Antisemitismusvorwürfe

Götz Aly beschädigt unsere Debattenkultur

Der Historiker Götz Aly
Der Historiker Götz Aly © dpa / picture alliance / Arno Burgi
Von Winfried Sträter · 11.12.2015
Der Historiker Götz Aly wirft Kritikern von Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der sein Milliardenvermögen spendet, Antisemitismus vor. Diese These ist an den Haaren herbeigezogen, meint Winfried Sträter.
Polemiken können hilfreich sein, wenn die Medien zu blind sind, etwas zu erkennen. Oder sie können versteckte Vorurteile transportieren, die man durch polemische Zuspitzung besser kenntlich macht. Götz Aly ist bekannt für seine Kunst der Zuspitzung, er hat damit in seinen wissenschaftlichen Arbeiten immer wieder Aufsehen erregt und auf produktive Weise provoziert.
In der jüngsten Debatte ist jedoch die entscheidende Frage: Was hat Götz Aly mit seiner Kolumne in der "Berliner Zeitung" über die Milliarden-Spende von Facebook-Chef Mark Zuckerberg sichtbar gemacht? Steckt in dem FAZ-Kommentar von Michael Hanfeld unterschwelliger Antisemitismus?
Götz Aly unterstellt Michael Hanfeld unterschwelligen Antisemitismus
Hanfeld unterstellt Zuckerberg Weltmachtstreben und Weltbeglücklungsstreben: Dass er mit seiner großherzigen Ankündigung, sein Vermögen als Wohltäter einsetzen zu wollen, eigentlich nur Imagepflege für ein Weltunternehmen mit hoch problematischen Geschäftspraktiken betreiben will.
Diese Debatte ist vernünftig, es ist eine Debatte um eine Unternehmensstrategie oder eine Unternehmerstrategie. Da geht es nicht um eine geheime Weltverschwörung, wie Aly in Hanfelds Text hineininterpretiert, sondern um eine typisch amerikanische Strategie, den Weltmarkt zu erobern. Dass Aly darin unterschwelligen Antisemitismus erkennt, ist für mich ein nicht nachvollziehbarer Gedankensprung.
Wenn man sich die FAZ-Argumentation ansieht, ist da etwas ganz anderes verblüffend. Im Kalten Krieg hätte man gesagt: Das ist Antiamerikanismus, den die FAZ da verbreitet. Denn im Kern nimmt Hanfeld eine amerikanische Eigenart aufs Korn: Marktmacht aufzubauen, den Weltmarkt zu erobern – und das mit einem Narrativ zu verbinden, das als Weltbeglückung daherkommt.
Mark Zuckerberg und der amerikanische Traum
Zuckerberg scheint von der Überzeugung getragen zu sein, dass seine Unternehmensphilosophie gut für die ganze Gesellschaft und die ganze Welt ist. Damit steht er nicht allein da: Auch Google ist von dieser naiven Weltsicht getragen. Das scheint die Amerikaner so zu beflügeln, dass sie in der Lage sind, weltweit ihre Produkte zu verkaufen und damit Weltmärkte zu erobern.
Dass Zuckerberg Jude ist, spielt in der FAZ auch zwischen den Zeilen überhaupt keine Rolle. Aly zieht den Antisemitismusvorwurf an den Haaren herbei. Er ist derjenige, der in eine rationale Debatte die enervierende Irrationalität bringt: Zuckerberg - Jude - die Polemik gegen ihn: versteckter Antisemitismus. Das Ärgerliche ist: Plötzlich starren wir alle wie die Kaninchen auf die Schlange des Antisemitismusvorwurfs. Man kann auch mit so einer Polemik dazu beitragen, eine Debattenkultur zu zerstören.
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