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Journalismus unter Lebensgefahr

Die Tageszeitung "The Point" aus Gambia in ist mit dem Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit ausgezeichnet worden. Der Gründer der Blattes bezahlte sein Eintreten für unabhängigen Journalismus mit dem Leben.

Von Uschi Götz | 04.12.2006
    Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren wurde der Gründer von "The Point", Deyda Hydara, bei einem Attentat erschossen. Gestern nahm sein Freund und Nachfolger Pap Saine den mit 10.000 Euro dotierten Johann-Philipp-Palm-Preis im schwäbischen Schorndorf entgegen. "The Point" ist die erste unabhängige Tageszeitung in Gambia und erscheint seit Anfang dieses Jahres sogar täglich mit 3000 Exemplaren. "The Point "steht für unabhängige und freie Meinungsäußerung. Damit führt Pap Saine das Lebenswerk von Deyda Hydara fort.

    Damals. am 16. Dezember 2004. als die Redaktion ihr 13-jähriges Bestehen feierte. Entging er selbst nur knapp dem tödlichen Anschlag:

    "Ich sollte an diesem Abend in seinem Wagen mitfahren, aber im letzten Moment entschied ich mich anders und ging weiter zu Fuß. Wir wollten uns
    im Haus meines Bruders treffen."

    Deyda Hydara kam dort nie an. Von bisher unbekannten Tätern wurde er in seinem Auto erschossen. Der Mord wurde nie aufgeklärt; ein Verdächtiger kurze Zeit nach Aufnahme der Ermittlungen wieder entlassen; es war ein Freund des Staatspräsidenten Yahya Jammeh. Nur eine Institution ermittelte weiter: "Reporter
    ohne Grenzen" - in eigener Sache, denn Deyda Hydara war auch einer ihrer Korrespondenten.

    Elke Schäfer, Geschäftsführerin der deutschen Vertretung:

    "Im Prinzip hat sich dort nicht viel getan, es wurde mal ermittelt, dann wurden die Ermittlungen wieder eingestellt. Unsere eigenen Untersuchungen haben Einiges zu Tage gefördert, unter anderem, dass Deyda Hydara bis kurz vor der Ermordung unter der Überwachung des Geheimdienstes stand, auch dass er vor dem Attentat bedroht wurde, weil er ja diese restriktiven Pressegesetz, die zu der Zeit diskutiert wurden und noch nicht verabschiedet waren, sehr stark kritisiert hat in seiner Kolumne 'Good morning Mr. President'. Im Prinzip weisen ein paar Vorgehensweisen doch eher in die Richtung des Geheimdienstes als möglichen Täter - doch, da er dem Präsidenten nahe steht, erwarten wir keine großen Fortschritte bei den Ermittlungen."

    Journalismus ist riskant in Gambia. Das kleine afrikanische Land ist eingebettet in den Senegal, mit gerade 1,6 Millionen Einwohnern zählt es zu den weniger bekannten Zwergstaaten in Westafrika. 70 Prozent der Bevölkerung können weder lesen noch schreiben. Alle Fernseh- und Radiosender werden von der Regierung kontrolliert.

    1994 putschte sich das weltweit jüngste Staatsoberhaupt, Yahya Jammeh, an die Macht des muslimischen Staates. Scharfe Pressegesetze machen heute ein freies
    Arbeiten von Journalisten fast unmöglich. Sie riskieren nicht nur ihr gesamtes Vermögen, sondern auch ihr Leben, so wie Pap Saine und seine Redaktion - jeden Tag:

    "Aber dieses Risiko müssen wir tragen, um weiter zu machen. Bis vor kurzem erschien 'The Point' dreimal, jetzt erscheint die Zeitung täglich. Das haben wir den Schreibern zu verdanken, ohne sie geht es nicht. Es ist nicht einfach diesen Job zu machen. Aber egal, ob Du diesen Job machst oder nicht, Du wirst eines Tages sowieso sterben. Es ist ein großes Risiko, aber ich werde es weiterhin tragen."

    Umso wichtiger ist für "The Point" und Pap Saine eine internationale Auszeichnung wie der Johann-Philipp-Palm-Preis.

    "Wir finden, dass es ein engagiertes Redaktionsteam - Pap Saine ist ein engagierter Leiter, Chefredakteur des Ganzen -, und wir sind "The Point" natürlich auch verpflichtet, denn Deyda Hydara war auch unser Korrespondent; es ist der erste Korrespondent und bleibt hoffentlich der einzige Korrespondent von 'Reporter ohne Grenzen', der getötet wurde."

    Mehr noch als das Geld hilft den bedrohten Journalisten die öffentliche Aufmerksamkeit. Elke Schäfter von "Reporter ohne Grenzen" erhofft sich dadurch auch einen Schutz der Betroffenen:

    "Man ist aufmerksamer, und es kann ja durchaus auch auf politischer Ebene ein bisschen was bewirken. Auch die Botschaften vor Ort sind natürlich aufgefordert. ihre Augen offen zu halten und das nicht einfach hinzunehmen und auch gegenüber den Gesprächspartnern von Regierungsseite her immer wieder deutlich zu machen, dass es Pressefreiheit zu unterstützen gilt und auch diese Medien im Prinzip ihre Arbeit nachgehen - mit einer ethischen Verpflichtung."

    In Gambia arbeiten die freien Journalisten mit einem Minimum an technischer Ausrüstung und einem Maximum an Hoffnung:

    "Wenn ich morgens aufstehe, dann bete ich zu Gott um meine Sicherheit .Wenn ich zurückkomme, bete ich zu Gott, dass mein Haus nicht brennt oder mein Büro."

    Doch Pap Saine weiß genau, dass beten allein die Existenz von "The Point" nicht sichern wird:

    "Ich brauche Hilfe, um meine Zeitung aufrechtzuerhalten. Alle die an Demokratie und Pressefreiheit glauben, sollten 'The Point' helfen, um den Kampf weiter zu führen, so dass sich Demokratie, Menschenrechte und Pressefreiheit on Gambia durchsetzen."