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Spanien rettet Banken und kürzt bei Schulen

Spanien hat seine Sparkassen teilweise gestützt. Dabei hat das Land eigentlich gar kein Geld für solche Ausgaben. Schulen und Altersheime werden dagegen nicht mit Geld versorgt - und so wird die Bankenrettung zum bürgerlichen Konfliktstoff.

Von Hans-Günter Kellner | 13.10.2011
    Bei der Vereinigung der Privatkunden von Banken und Sparkassen stehen die Telefone schon lange nicht mehr still. Viele Spanier wissen nicht mehr, wie sie ihre Wohnungskredite zurückzahlen sollen, manche sind in ihrer Verzweiflung bei Kredithaien gelandet, die längere Laufzeiten gegen Zinsen von über 20 Prozent anbieten. Aber auch den einst so bodenständigen Sparkassen wirft Schuldnerberater Antonio Pulido unlautere Geschäftspraktiken vor:

    "Am bekanntesten sind die in Kreditverträgen festgeschriebenen Mindestzinssätze. Das heißt: Auch wenn variable Zinssätze vereinbart werden, legen manche Banken einen Mindestzinssatz fest. So zahlen die Leute immer noch vier Prozent, auch wenn der Marktzins eigentlich viel niedriger liegt. Das bedeutet für eine Familie zwischen 1000 und 3000 Euro im Jahr. Die Banken verdienen mit dieser Praxis nach unserer Rechnung im Jahr bis zu fünf Milliarden Euro."

    So steigt die Zahl von Räumungsklagen gegen säumige Schuldner. In diesem Jahr mussten bereits mehr als 30.000 Wohnungskäufer ihre vier Wände der Bank überlassen. Damit sind die Schulden nicht etwa getilgt. Die Banken schätzen den Wert der Wohnung inzwischen viel niedriger als den ursprünglichen Kaufpreis ein, der Käufer sitzt damit in der Schuldenfalle. Der Verband der Kunden der Banken und Sparkassen fordert darum von der Regierung ein dreijähriges Moratorium der Rückzahlungen für Arbeitslose.

    "Es soll eine vorübergehende Maßnahme sein, bis der rechtliche Rahmen für das Kreditwesen reformiert ist. Die Gesetze schützen in erster Linie die Banken. Selbst wer seine Wohnung räumt, schuldet wegen der gesunkenen Immobilienpreise der Bank weiter 100.000 oder 200.000 Euro. Die Kosten für ein solches Moratorium schätzen wir auf vier Milliarden Euro. Das wäre mehr als ausreichend und weniger als das, was die Sparkassen für ihre Strukturreform bekommen haben."

    17,6 Milliarden Euro an Krediten und Bürgschaften hat der Staat den Sparkassen für ihre Neustrukturierung gewährt. Die Geldspritze für die Finanzinstitute ist angesichts der Kürzungen bei Schulen, Gesundheitszentren oder Altersheimen nicht gerade populär. Zumal die Sparkassen mit verlustreichen Investitionsprojekten wie Flugplätzen ohne Starts- und Landungen oder Vergnügungsparks ohne Besucher nicht unverschuldet in diese Lage geraten sind. Trotz alledem gewähren sich Spitzenmanager mancher Sparkassen vor ihrem Abgang noch schnell Abfindungen in Millionenhöhe. Schuldnerberater Pulido dazu:

    "Da werden öffentliche Gelder in die Banken gesteckt und auf der anderen Seite Abfindungen in Millionenhöhe gezahlt. Und das Ganze ist auch noch ganz legal. Die Regierung will zwar einen Gesetzesentwurf zum Thema Managergehälter vorlegen, lässt die persönliche Haftung der Manager aber außen vor. Wir meinen, in den Fällen der Sparkassen müssten die Manager auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden."

    Finanzexperte Manuel Romero von der Madrider IE-Business-School findet die Aufregung übertrieben. Spitzenmanager verdienten bei Sparkassen deutlich weniger als bei den Banken, nicht nur Sparkassen hätten unsinnige Projekte finanziert, winkt er ab. Dennoch hält er die spanischen Finanzinstitute im europäischen Vergleich für recht stabil:

    "Die spanischen Banken haben einen großen Vorteil: Sie sind vor allem Privatkundenbanken. Sie nehmen das Geld ihrer Kunden und verleihen es anderen. Auch das kann man gut oder schlecht machen, aber bei einer bekannten spanischen Großbank stammen 60 Prozent der vergebenen Kredite aus den Einlagen ihrer Kunden. Französischen Banke hingegen finanzieren sich viel stärker auf den Finanzmärkten und haben massiv Kredite an andere Staaten vergeben. Es ist Blödsinn, zu behaupten, den spanischen Banken gehe es schlechter als den französischen oder deutschen."

    Doch niemand weiß, wie viel die Wohnungen in den Bilanzen der Banken und Sparkassen noch wert sind. Zudem werden fast sieben Prozent der Kredite inzwischen nicht mehr zurückgezahlt, das ist die höchste Ausfallquote seit 16 Jahren. Was Staatsanleihen in den Bilanzen deutscher und französischer Banken seien, seien in Spaniens Instituten die Immobilienkredite, sagt der Finanzexperte. In einer solchen Situation sieht er auch in Spanien keine Alternativen zu neuen Hilfen vom Staat, so unpopulär sie auch seien:

    "Die Bank ist der Katalysator für alles. Wenn die Bank zusammenbricht, bekommen wir hier argentinische Verhältnisse. Wenn wir weiter jeden Monat Geld abheben und Brot, Fleisch und Eier kaufen wollen, brauchen wir Banken. Sonst sind sie nicht mehr die Kanäle für die Finanztransaktionen unserer Länder. Wenn die Banken zusammenbrechen, brauchen wir uns wirklich keine Sorgen mehr zu machen um Gesundheitssysteme, Schulen, Hochschulen oder auch den Konsum. Die Rekapitalisierung der Banken ist ein notwendiges Übel."

    Sammelportal dradio.de: Euro in der Krise