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Geodaten als jedermanns Recht

Geographie. - Die Geoinformationswirtschaft zählt neben der Bio- und Nanotechnologie international zu den Wachstumsbranchen. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen entwickelt sich diese Branche überdurchschnittlich. Nun hat der Rohstoff "Geodaten" seinen Ursprung aber vor allem in kommunalen und staatlichen Strukturen. Folge: Es gibt immer noch Restriktionen, Sammeln und Nutzen von Geoinformationsdaten sind häufig eingeschränkt. Über den aktuellen Stand, die anstehenden Aufgaben sowie die Perspektiven und Chancen raumbezogener Informationen, diskutierten heute Fachleute auf dem Tag der Geoinformationswirtschaft im nordrhein-westfälischen Landtag.

Von Mirko Smiljanic | 23.11.2004
    Es ist noch gar nicht lange her, da musste jedes Luftbild – und sei es Omas Häuschen – umständlich angemeldet und genehmigt werden. Der Kalte Krieg ließ grüßen! Ganz so schlimm ist es nicht mehr, was abgesehen vom politischen Tauwetter auch seinen Grund in der Bedeutung von Geo-Informationen hat: Klimaforschung und Verkehrsplanung, Umwelt und Landwirtschaft, Mobilfunk und Katastrophenschutz – jedes größere technische und politische Vorhaben nutzt Geoinformationssysteme, also gezielt gesammelte Daten über unseren Planeten. Trotzdem registrieren Fachleute immer noch Hindernisse beim Einsatz von Geo-Informationen.

    Die größten Voraussetzungen liegen einmal in der Technik, die grundsätzlich funktioniert, die aber in die Praxis noch reingebracht werden muss; und zum Zweiten in Fragen von Politik und Organisation. Wir haben einen Markt, der ist im Prinzip großhandelsdominiert, wo also Spezialanforderungen nur sehr schwer befriedigt werden können.

    Klaus Greve, Professor für geografische Informationssysteme an der Universität Bonn. Die Anbieter von Geoinformationen – üblicherweise die Betreiber entsprechender Satelliten – bieten häufig Standardware zu überhöhten Preise, außerdem sind sie unflexibel. Wenn Biologen etwa ad hoc Daten über die präzise Ausdehnung von Mangrovenwäldern in Nordbrasilien brauchen, braucht die Anfrage einen entsprechend langen Vorlauf. Bezogen auf die Technik bemängelt Klaus Greve, dass die Systeme teilweise nicht kompatibel sind,...

    ...dass also zwei Systeme miteinander reden können, ist immer noch schwierig, es gibt Normen und Standards, die das herstellen, die sind aber längst nicht überall implementiert, und es ist so eine Schnittstelle zwischen Technik und dem Inhalt der Daten zu beachten: Manchmal funktioniert es technisch, das heißt aber nicht, dass die Inhalte auch zusammen passen.

    Zum Beispiel zeichnet das eine System Flüsse blau, ein zweites System dagegen markiert Wege in dieser Farbe. Werden die Datensätze kombiniert, ist das Chaos perfekt.

    Bei größeren Systemen muss das erst einmal automatisch generiert werden. Denn wie soll der arme Mensch, der auf einmal ganz viele Linien übereinander legt, dann noch feststellen, was er eigentlich tun muß? Das System muss schon in der Lage sein, dem Menschen ein paar vernünftige Informationen anzubieten.

    Vernünftige Informationen müssen auch Satellitennavigationssysteme bieten – allen voran GPS, gefolgt vom russischen System GLONASS. In ein paar Jahren gibt es dann noch die europäische Alternative Galileo, das auf dem Düsseldorfer Tag der Geoinformationswirtschaft wieder einmal begrüßt wurde.

    Also, das europäische System ist aus zwei Gründen wichtig. Das erste ist ein politischer: Man ist unabhängig von einem Monopolanbieter von Informationen, das ist GPS; und zweitens, es verbessert die Positionsgenauigkeit, weil mehr Satelliten zu erreichen sind und die Satelliten liegen in einer etwas anderen Umlaufbahn, was es möglich macht aus engen Straßenschluchten diese Satelliten anzupeilen und dadurch auch eine bessere Positionsbestimmung an der Stelle zu haben.

    Unabhängigkeit von Monopolen ist aber nur ein Aspekt des Problems; zusätzlich muss der Umgang mit Geo-Informationen liberaler werden – was Professor Klaus Greve von der Uni Bonn am Beispiel der Wahlkreisgrenzen deutlich macht.

    Wem gehören eigentlich die Wahlkreisgrenzen? In einer Demokratie müsste man denken, eigentlich müsste sie alle zur Verfügung stehen. Denn auf der Basis von Wahlkreisgrenzen kann man feststellen, ob das ein faires Wahlsystem ist, man kann Wahlergebnisse auswerten, man kann seine nächste Wahlkampfkampagne damit planen. Im Moment ist eigentlich nicht klar, wem die gehören, müssen die für diese Zwecke kostenfrei abgegeben werden, oder muss man sie kaufen?

    Der Umgang mit Geo-Informationen steht vor einem dramatischen Wandel – vergleichbar etwa mit der Deregulierung von Telekom-Diensten. In beiden Fällen müssen politische und technische Probleme gleichermaßen gelöst werden.

    Es ist eine Mischung aus politischen und technischen Problemen, wobei man technische Probleme immer lösen kann, sofern man politisch dazu bereit ist.