Grünen-Politikerin Emilia Fester

Ersti-Woche im Bundestag

06:26 Minuten
Eine junge Frau blickt breit lächelnd in die Kamera. Sie trägt ein blau-weiß gemustertes T-Shirt, einen Schal und eine blaue Jacke und steht vor einem historischen Gebäude. Es handelt sich um die Politikerin Emilia Fester.
Emilia Fester ist zwar erst 23 Jahre alt, hat aber schon mehrere Jahre Erfahrung als Politikerin: In Hamburg hat sie den Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen mitverhandelt. © Manfred Götzke
Von Manfred Götzke · 21.10.2021
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Der Bundestag hat sich deutlich verjüngt – und mit 23 Jahren ist Emilia Fester die jüngste Abgeordnete im neu gewählten Parlament. Deshalb erfährt die Grüne viel Medienaufmerksamkeit. Sie muss sich selbst aber auch erstmal orientieren.
Ein Bild brauch ich noch, sagt der Kameramann vom NDR. Emilia Fester steht auf der Brüstung im Foyer des Jakob-Kaiser-Hauses, dem Abgeordnetenhaus gleich neben dem Reichstag, winkt dem Kameramann zu und dreht sich kokett um die eigene Achse. Schließlich brauchen die Kollegen vom NDR nette, beschwingte Bilder für ihren Beitrag – über die jüngste Abgeordnete im neuen Bundestag, gerade mal 23 Jahre alt.
Es ist kurz nach zehn an diesem Dienstagmorgen. Emilia Fester ist schon seit zwei Stunden mit dem Fernsehteam unterwegs. Mal wieder, erzählt sie:
"Ich hab ja gar nicht damit gerechnet, dass ich die Jüngste bin. Ich weiß, dass ich sehr jung bin für eine Abgeordnete. Und Jugendpolitik und die Repräsentation von jungen Menschen ist auch das, wofür ich angetreten bin. Aber dass ich die Jüngste bin, hat für ein riesiges Medienecho gesorgt."

Warmlaufen für neue Aufgabe

Zweimal hat die Frau mit dem breiten Lächeln den Interviewtermin absagen müssen: Es gibt einfach zu viele Medienanfragen. Und das alles noch zusätzlich zum ganz normalen Chaos, den ein Bundestagsneuling zu bewältigen hat: Fraktionssitzungen, Einstellungsgespräche für ihre neuen Mitarbeiter – und Workshops, in denen neuen Abgeordneten erklärt wird, wie der Hase hier im Bundestag läuft.
"Die erste Woche hat sich so ein bisschen angefühlt wie die Ersti-Woche im Studium", sagt Fester. "Und jetzt ist es halt so wie die erste Zeit, wo man noch die Wege erkunden muss, die Leute kennenlernen muss. Ich hab noch kein eigenes Team, ich habe eine Person, die mich bei der Presse unterstützt – und ansonsten bin ich noch auf mich allein gestellt."
Der Fernsehdreh ist vorbei. Wir gehen durch das weitläufige Jakob-Kaiser-Haus – den Bau aus Glas, Sichtbeton und edlem Holz.
"Die Räumlichkeiten sind ja sehr stark verbunden mit der Aufgabe, die ich hier habe: die Jugend zu vertreten, in einem Gebäude das eher gemacht ist für eine ältere Politik", sagt Fester. "So kommt es mir zumindest vor, wenn ich hier durch die Gänge stromere, es ist alles sehr Ehrfurcht erbietend, sehr groß. Es ist ein großes altes Gebäude, in dem man sich erstmal auskennen muss."
Fühlt man sich da auch manchmal klein? "Ja, und gleichzeitig fühlt sich die Aufgabe sehr groß an."

Mit Rucksack und Laptop unter der Reichstagskuppel

Im dritten Stock haben die Grünen-Abgeordneten ihre Büros. Mit schnellen Schritten steuert sie einen kleinen Konferenzraum der Fraktion an – hier könnten wir in Ruhe reden, sagt die 23-Jährige, die bis vor kurzem frauenpolitische Sprecherin der Grünen in Hamburg war. Ein eigenes Büro hat die neu gewählte Bundestagsabgeordnete noch nicht. In ihrem künftigen Büro sitzen noch die abgewählten CDU-Abgeordneten. Bis Ende Oktober. Und so ist sie einmal im Büro eines älteren Grünen-Abgeordneten untergekommen, in einer Art Zweck-Büro-WG.
"In der Regel habe ich immer so einen ganzen Rucksack dabei mit Laptop und Unterlagen und Dingen, an denen ich arbeiten muss", erzählt Fester. "Und dann die ganze Zeit mit so einem Reiserucksack durch den Bundestag zu gehen – fühlt sich noch nicht an wie angekommen."
In weißen Sneakers, Jeans und blauer Trainingsjacke würde man eher erwarten, ihr im Hörsaal zu begegnen, und nicht auf den blauen Sesseln im Reichstagsgebäude. Doch die Erwartung täuscht. Auch wenn Fester noch jung ist: Neben ihrer Arbeit als Regieassistentin im Jugendtheater ist sie schon seit Jahren vor allem Politikerin.

Mehr Generationengerechtigkeit als wichtiges Thema

Vor drei Jahren war sie Sprecherin der Grünen Jugend in Hamburg, vor einem Jahr hat sie den Koalitionsvertrag in der Hansestadt mit ausgehandelt und sich vor der Bundestagswahl einen sicheren Listenplatz erkämpft. Jetzt will sie vor allem eins machen: Jugendpolitik.
"Das ganze Spektrum von Generationengerechtigkeit, einen intakten Planeten zu hinterlassen, bis zu den spezifischen jugendpolitischen Themen wie Absenkung des Wahlalters, dass Leute unter 18 wählen dürfen. All das ist es, wofür ich angetreten bin, das würde ich gerne verfolgen."

Emilia‚ oder 'Milla' Fester, wie sie sich gerne nennt, wirft sich ihre Jacke über. Zeit für einen kleinen gemeinsamen Spaziergang durchs Regierungsviertel. Hier, in ihrer neuen Zweitheimat.
"Ja genau, wir sind drei junge grüne Frauen, die jetzt zusammenziehen, in eine WG. Das hat auch viel damit zu tun, dass wir uns gegenseitig unterstützen wollen."

Mehr Zukunftsperspektiven sind machbar

Gemeinsam mit Touristen – mit Selfie-Sticks und Allwetterjacken ausgestattet – stehen wir vor dem übergroßen, ehrwürdigen Reichstagsgebäude.
"Was für ein eingestaubter Laden, oder? Da arbeiten wir dran, das zu verändern. Die Politik hat jetzt sehr lange bewiesen, dass sie den Status quo erhalten und verwalten kann. Aber was jetzt passiert in dem Moment, in dem ein Parlament so viel jünger ist, dadurch verjüngen sich auch die Diskussionen – und dadurch wird die Politik, das würde ich hoffen, ein wenig zukunftsgewandter."
Der jetzige Bundestag ist so jung wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Ob Veränderungen mit der Dreier-Ampel-Koalition aber so einfach zu erreichen sind? Seit das Sonderungspapier publik ist, ist sie da halbwegs zuversichtlich, nennt Beispiele.
"Kohleausstieg 2030, dass wir bei den Erneuerbaren weiterkommen, Wahlalter 16 hat einen Platz gefunden. Es gibt sehr viele Punkte, über die ich mich wirklich freue, dass sie drin sind. Bei anderen hat Robert Habeck schon gesagt: Da müssen wir jetzt kreativ werden."

Empörte Mails von Klimaaktivisten

Trotzdem hat sie in den letzten Tagen schon empörte Mails von Klimaaktivisten bekommen, erzählt sie. Was die Ampelkoalition vor habe, sei viel zu wenig.
"Ich verstehe die Enttäuschung, die da ist. Aber ganz ehrlich: Wir haben 15 Prozent bekommen. Und dafür ist das, was wir erreichen als grüne Partei, die sich Klimapolitik auf die Fahnen geschrieben haben, unfassbar viel – und dass sage ich auch allen, die sich bei mir melden – dass wir hart daran arbeiten mit den demokratischen Mechanismen, die uns in die Hände gelegt worden sind, als 15-Prozent-Partei – so viel zu tun wie geht."
Für mehr Klimaschutz möchte sie trotzdem demonstrieren. Und so wird sie am kommenden Freitag wieder hier vor dem Reichstagsgebäude stehen. Dann in der Menge – gemeinsam mit den Fridays-for-Future-Aktivisten.
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