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Die Komponistin Clara Schumann
Durch innere Zwiespälte gehemmt

Clara Schumann war nicht nur eine herausragende Pianistin, sondern auch eine bedeutende Komponistin, die sich ihrer Sache allerdings nicht immer sicher war. Eine Sonderausstellung in Zwickau blickt auf ihr Leben und präsentiert ihre Kompositionen in Originalhandschriften.

Von Claus Fischer | 04.02.2019
    Porträt von Clara Schumann
    Die Pianistin Clara Schumann (imago/United Archives )
    Es kommt nicht oft vor in einem deutschen Museum, dass der Direktor sich an ein Musikinstrument setzt - und vor den Besuchern konzertiert. Thomas Synofzik, der Leiter des Zwickauer Schumann-Hauses tut das gelegentlich, an einem bestimmten Instrument. Und das dürfte, vor allem älteren Besuchern gut bekannt sein, es war nämlich auf dem letzten 100-D-Mark-Schein abgebildet. Es handelt sich um Clara Schumanns ersten eigenen Flügel.
    "Den hat sie 1827 vom Vater geschenkt bekommen. Gebaut in Wien, also weit weg, von André Stein, einem ganz berühmten Klavierbauer. Dessen Vater war mit Wolfgang Amadeus Mozart befreundet, jetzt der Sohn baut für Clara…und da hat sie auch ihr allerstes Konzert im Leipziger Gewandhaus darauf gespielt, 1828 war das, da war sie neun Jahre alt."
    Direktor Thomas Synofzik an Clara Wiecks erstem Flügel, der auf dem 100-DM-Schein abgebildet war.
    Direktor Thomas Synofzik an Clara Wiecks erstem Flügel, der auf dem 100-DM-Schein abgebildet war. (Deutschlandradio/ Claus Fischer)
    Erste Komposition mit elf Jahren
    Auf den Tasten, an denen Claras DNA zu finden sein dürfte, spielt Thomas Synofzik ihr erstes Werk, eine von vier Polonaisen aus op. 1. Mit elf Jahren hat sie es komponiert. Robert Schumann - damals bereits 21 - schrieb seine erste Komposition erst ein halbes Jahr später. Als Claras Opus 1 entstand, war ihr der spätere Ehemann aber bereits schon bekannt.
    "Clara war eben ein kleines Mädchen, und Robert Schumann war der väterliche Freund, der ihr Abenteuergeschichten erzählte und so, das fand sie ganz spannend."
    Daraus erwuchs die wahrscheinlich interessanteste Künstlerehe des 19. Jahrhunderts. Und die war von gegenseitiger Inspiration geprägt. Das sieht man unter anderem an den weiteren frühen Werken Claras, betont Thomas Synofzik und zeigt ein Beispiel in der Sonderausstellung.
    "Das ist Clara Wiecks op. 3, eine Romance variée, Variationen über eine Romanze, und da haben wir Robert Schumanns Reisetagebuch, wo er genau das Thema von Clara einträgt."
    Dieser Eintrag hat lange zu der irrigen Annahme geführt, Robert habe die Tonfolge komponiert. Inzwischen konnte man aber herausfinden, dass die Tagebuchnotiz jünger als Claras Werk ist. "Er komponiert dann nämlich später "Impromptu über ein Thema von Clara Wieck – das ist genau dieses Thema. Und wenn er selbst draufdruckt "von Clara Wieck", dann muss es doch von Clara sein!"
    Drei Klavierlieder zum Geburtstag
    Die Sonderausstellung im Zwickauer Schumann-Haus belegt anhand etlicher Beispiele, Handschriften und frühen Drucken von Werken Claras, wie ihr Ehemann sie immer wieder angeregt hat, kompositorisch tätig zu werden. 1841 schenkte sie ihm z.B. drei Klavierlieder zum Geburtstag.
    "Da nimmt er sie und gibt sie ganz genau so in den Druck, wie er sie gekriegt hat. Nicht dass da Robert jetzt irgendwas zukomponiert oder irgendwas ändert oder korrigiert. Nein, das ist wirklich – wir haben die Originalhandschriften hier – genau so wie sie es komponiert hat, wird es dann auch gedruckt."
    Dass dieses Geben und Nehmen ausschließlich von Harmonie geprägt war, wäre allerdings ein Trugschluss. Robert hat, das wissen wir, sich in Claras kompositorische Arbeit immer wieder auch eingemischt. Ein Indiz dafür ist Claras, wie manche sagen, genialste Komposition, das Klaviertrio. Thomas Synofzik zeigt das Manuskript.
    "Da ist ganz viel korrigiert und geändert! Das ist wirklich eine Kompositionsniederschrift. Die meisten anderen Sachen sind Reinschriften, die sie dann später – vor allen Dingen für Robert Schumann dann – sorgfältig noch einmal ausgearbeitet hat. Aber hier hat sie wirklich ganz viel gestrichen und überklebt."
    Ob Robert dafür verantwortlich ist, lässt sich nicht unbedingt herauslesen. Aber sehr wohl, dass sie sich ihrer Sache nicht immer sicher war. So äußert sie in einigen Briefen auch Skrupel, mit ihren Werken an die Öffentlichkeit zu gehen. Dem widerspricht, so Thomas Synofzik, aber die Tatsache, dass sie bis an ihr Lebensende als Pianistin mit eigenen Kompositionen aufgetreten ist.
    Immer wieder eigene Werke im Programm
    "Wir haben ja die komplette Programmzettelsammlung von Clara Schumann, 1300 Programmzettel hier im Haus, und da kann man sehen, dass sie wirklich auch bis in ihre letzten Jahre hinein immer auch wieder eigene Werke mit ins Programm nimmt."
    Die Skrupel Claras, was die Veröffentlichung ihrer Werke betrifft, liegen, so vermutet Thomas Synofzik also nicht in der angeblich permanenten Demütigung durch Robert, wie es etwa die Pianistin Ragna Schirmer annimmt. Vielmehr sei Clara durch eigene innere Zwiespälte gehemmt gewesen.
    "Sie hatte halt ganz viele Aufgaben und Funktionen. Und sie klagt eben auch immer, dass sie zu wenig Zeit habe zum Komponieren, sie musste die Kinder versorgen, sie musste sich um den Haushalt kümmern. Und sie war natürlich Pianistin, musste üben. Da glaub ich nicht, dass Robert Schumann ihr da im Wege gestanden hat, eher sie sich selbst."
    "Ich denke, dass Claras Kompositionen wirklich einen eigenen Stellenwert haben und so langsam auch anerkannt werden. Dass sie nicht nur bedeutende Kompositionen hinterlassen hat, weil sie eine der wenigen Frauen war, die im 19. Jahrhundert komponiert haben, sondern weil es einfach Sachen sind, die können neben romantischen Komponisten der Zeit wunderbar bestehen."
    Das war übrigens auch vielen Zeitgenossen Claras bewusst, etwa dem Bildhauer Ernst Rietschel, von dem auch das Weimarer Goethe- und Schiller-Denkmal stammt. Er schuf ein Gipsmedaillon des Ehepaares, das man im Zwickauer Schumannhaus zu bewundern kann.
    "Clara ist im Hintergrund, Robert im Vordergrund. Eigentlich wollte der Bildhauer – das ist belegt – es andersrum haben. Also Clara hätte im Vordergrund sein sollen. Aber Robert Schumann hat in diesem Fall tatsächlich darauf bestanden, er sei schließlich der schaffende Künstler, deshalb müsse er im Vordergrund sein. Aber ich sage immer: Der Bildhauer Rietschel hat das wunderbar gelöst, denn so hat Clara wenigstens die Nase vorn."
    Denn der gemeine Europäer betrachtet das Bild wie beim Lesen von links nach rechts. Und so sieht er eben Claras Nase zuerst.