller sitzt in seiner Züricher Werkstatt, vor ihm steht ein Computer. Daneben liegen Lötkolben und Schrauberzieher. Hacken nennt er seine Arbeit. Er meint damit, dass er gerne Dinge auseinandernimmt, sie genau untersucht und dann meist für andere Zwecke als ursprünglich geplant nutzt. Seine Spezialität sind Mikroskope. Einfache Mikroskope, die jeder nachbauen kann.

"Ich bau gern Mikroskope, dass mache ich seit 20 Jahren."

Er baut sie aus kleinen Internetkameras, aus Webcams und aus alten Computermäusen.

"In jeder Maus hat es diesen Chip drin, das ist ein optischer Sensor und Mikroprozessor, der Bildanalyse macht. Und dann hab ich jetzt geschaut, sehe ich Würmer, sehe ich Mikroorganismen. Und ich hab damit schon einige erste erfolgreiche Experimente gemacht. Da bin ich extrem stolz drauf, ist cool."

Marc ist Materialwissenschaftler, er ist 35 Jahre alt und wenn er gerade keine Mäuse hackt, also Mikroskope baut, dann unterrichtet in der Schweiz an der Hochschule für Lifescience im Fachbereich Mikro- und Nanosysteme.

"Mein Lieblingsorganismus ist der kleine Wasserbär. Bärtierchen auch genannt. Tardy great in der biologischen Terminologie. Die findet man überall in der Natur auch im Moos und die sind süß, darum schauen wir uns ein paar Bärtierchen jetzt an."

Marc lacht, seine Augen schauen begeistert auf den Bildschirm. Ein grüner unscharfer Schatten bewegt sich da, langsam wird das Bild schärfer. Zu sehen ist jetzt ein riesiges Pantoffeltierchen. In Wirklichkeit ist der Einzeller gerade mal ein fünftel Millimeter groß und mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen. Es ist ein amöbenähnlicher Organismus, wie er in vielen Gewässern vorkommt.

"Die findet man überall in der Natur, auch im Moos, und die sind süß."

Marc Dusseiller freut sich, sein Webcam-Mikroskop funktioniert. Der Trick ist simpel: Einfach die Linse der Webcam umdrehen und schon sieht man, was im Kleinen passiert. Mit einer einfachen 10-Euro-Webcam erreicht man eine 400-fache Vergrößerung, sagt der Schweizer. Das kommt fast an die Standardmikroskope ran, die an Universitäten eingesetzt werden.

"Das Einzige was dran ist, ist ein Einlinsensystem. Wie die ersten Mikroskope aus dem 17. Jahrhundert, hat auch eine Webcam eine Linse. Und wenn ich die Position einer Linse verändere, dann verändere ich die Vergrößerung und die Ebene wo mein Bild scharf ist. Das ist alles, das ist die ganze Optik dahinter, ich muss einfach die Linse verschieben und ich krieg ein Mikroskop."

Die Werkstatt des Bastlers ist beliebt. Gäste sind immer willkommen. Meist gibt es gibt Kaffee und natürlich viele interessante technische Geräte. Heute ist der US-Amerikaner Mac Cowell aus Boston zu Besuch. Er kennt Marc Dusseillers Arbeiten aus dem Netz. Seit einigen Monaten diskutieren sie online über den Mikroskopbau, tauschen Tipps und Anleitungen aus.

Mac Cowell ist Biologe. Er betreibt die Do-it-yourself-Plattform diy.org.

"Mein Ziel ist, eine Art biologisches Spielzeug zu bauen. Spiele, die es dem Laien ermöglichen, mit der Biologie zu spielen."

Dabei hat der Amerikaner zum Beispiel entdeckt, dass die besten Objektive für Mikroskope in Spielkonsolen stecken, erzählt Marc.

"Die Kamera ist um ein Vielfaches besser als eine normale Kamera aus einer Webcam in der gleichen Preisklasse. Das wird quersubventioniert aus den Spielen, die sie verkaufen. Und es ist schade, dass Sony nicht auf die Packungen schreibt, kauft Spiele oder baut ein Mikroskop."

Der Schweizer Materialwissenschaftler und der amerikanische Biologe tüfteln gerade gemeinsam an einer automatischen Mikroskopsteuerung. Entwickelt hat sie Mac Cowell erst kürzlich in Boston.

"Das Interessante an dieser Konstruktion ist, ich habe keinerlei Berechnungen angestellt. Nichts wirklich konstruiert oder nachgemessen. Und trotzdem: es
funktioniert. Die kleinen Räder hier bewegen sich, das Gummiband hält. Es lässt sich steuern. Es funktioniert einfach. Ich bin erstaunt, dass es klappt."

Die beiden Bastler sitzen seit ein paar Stunden in Marcs Werkstatt - sie wollen den Mikroskoptisch noch exakter steuern, Kleinstlebewesen millimetergenau hin und her bewegen können.

"Es sind einfach geschnittene Plexiglasteile, ein Gummiband und zwei Servomotoren. Die Servomotoren, die kommen aus ferngesteuerten Autos und Flugzeugen, die kosten so ein paar Euros das Stück. Wir können das über das Internet steuern, über das iPad steuern. Wenn man das mal im Computer hat und die Steuerung hat, dann ist der Rest einfach."

Doch noch hapert es mit der Steuerung, Mac Cowell hat das Ladegerät für sein Computer vergessen und vom iPhone aus bekommt er die kleinen Räder auch nicht bewegt. Zum Glück, Marc Dusseiler kann helfen, er holt ein Kabel und die kleinen Motoren summen.

Marc und Mac stellen alle ihre Bauanleitungen ins Netz – auf diybio.org für Hobbybiologen, die der Amerikaner betreibt, oder auf hackteria.org, der Internetseite des Schweizer Tüftlers. So kann nicht nur jeder nachlesen, wie man selber Mikroskope baut, sondern auch Verbesserungen und Anregungen weitergeben. Diese Tipps sind für die auch für die Bastler wichtig, sagt Marc Dusseiller. Als Nächstes will er ein richtiges Profimikroskop bauen.

"Ich will vielleicht versuchen, als nächstes Projekt ein Rasterkraftmikroskop zu bauen aus einem DVD-Brenner. Wir haben da zwei Laser drin, wir haben da exakte Positionierungssysteme drin. Und wenn ich das über die Soundkarte meines Computers anspiele, habe ich auch den richtigen Frequenzbereich, um ein Rasterkraftmikroskop zu machen. Ist ja das Urtool der Nanotechnologie."

Links:
hackteria.org
diybio.org
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