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Bundeswehr
Der neue Freiwilligendienst im Heimatschutz

Keine Auslandseinsätze, dafür Tätigkeiten nahe der Heimat – das sind zwei entscheidende Faktoren, die den Freiwilligendienst im Heimatschutz für Rekrutinnen und Rekruten attraktiv machen sollen. Aber es gibt auch grundsätzliche Bedenken gegen diese Art des Dienstes in der Bundeswehr.

Von Ann-Kathrin Büüsker | 06.04.2021
Markus Laubenthal (l-r), stellvertretender Generalinspekteur der Bundeswehr, Peter Tauber (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, und Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Bundesministerin der Verteidigung, präsentieren die Plakate am Rande der Pressekonferenz zur Vorstellung des freiwilligen Wehrdienstes im Heimatschutz "Dein Jahr für Deutschland".
Beginn der Ausbildung für den Freiwilligendienst im Heimatschutz (dpa / Kay Nietfeld)
Die ersten 325 Rekrutinnen und Rekruten haben am 6.4.2021 ihre dreimonatige militärische Grundausbildung begonnen, die sie gemeinsam mit den Rekrutinnen und Rekruten des normalen freiwilligen Wehrdienstes ableisten. Anschließend folgt eine Grundausbildung im Heimatschutz, an speziell dafür festgelegten Ausbildungsorten. Bisher sind dies Delmenhorst, Berlin, Wildflecken und Schortens. Für diesen Teil der Ausbildung ist also durchaus eine gewisse Reisetätigkeit innerhalb Deutschlands notwendig.
Themenbild Wehrpflicht,Soldaten,Dienstgrad.Rang,Rangabzeichen,Dienstgradabzeichen. Soldaten der Bundeswehr helfen bei der Testung von Einreisenden,sie tragen ffp2 Mundschutz,Maske. Grenzkontrollen an der oesterreichisch deutschen Grenze ,Grenzuebergang Kiefersfelden Grenzpolizisten kontrollieren Autofahrer bei der Einreise von Tirol / Oesterreich nach Bayern / Deutschland.
Zehn Jahre nach dem Aussetzen der Wehrpflicht
2011 beschloss der Bundestag, die Wehrpflicht auszusetzen. Befürworter beschworen damals die Vorteile einer Berufsarmee, Skeptiker sahen das Risiko einer Parallelgesellschaft und rechtsextremistischer Tendenzen.
Im Anschluss an die aktive Dienstzeit von sieben Monaten sind die Teilnehmenden verpflichtet, in den darauffolgenden sechs Jahren insgesamt fünf Monate Dienst in Reserveübungen oder Einsätzen zu leisten. Dies soll nahe ihrer Heimat möglich sein, um es vereinbar mit Beruf und Familie zu machen. "Das Ganze ist eingebettet in eine Struktur, in die sogenannten Heimatschutzregimente, die wir jetzt auch beginnen aufzustellen, in den nächsten vier bis fünf Jahren", so Markus Laubenthal, stellvertretender Generalinspekteur der Bundeswehr.

Reservisten im Notfalleinsatz, etwa gegen Corona

Ein Ziel ist es, die Reserve der Bundeswehr zu erweitern, um in Notfallsituationen auf Kräfte zurückgreifen zu können. Ein denkbares Szenario hierbei: eine Pandemie. Aktuell unterstützt die Bundeswehr zahlreiche Gesundheitsämter in der Corona-Pandemie im Rahmen der sogenannten Amtshilfe bei der Kontaktnachverfolgung – dies geschieht vielfach mit aktiven Soldatinnen und Soldaten. Nicht ohne Folgen, so Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer: "Sie können sich vorstellen, wir sind jetzt seit einem Jahr im Corona-Einsatz – wir tun dies auch gerne und mit allen Kräften, die wir zur Verfügung stellen können, aber natürlich hinterlässt das auch Spuren im ganz normalen Betrieb der Bundeswehr."

Nachwuchsprobleme lösen durch neue Angebote

Die Bundeswehr hat ohnehin seit der Abschaffung der Wehrpflicht mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Und so ist der neue Freiwilligendienst im Heimatschutz aus Sicht des parlamentarischen Staatssekretärs im Verteidigungsministerium, Peter Tauber, auch eine Ergänzung, eine Lücke im Angebot, die man schließe. Die Bereitschaft bei jungen Menschen, sich für ihr Land zu engagieren, sei groß.
Der Freiwilligendienst im Heimatschutz ist also ein Versuch, neue Gruppen für die Bundeswehr zu begeistern. Wie sehr dabei auch auf Frauen abgezielt wird, zeigt ein Blick auf den Instagram-Account "Bundeswehrkarriere". Hier sind auffällig oft Frauen in Uniform zu sehen, sie werden außerdem mit Beiträgen ganz gezielt angesprochen. Der Frauenanteil der Bundeswehr liegt bei etwas über zwölf Prozent. Unter den jetzt startenden Heimatschutzfreiwilligen sind 16 Prozent Frauen.

Kritik: Nimmt die Bundeswehr anderen Diensten Freiwillige weg?

Mit Blick auf das komplette Jahr sollen 1.000 Freiwillige ausgebildet werden. Konkurrenz auch für andere Freiwilligendienste? Diese Sorge kommt etwa von Wohlfahrtsverbänden. So kritisiert Peter Neher, Chef der Caritas, gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio: "Die Bundeswehr sollte es als das bezeichnen, was es ist: Es ist eine Art Schnupperkurs für die Bundeswehr. Freiwilligendienste sind das Vorrecht der Zivilgesellschaft und nicht des Staates. Und deshalb gilt es genau die bestehenden Freiwilligendienste wie Freiwilliges soziales Jahr, Freiwilliges ökologisches Jahr oder auch den Bundesfreiwilligendienst zu stärken."
Berlin: Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Verteidigungsministerin, stellt bei einer Pressekonferenz im Bundesministerium der Verteidigung das Konzept für den neuen Freiwilligen Wehrdienst Heimatschutz vor.
Georg Kurz (Grüne) "Heimatschutz – das ist ein Kampfbegriff der extremen Rechten"
Mit Verpflichtung könne man keine Leute überzeugen. Die Bundesverteidigungsministerin versuche, mit ihrem Vorschlag andere Probleme in der Bundeswehr zu kaschieren, sagte Georg Kurz im Dlf.
Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zeigte sich einer Stärkung anderer Dienste gegenüber offen und betonte: "Wir nehmen mit diesem Freiwilligendienst niemandem etwas weg." Kramp-Karrenbauer verwehrte sich auch gegen Kritik am Namen – konkret der Bezeichnung "Heimatschutz": "Das ist eine bewusste Entscheidung und es ist auch kein Fehler, diesen Dienst so zu nennen. Ein Fehler war es, dass wir in der Vergangenheit den Begriff Heimat, der uns allen am Herzen liegt, diesen Begriff einfach den Rechten in diesem Land zu überlassen, die damit auch einen Missbrauch treiben und es wird Zeit, dass wir diesen Begriff wieder in die demokratische Mitte holen und dass wir ihn zurückerobern, wenn Sie so wollen."
Unter anderem aus der Linkspartei hatte es Vorwürfe gegeben, der Name erinnere an rechtsextreme Organisationen wie die Neonazivereinigung Thüringer Heimatschutz.