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Entschleunigtes Essen
Der Trend zu mehr Genuss

Keine Zusatzstoffe, regional produziert und fair bezahlt. Das ist das Prinzip von Slow Food. Mittlerweile ist aus der Liebe zum guten Essen eine ganze Bewegung geworden. Das Problem: Die Produkte sind oft teuer und nicht immer verfügbar. Aber das muss nicht sein, wie Hersteller auf der Slow-Food-Messe in Stuttgart erklären.

Von Thomas Wagner | 01.04.2016
    Obst und Gemüse liegen um einen Teller Nudelsuppe.
    Obst und Gemüse liegen um einen Teller Nudelsuppe. (imago / BE&W)
    "Salami mit Rotwein, mit Trüffeln, Ziegenkäse."
    Messegelände Stuttgart, Halle 7.1: Wie das duftet:
    "Nach Salami, nach Käse, Ölen." - "Nach Gewürzen. Hier riecht's nach Pasta."
    Über dem Eingang steht: "Markt des guten Geschmacks: Die Slow-Food-Messe". Slow-Food?
    "Es ist Essen, für das man sich Zeit nimmt. Und weil man sich Zeit nimmt, auch auf Qualität achtet." - "Also eher dem Natürlichen entsprechend. Ja nicht so fabrikmäßig hergestellt." - "Erst mal das 'Slow': In Ruhe genießen. Ausgesuchte Zutaten: Man weiß, wo's herkommt."
    Damit liegen diese Messebesucher nicht so ganz falsch.
    Handgemacht statt industriell
    "Slow Food ist eine weltweite Bewegung von Menschen, die sich für gutes Essen interessieren, die sich für qualitätvolles Essen interessieren."
    So Ursula Hudson, Vorsitzende des Verbandes Slow Food Deutschland e.V.. Und was unter 'gutem, qualitätsvollem Essen' genau zu verstehen ist, steht in den Kriterien, an die sich alle 500 Aussteller der Stuttgarter "Slow Food"-Messe halten müssen:
    "Da steht die traditioneller Verarbeitung im Vordergrund. Das heißt, wir versuchen hier wirklich eine Trennlinie zu ziehen zwischen wirklich handwerklicher und ehrlicher Produktion und solche, die sozusagen die Helferchen der industriellen Produktion nutzen."
    Ausgeschlossen werden beispielsweise Lebensmittel mit Zusatzstoffen.
    "Was eigentlich die Produktion erleichtert, aber nicht notwendigerweise den Geschmack."
    Die Lebensmittel-Herstellung in kleinen Strukturen abseits großer Fabriken ist ein wesentliches Slow-Food-Kriterium, ebenso ein fairer Preis, von dem auch die Erzeuger etwas haben. Und, ganz wichtig: Slow Food kann nur das sein, was in jener Region blüht und gedeiht, in der der Verbraucher auch zuhause ist.
    "Ein gutes Lebensmittel in Madagaskar ist möglicherweise ein Fischrogen. Ein gutes Lebensmittel in der Sahara ist Kamelmilch. Und ein gutes Lebensmittel hierzulande sind Linsen und Spätzle."
    Oder eine simple Wurst.
    "Das Besondere an der Herstellung der nordhessischen Ahlenwurst ist die sogenannte Warmverarbeitung. Das heißt: Das Tier wird bei uns als lebendes Tier gekauft, wird bei uns geschlachtet und am selben Tag verwurstet die fertig."
    Und damit wird die Wurst zur "Slow-Food"-Wurst. Denn durch die Warmschlachtung kommt Metzger Rainer Manz aus dem nordhessischen Teichhof ohne künstliche Konservierungsstoffe aus. Pfeffer, Salz, ein wenig Zucker, eingelegter Knoblauch - das reicht. Der Haken dabei: Die Würste von Rainer Manz sind glatt mal doppelt so teuer wie die Waren aus dem Supermarkt. Und dennoch: Die Nachfrage nah seinem Angebot steigt, freut sich Manz.
    "Dem Verbraucher wird bewusst gemacht, was Slowfood für einen Hintergrund hat. Man geht weg von dem Discounter, achtet mehr auf die Inhaltsstoffe, Zusatzstoffe."
    "Eigentlich ist es sinnvoll, wenn man wieder traditionelle Herstellermethoden verwendet. Und vielleicht keine langen Transportwege. Qualität hat seinen Preis. Und wenn ich jetzt beim Discounter etwas Billiger kaufe, was nicht schmeckt, oder etwas Hochwertiges, dann lieber besser und weniger."
    So Messebesucher Alfred Henne - und weiss sich mit seiner Meinung in guter Gesellschaft.
    "Also ich würde Ihnen ein wunderschönes Demeter-Roastbeef empfehlen. Mit Rostkartoffeln dazu."
    Joachim Latsch betreibt im Stuttgarter Westen ein Biorestaurant - und profitiert vom "Slow Food"-Trend.
    "Das hat damit zu tun, dass immer mehr Menschen eine eigene Betroffenheit erleben. Das heißt: Viele Menschen haben Allergien, Unverträglichkeiten."
    Argumente der Gegner
    Folge: Der Umstieg auf nachhaltige Produkte, das Nachdenken über die Beschaffenheit der Lebensmittel. Und genau das will die Slow-Food-Bewegung: Den Verbraucher aufrütteln - und kleinteilige statt industrieller Lebensmittel-Produktionslinien fördern. Klein-Schlachthöfe statt Fleischfabriken, regionale Mühlen statt riesiger Mehl-Hersteller – das ist die Forderung des Verbandes Slow-Food-Deutschland e.V.-Gegner wenden ein, mit derart kleinteiliger Produktion könnten längst nicht alle Menschen satt gemacht werden - ein Irrtum, meint die Verbandsvorsitzende Ursula Hudson. Denn viele Kosten der industriellen Lebensmittelproduktion würden auf die Gesellschaft abgewälzt.
    "Wer zahlt dafür, dass die Grundwasserbrunnen in Niedersachsen zu hohen Kosten gereinigt werden müssen? Wer zahlt dafür, dass die Böden immer unfruchtbarer werden? Das machen alle wird. Und dieses sind billige Lebensmittel."
    Slow Food als Schnäppchen
    Würden all diese Kosten auf die Industriemäßig hergestellten Lebensmittel umgeschlagen, dann werde, so Ursula Hudson, das derzeit noch teure Slow Food zum regelrechten Schnäppchen:
    "Dann wäre so ein qualitativ hochwertiges ökologisches Stück Fleisch, eine Öko-Karotte oder eine Demeter-Karotte – die würden sich im Regal freuen, weil sie viel billiger wären."