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Imprägniermittel
PFC in Kleidung und Sprays belastet Natur und Gesundheit

Wenn Regenjacke und Stiefel allen Wetterunbilden trotzen, ist das eine feine Sache. Imprägnierte Outdoorkleidung hält trocken und warm. Doch die Chemikalien sind enorm langlebig, und ein Teil davon gelangt in die Umwelt, mit fatalen Folgen.

Von Stephan Beuting | 07.05.2019
Das Detail einer Outdoor-Jacke: Outdoor-Kleidung enthält nach einem Greenpeace-Report Schadstoffe, die der Umwelt schaden können.
Das Detail einer Outdoor-Jacke: Outdoor-Kleidung enthält nach einem Greenpeace-Report Schadstoffe, die der Umwelt schaden können. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
Wer Schuhe und Kleidung mit PFC-haltigen Sprays imprägnieren möchte, der sollte lieber nach draußen gehen. In hohen Konzentrationen ist das Zeug giftig. Aber das ist noch nicht alles. Wer PFC benutzt, der muss wissen, dass er dafür einen hohen Preis bezahlt.
Der Kaiserplatz in Bonn. Eine von drei Personen an diesem Tag trägt eine Outdoorjacke. Ob nachträglich imprägniert oder ab Werk: hier stecken sie drin, per- und polyfluorierte Chemikalien.
"Gut, die ist ja schon ziemlich alt, ziemlich oft gewaschen. Die ist jetzt schon, fünf, sechs, sieben Jahre alt."
Und trotzdem sei sie noch dicht. Das Problem: Ein Teil der Stoffe, die dafür sorgen, dass sie noch dicht ist, ist längst in der Umwelt und macht dort Probleme. Doch das wissen viele gar nicht.
"Wenn du jetzt als normaler Kunde irgendwo einkaufst, wirst du ja nicht darüber aufgeklärt."
Langlebige Stoffgruppe
Das mit der Aufklärung ist deshalb schwierig, weil PFC zwar überall drinstecken, die Stoffgruppe aber groß und Ihre Langzeitwirkungen auf Mensch und Natur schwer zu erforschen sind.
"PFC, das ist eine Gruppe von 5 000 verschiedenen Stoffen, das sind also ganz verschiedene Stoffe."
Frauke Stock, Fachgebietsleiterin Chemikalien beim Umweltbundesamt.
"Sie reichern sich an, und wir wissen nicht, wann es in der Umwelt auch dazu kommt, dass wir in der Umwelt Effekte sehen, dass Organismen auch wirklich beschädigt sind."
In extrem hohen Konzentrationen haben PFC bei Tierversuchen das Risiko für Krebs erhöht und zu Fortpflanzungsschädigungen geführt. Bei der Frage, wie gefährlich das für Mensch und Umwelt wird, da sind die Expertenmeinungen zu PFC genauso flüchtig wie die Stoffe selbst.
"Man kann sagen, das sind die per- und polyfluorierten Chemikalien. Also Chemikalien, wo an einem Kohlenstoffgerüst Fluoratome hängen. Das ist das, was diese Chemikalie so stabil macht, und das ist auch, was man nutzt für die vielfältigen Anwendungen."
Stabilität wird zum Umweltproblem
Die Stabilität nutzen wir, damit in der Teflonpfanne nichts anbrennt, damit Feuerlöschschäume gut funktionieren und um mit Imprägniersprays unsere Jacken und Schuhe sauber und trocken zu halten. Aber diese Stabilität hat unerwünschte Folgen.
"Alle PFC sind langlebig. Das heißt, die gehen nicht mehr kaputt. Wenn man die einmal hergestellt hat, dann gibt es in der Natur keinen Mechanismus, die in einem vernünftigen Zeitrahmen mehr abzubauen."
Manfred Santen ist Diplom Chemiker und Gutachter für Problemstoffe bei Greenpeace. Als ich ihn erreiche, wartet er gerade in Hongkong auf seinen Flug nach Manila
"Das heißt, die wird es ewig lange geben, und wenn die dann gesundheitsschädliche Eigenschaften haben, wird sich das ewig lange auch so halten."
PFC verbinden zwei Eigenschaften. Erstens, hohe Stabilität und zweitens, die Fähigkeit, sich leicht über die Atmosphäre an jeden Ort der Welt zu verbreiten und dann in Organismen anzureichern. 2015 wollte Greenpeace wissen, wie weit verbreitet PFC tatsächlich sind.
"Das heißt, wir haben Schneeproben genommen von hohen Bergen. Der Schnee war unberührt, und den Schnee haben wir dann untersucht und festgestellt, dass wir an jeder dieser acht Probeentnahmestellen PFC im Schnee gefunden haben."
PFC sind überall nachweisbar
Hohe Konzentrationen finden sich in der Arktis. Die Stoffe sind bioakkumulativ, das heißt sie sammeln sich in Tieren, wie dem Eisbären. Über Abwasser und Klärschlamm kommen PFC auch wieder zu uns zurück. Dort stehen sie im Verdacht, das Krebsrisiko zu erhöhen, sich auch in der Muttermilch anzureichern.
" Man weiß eben bei manchen der Stoffe, dass sie in Studien mit Ratten, mit Mäusen die Fortpflanzung schädigen."
Neu sind diese Erkenntnisse nicht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schreibt seit Jahren Berichte, doch PFC werden weiter verbreitet. Erst seit kurzem reagieren etwa Hersteller von Outdoorkleidung und schwenken um.
"Man merkte auch, dass die Firmen in die Defensive geraten. Das lässt sich nicht gut argumentieren, dass man diese Substanzen braucht, um unberührte Natur zu erleben. Und dann ist sie eben nicht mehr unberührt, weil man eben Hinterlassenschaften hat."
Noch funktionieren die Alternativen zu PFC weniger gut und sind teurer, aber es gibt sie. Skandinavische Hersteller wie Fjällräven setzen seit Jahren auf Stoffe, die gewachst werden, der Outdoor-Ausrüster VAUDE hat eine chemische Alternative entwickelt. Nach Unternehmensangaben seien schon jetzt 96 Prozent der Artikel PFC-frei, und dort bietet man auch einen PFC-freien Imprägnierservice an. Ab nächstem Jahr soll dort gar kein PFC mehr benutzt werden. Manfred Santen hofft, dass der öffentliche Druck irgendwann so groß wird, dass PFC komplett verboten werden. Und auch Frauke Stock denkt, dass zumindest die Produktion von PFC irgendwann einmal in ferner Zukunft komplett auslaufen könnte.
"Da sind wir vielleicht bei 20, 30 Jahren. Ob wir dann ganz PFC-frei sind, weiß ich nicht, aber vielleicht einen ganzen Schritt weiter."