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Treffen der Staatschefs
Trump, Putin und der G20-Gipfel

Auf dem G20-Gipfel in Hamburg soll es zur ersten persönlichen Begegnung von Donald Trump und Wladimir Putin kommen. Zwei Machtpolitiker treffen aufeinander, die unterschiedliche Sichtweisen auf aktuelle Konflikte haben, die aber auch einiges verbindet. Die Beziehungen ihrer Länder sind angespannt wie lange nicht.

Von Thilo Kößler und Thielko Grieß | 04.07.2017
    US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump (links) und der russische Präsident Wladimir Putin
    US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin (dpa / picture alliance / Sven HoppeAlexey Druzhinin / Ria Novosti)
    Kapitel 1: Trumps Blick auf den russischen Präsidenten
    Selten ist einer ersten Begegnung zwischen zwei Staatschefs so entgegengefiebert worden wie dem Treffen zwischen Donald Trump, Washington, und Wladimir Putin, Moskau. Der kommende G20-Gipfel in Hamburg gibt die Kulisse ab für diese denkwürdige Premiere mit zwei Hauptdarstellern: den beiden mächtigsten Politikern der Welt. Der eine ist Ex-KGB-Mann und erfahrener Kremlchef. Machtbewusst und führungsstark. Der andere ein milliardenschwerer Unternehmer ohne große politische Erfahrung. Beide Präsidenten sind womöglich auf bisher noch ungeklärte Art und Weise miteinander verbunden. Denn nach den russischen Hackerangriffen auf die demokratische Parteizentrale im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf stellt sich nicht nur die Frage nach der Rolle, die Wladimir Putin dabei spielte. Sondern auch die Frage nach der Rolle Donald Trumps und seines Wahlkampfteams.
    Ein jüngst benannter Sonderermittler, mehrere amerikanische Geheimdienste und drei Untersuchungsausschüsse im Kongress sind damit beschäftigt, Licht in das Dunkel dieser Russland-Affäre zu bringen.
    Der Schatten der Russland-Ermittlungen
    Vor diesem Hintergrund dürfte diese Begegnung in Hamburg für Donald Trump zu einer Zitterpartie werden, sagt Angela Stent:
    "Ich denke, er wird den Schatten der Russland-Ermittlungen nicht loswerden. Er muss auf jeden Fall äußerst vorsichtig sein und jeden Eindruck vermeiden, dass er möglicherweise von den Russen manipuliert wird. Und das bedeutet für diese Begegnung - so oder so - eine völlig unvorhersehbare Dynamik."
    Ex-FBI-Chef Robert Mueller wird am 17.5.2017 zum Sonderermittler ernannt. Er soll die Verwicklung zwischen Russland und dem Trump-Team im US-Wahlkampf untersuchen.
    Ex-FBI-Chef Robert Mueller wird am 17.5.2017 zum Sonderermittler ernannt. Er soll die Verwicklung zwischen Russland und dem Trump-Team im US-Wahlkampf untersuchen. (imago / Zuma Press)
    Angela Stent ist Direktorin des Zentrums für Eurasische, Russische und Osteuropäische Studien an der Georgetown University in Washington, D. C. Sie verweist darauf, dass Donald Trump bereits im Wahlkampf um Russland und um die Gunst Wladimir Putins warb. Er sprach stets von einem Neuanfang und von einem "Deal", den er mit Putin anstrebe, um gemeinsam gegen den islamistischen Terror zu kämpfen.
    "If we can make a deal then we will quickly walk from the table."
    Trump will die Affäre kleinreden
    Als sich kurz vor den Präsidentschaftswahlen die Anzeichen verdichteten, dass russische Hacker in die Datenbanken der gegnerischen Demokraten eingedrungen waren und ihr Material über Wikileaks gegen Hillary Clinton in Stellung brachten, war es Donald Trump selbst, der den öffentlichen Verdacht auf sich zog: Er forderte Russland in einer Pressekonferenz auf, nach den verschwundenen E-Mails zu suchen, die Clinton in ihrer Zeit als Außenministerin gelöscht haben soll.
    "Russia, if you are listening: I hope you are able to find the 30.000 emails that are missing."
    Selbst als der politische Druck auf ihn weiter stieg, versuchte Trump – mittlerweile Präsident - die Affäre kleinzureden und immer wieder Russland in Schutz zu nehmen. Damit nicht genug, entschloss sich der Präsident dazu, FBI-Chef James Comey zu feuern – den Chefermittler in der mittlerweile als "Russiagate" titulierten Affäre. Fortan war von Behinderung der Justiz der Rede. Und seither steht der Präsident persönlich im Fokus der Ermittler.
    Wegen möglicher wirtschaftlicher Interessen wird ermittelt
    Auch hochrangige Republikaner fragen sich, warum der Präsident bis heute die russischen Cyberattacken in Zweifel zieht und den Fortgang der Ermittlungen in dieser Affäre eher misstrauisch verfolgt als sie aktiv zu unterstützen. Dieses Verhalten hat die Frage aufgeworfen, woraus sich die Affinität des amerikanischen Präsidenten zu Russland und Wladimir Putin eigentlich speist.
    Angela Stent von der Georgetown University in Washington macht drei Motive aus.
    "I think there´s no doubt that there are business connections."
    Michael Flynn schaut bei einer Pressekonferenz seitlich in die Kameras. 
    Sicherheitsberater Michael Flynn musste zurücktreten. Ihm wurden zu enge Kontakte zu Russland vorgeworfen (dpa-picture-alliance/Ron Sachs)
    Obwohl Donald Trump geschäftliche Kontakte nach Russland weit von sich weist, sieht Angela Stent zweifelsfreie Belege für wirtschaftliche Interessen. Sie sind längst auch Gegenstand der Ermittlungen. Des Weiteren hege Donald Trump eine große Bewunderung für starke Führungspersönlichkeiten wie Wladimir Putin, weil er sein Land fest im Griff habe.
    "President Trump admires strong leaders."
    Das Primat der Souveränität des Nationalstaats
    Und zu guter Letzt gebe es auch ein politisches Motiv, mit dem sich Trumps tiefe Abneigung gegen alle multilateralen Verträge und Institutionen erklären lasse: Wie Putin glaube Trump an das Primat der Souveränität des Nationalstaates, das nicht durch internationale Verpflichtungen beschnitten werden dürfe. Angela Stent macht hier geradezu politische Symmetrien zwischen Donald Trump und Wladimir Putin aus, wie sie sagt.
    "I think that there is a symmetry there between what President Putin has said and what I believe President Trump believes."
    Angela Stent spricht von einem Gleichklang der Überzeugungen und Interessen. Vor diesem Hintergrund sei Donald Trump bis heute davon überzeugt, dass eine Verständigung mit Putin möglich sei. Und zwar trotz aller politischen Hindernisse und Brüche, die sich jüngst erst wieder etwa im Syrien-Konflikt zeigten.
    Kapitel 2: Die russische Sicht
    Der russische Präsident Wladimir Putin unterscheidet sich von seinem Gegenpart in Washington insbesondere in einem Punkt: Während der Amerikaner sein Land über Twitter regiert, führt der Russe dort kein offizielles Konto. Trotzdem liebt es auch der Kreml-Chef, pointiert zu formulieren. Wie Donald Trump verfügt Wladimir Putin über die Gabe, eine Bühne für sich einzunehmen. Weniger allerdings im Stil eines Volkstribuns, sondern eher auf Art eines weit ausholend argumentierenden Politikers, der seine Worte nadelstichartig zuspitzt – mit Vorliebe gegen die Vereinigten Staaten.
    Anschauungsbeispiel war jüngst ein Auftritt während des Internationalen Wirtschaftsforums in Sankt Petersburg. Breiten Raum nahm, wie so häufig, das Verhältnis Russlands zu den Vereinigten Staaten ein. Mehrfach formulierte der Präsident rhetorische Angriffe gegen Washington. Russland habe seit Jahren damit zu tun, selbstgerechte amerikanische Einmischungen in seine inneren Angelegenheiten abzuwehren.
    Immer sind die Russen schuld
    "Sie sind einfach in unsere Innenpolitik gekrochen, haben sich auf unseren Kopf gesetzt, lassen die Beine baumeln und kauen Kaugummi. Sie amüsieren sich einfach. Das ist eine systematische, grobe, absolut rücksichtlose Einmischung über Jahre hinweg in unsere Innenpolitik, unter anderem auch von Seiten der Diplomatie. Hören Sie auf damit. Dann wird es für Sie leichter und für uns auch."
    Russlands Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen mit Italiens Premierminister Paolo Gentiloni in Sotschi.
    Russlands Präsident Wladimir Putin findet, der Westen mache es sich zu leicht, die Schuld immer in Moskau zu suchen. (imago stock&people)
    Die USA und der Westen machten es sich zu leicht damit, das Böse stets in Moskau zu vermuten. Unter dem Beifall weiter Teile des Publikums zog Putin in Sankt Petersburg diesen Vergleich:
    "Die Russen sind schuld – sie haben sich in die Wahlen eingemischt! Aber wir sind gut. – Das erinnert mich an Antisemitismus: An allem sind die Juden schuld. Selbst ist man zwar ein Schwachkopf, ist zu nichts in der Lage, aber schuld sind die Juden! Wir wissen allerdings, wohin solche Stimmungen führen. Sie enden nie mit etwas Gutem."
    Angebote zur Zusammenarbeit
    Daraus leitet Putin seine Politik der Stärkung Russlands ab. Moskau lasse sich von niemandem, von Washington schon gar nicht, vorschreiben, was es zu tun und zu unterlassen habe.
    Und doch bilden Vorwürfe und Provokationen nur einen Teil der regierungsamtlichen Rhetorik des Kremls. Ein anderer Teil besteht in Angeboten zur Zusammenarbeit.
    "Ich bin davon überzeugt, dass eine Normalisierung den Interessen beider Länder entspricht. Und wir setzen den Dialog mit dem neuen Präsidenten der USA, Herrn Trump, und der neuen Administration fort. Aber um Erfolg zu erzielen, brauchen wir eine ernsthafte Anstrengung von beiden Seiten. Das verlangt natürlich politischen Willen und die Bereitschaft zur Lösung von Fragen, die im praktischen Interesse beider Seiten liegen."
    USA sollen Russland als globale Macht anerkennen
    "Normalisierung" oder auch "Dialog" sind Begriffe, hinter denen die Erwartung und der dringende Wunsch Moskaus stehen, von den USA als globale Macht anerkannt zu werden. Das soll nun mit Donald Trump gelingen, dem Russland seit Monaten Vorschusslorbeer sendet: Trump selbst wird von allen Angriffen ausgenommen. Wenn sich beide in Hamburg beim G20-Gipfel treffen, könnten sie entdecken, wie gut sie persönlich miteinander auskommen, sagt Walerij Solowej, Politologe am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen, und langjähriger Kenner der Kreml-Politik.
    Archivbild: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin sprechen miteinander am 13.07.2014 in Rio de Janeiro (Brasilien).
    Angela Merkel und Wladimir Putin Im Juli 2014. Putin ist ein Machtpolitiker, der auch charmant sein kann. (dpa)
    "Erstens kann Putin Eindruck auf einen Menschen machen, kann ihn bezaubern. Er hat Charme, sogar Charme auf der professionellen Ebene. Zweitens könnte es sein, dass sich Trump und Putin in ihrem psychologischen Grundmuster ähneln: Sie sind beide Machos, die im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen wollen, die überraschende Dinge tun und exzentrische Erklärungen abgeben. Die russische Seite hofft darauf, dass all das beim persönlichen Treffen funktioniert. Man nennt das Magie."
    Stichhaltige Beweise fehlen
    Möglich also, dass sich beide Präsidenten im vertraulichen Gespräch einmütig bescheinigen: Für die russischen Hackerangriffe im US-amerikanischen Wahlkampf gebe es nach wie vor keine endgültigen Beweise. Daran erinnerte Putin unlängst, unter Verweis auf den früheren sowjetischen Geheimdienst KGB, bei dem er einst arbeitete:
    "In den amerikanischen Dokumenten stehen nur Vermutungen und Schlussfolgerungen aus diesen Vermutungen. Das ist alles! Aber erst, wenn es etwas Konkretes gibt, können wir darüber diskutieren. Wie man bei der Organisation, bei der ich früher gearbeitet habe, gesagt hat: ‚Adresse, Treffpunkte, Namen‘. Wo bitte ist das alles?"
    Kapitel 3: Donald Trump und die Russland-Affäre
    Schaut man in die müden Augen dieses freundlichen, aber ziemlich erschöpften Mannes, dann bekommt man eine ungefähre Vorstellung davon, welche Dimensionen die Russland-Affäre mittlerweile angenommen hat.
    "It's an all-consuming job. I'm the White House bureau chief for The Washington Post."
    Philip Rucker ist Leiter des Korrespondentenbüros der "Washington Post" im Weißen Haus. Er ist nicht nur mit der täglichen Berichterstattung aus dem US-amerikanischen Machtzentrum beschäftigt – sondern auch mit den investigativen Recherchen seiner Zeitung.
    Auf der Suche nach der "smoking gun"
    "Ich kann noch ruhig schlafen. Aber man ist doch immer irgendwie hellwach und sucht nach Neuigkeiten, rätselt über die Tweets des Präsidenten und ist immer auf Trab. Trotzdem: Ich würde jetzt nichts lieber tun als genau das. Es ist ein wahnsinnig aufregender Job."
    Journalisten fotografieren US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihren Smartphones.
    Journalisten fotografieren US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihren Smartphones. (picture alliance / Michael Kappeler / dpa)
    Philip Rucker, dieser bedächtige, umsichtige und stets korrekt gekleidete Chefkorrespondent, hat die Russland-Affäre mit immer neuen Enthüllungen vorangetrieben - stets auf der Suche nach der "smoking gun": Dem rauchenden Colt, der als untrüglicher Beweis dafür dienen könnte, dass Donald Trump persönlich im Wahlkampf die Fäden gezogen hat, um gemeinsam mit russischen Hackern seine demokratische Rivalin Hillary Clinton auszuschalten.
    "Nach allem, was wir bisher wissen, gibt es diesen rauchenden Colt nicht. Es gibt nicht den geringsten Beweis, dass Präsident Trump persönlich mit den Russen unter einer Decke steckte."
    Keinen Beweis für eine direkte Zusammenarbeit
    Aber über welch intensive Russland-Kontakte etliche Mitarbeiter seines Teams verfügten und wie es Donald Trump gelang, diese erst in höchste Wahlkampfämter und später sogar ins Weiße Haus zu holen - das findet auch Philip Rucker bemerkenswert. Doch auch hier gibt es einen "missing link", eine Beweislücke, die nicht nur Sonderermittler Robert Mueller zu schließen versucht. Sondern natürlich auch die "Washington Post". Gab es also eine direkte Zusammenarbeit zwischen dem Trump-Team und den russischen Hackern?
    "Wir haben bisher keinen zugänglichen Beweis, dass es eine direkte Zusammenarbeit zwischen den Russen und dem Trump-Team gegeben hat. Wir wissen auch nicht, ob es finanzielle Deals gegeben hat zwischen den Beteiligten oder ob das Trump-Team bei den Cyber-Attacken geholfen hat."
    Sonderermittler Mueller verfügt mittlerweile über eine ganze Liste möglicher Zeugen, die er befragen möchte.
    Lobbyarbeit für die türkische Regierung verschwiegen
    Da ist zum Beispiel Michael Flynn, ein ehemaliger General. Er war erst Wahlkampfberater Donald Trumps, dann sein Nationaler Sicherheitsberater im Weißen Haus. Allerdings nur 24 Tage lang – dann konnte Trump ihn nicht länger halten. Michael Flynn hatte Lobbyarbeit für die türkische Regierung verschwiegen. Und Einkünfte aus Vortragstätigkeiten in Russland verheimlicht. Fotos zeigen ihn als Tischnachbarn Wladimir Putins.
    "Schon sehr früh hatte Michael Flynn großen Einfluss auf das Russland-Bild des Präsidenten, auf seine Weltsicht und die Politik der gesamten Administration."
    Trumps ehemaliger Wahlkampfchef Paul Manafort steht am 22. Juni 2016 vor amerikanischen Flaggen in einem Hotel in New York City.
    Trumps ehemaliger Wahlkampfchef Paul Manafort. (imago stock&people)
    Neben Michael Flynn gilt auch Paul Manafort als Schlüsselzeuge in dieser Affäre. Er war Wahlkampfchef von Donald Trump, bis auch er wegen seiner dubiosen Russland-Kontakte und -Geschäfte seinen Hut nehmen musste. Manafort hat erst in diesen Tagen beim US-Justizministerium seine Lobbyisten-Tätigkeit in russischen Diensten angezeigt. Wusste Trump das nicht? Wollte er es nicht wissen? Oder brauchte er vielleicht genau diese Expertise? Das wäre ein Grund, weshalb Trump möglicherweise versuchte, die Ermittlungen zu behindern. Auch das untersucht Sonderermittler Robert Mueller. Und muss dabei aufpassen, sagt Philip Rucker von der Washington Post.
    Eine Belastung für die erste Begegnung
    "Mueller muss sehr vorsichtig vorgehen: Er muss sorgfältig und unabhängig ermitteln und darf unter keinen Umständen Entscheidungen treffen, die einen Vorwand liefern könnten, um ihn und sein Team aus dem Amt zu entfernen."
    Donald Trump hat dem Vernehmen nach schon darüber nachgedacht, nach dem FBI-Chef nun auch Sonderermittler Mueller zu entlassen. Das wäre ein riesiger Skandal, sagt Philip Rucker. Und ein weiterer Anlass, um eine Untersuchung wegen Behinderung der Justiz einzuleiten.
    Sicher ist: Diese Affäre liegt wie ein Schatten über der Präsidentschaft Donald Trumps. Und sie wird auch eine Belastung bei der ersten Begegnung zwischen dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten sein.
    Kapitel 4: Russlands schwieriges Verhältnis zu den USA
    In Moskau ist keinem politisch Interessierten entgangen, wie wenig sich in den Beziehungen mit Washington auch seit dem Amtsantritt Donald Trumps bewegen lässt. Seit Monaten herrscht verkrampfter Stillstand. Politische Beobachter greifen längst zu einem Beschreibungsschema, das Jahrzehnte alt ist.
    "Ich schätze es so ein, dass die Beziehung wirklich schlecht ist. Das ist echter Kalter Krieg."
    Resümiert Dimitrij Trawin von der Europäischen Universität St. Petersburg, eine von wenigen akademischen Einrichtungen in Russland, die sich wissenschaftliche Freiheit bewahren kann. Die Lobpreisung der neuen Verhältnisse in Washington endete in Moskau über Nacht, nachdem Trumps Sprecher die Rückgabe der Krim an die Ukraine gefordert hatte. Wladimir Putin dürfte es auch als schlechtes Signal verstanden haben, dass sogar sein ukrainischer Widersacher, Petro Poroschenko, noch vor ihm einen Termin im Weißen Haus bekommen hat, meint Politikbeobachter und Ökonom Trawin.
    Moskau bleibt weiter geduldig
    "Wenn Russland ein wichtiger Partner wäre, dann hätte sich Trump natürlich darum bemüht, sich früher mit Putin zu treffen. Aber dass er sich nun erst mit Poroschenko getroffen hat, unterstreicht besonders die unbedeutende Rolle Russlands in der amerikanischen Politik."
    Demonstranten am 26. März in Moskau, Russland. Oppositionspolitiker und Kremlkritiker Alexej Nawalny hatte zu Straßenprotesten gegen Korruption in Russland aufgerufen.
    Demonstranten am 26. März in Moskau, Russland. Oppositionspolitiker Alexej Nawalny hatte zu Straßenprotesten gegen Korruption in Russland aufgerufen. (AFP / Alexander Utkin)
    Trotz der abweisenden Signale aus Washington bleibt Moskau geduldig. Trump, so heißt es landauf landab, sei wegen des russlandfeindlichen Klimas in den US-amerikanischen Eliten nicht frei genug, sich auf Russland zuzubewegen. Wladimir Putin wird derweil nicht müde, die Felder zu umreißen, in denen er sich eine Zusammenarbeit vorstellen kann: Dazu zählt der sogenannte Kampf gegen den Terror, aber nicht nur.
    "Sollte uns die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, darunter Atomwaffen, im Bereich der Sicherheit nicht vereinen? Wenn wir uns auf diese positive Seite unserer Zusammenarbeit konzentrieren, wird sich die Welt ohne Zweifel zum Guten verändern."
    Abgeschnitten von den internationalen Kapitalmärkten
    Zusammenarbeit bedeutet nach Putins Lesart: Die Großmächte der Welt, zu denen Russland gehört, gestalten ihre Politik bilateral und stecken ihre Interessensphären ab. Die Interessen kleinerer Länder fallen dabei weniger ins Gewicht. Da auch Donald Trump diesem Politikstil zuneigt, könnte dies die Basis für einen Deal bilden, der das Interesse des Geschäftsmanns Trump weckt, meint Nikolaj Slobin. Der Politologe hat unlängst ein Buch über die Regierungsmannschaft im Weißen Haus veröffentlicht. Putin müsse sich darum bemühen, Russland als ein Land darzustellen, …
    "… das den Vereinigten Staaten Stabilität und globale Sicherheit verkauft. Während das Spielfeld in punkto Wirtschaft sehr groß ist und es darin sehr viele Partner gibt, ist dagegen in der globalen Sicherheit Russland für die USA ein einzigartiger Partner."
    Einzigartig sei Russland wegen seiner Lage zwischen Europa, Asien und der Arktis und wegen seiner Präsenz im Nahen Osten, in Syrien. Könnte Moskau Washington etwas Nutzbringendes anbieten, ließe sich im Gegenzug möglicherweise darüber verhandeln, die US-Sanktionen gegen Russland aufzuheben, meint Slobin. Dabei hat der Kreml vor allem die Sanktionen im Blick, die Russland von den internationalen Kapitalmärkten abschneiden und Investitionen im eigenen Land drastisch verteuert haben.
    Russland steht am Anfang einer ernsten politischen Krise
    Auf dem Spiel stehe aus Sicht des Kremls aber nicht allein die schleppende ökonomische Modernisierung, argumentiert Kreml-Kenner Walerij Solowej.
    "Die Situation in Russland ist längst nicht so stabil. Es gibt im Innern große Risiken. Diese Risiken hängen mit der verschleppten Krise und mit Veränderungen des gesellschaftlichen Bewusstseins und des politischen Verhaltens zusammen. Ich spreche von den Massendemonstrationen im März und Juni. Sie haben beispiellos viele Städte erreicht. Ich würde sehr vorsichtig vermuten, dass wir in Russland am Anfang einer ziemlich ernsten politischen Krise stehen. Dann haben wir nicht unendlich viel Zeit um abzuwarten. Alles kann sich sehr schnell ändern."
    Dabei ist nirgendwo zu erkennen, was der Kreml konkret anbieten will. Krim-Rückgabe? Niemals, heißt es in Moskau. Frieden in der Ostukraine? Zuerst müsse sich Kiew bewegen. Assad fallen lassen? Daran sei jetzt nicht zu denken. An Wünschen und Themen herrscht also zwischen beiden Mächten kein Mangel.
    Doch die Kontakte sind dünn, die Spielräume auf beiden Seiten eng. So kann es bereits als Erfolg gelten, dass sich Donald Trump und Wladimir Putin in Hamburg zum ersten Mal persönlich begegnen. Ob es dazu kommen wird, war lange unklar. Nun bestätigten es die Regierungszentralen in den Hauptstädten. Selbst solch begrenzte Eintracht war zuletzt selten.