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Physik
Teleskop am Ende der Welt

Physik. - Als am vergangenen Montag die Ergebnisse vorgestellt wurden, die Aufschlüsse über die Inflationsphase kurz nach dem Urknall liefern, hatte die dafür nötigen Daten über den kosmischen Mikrowellenhintergrund ein Teleskop namens BICEP 2 auf der Erde gesammelt. Das Problem: Eigentlich können Mikrowellen aus dem All kaum auf der Erde gemessen werden, da sie vom Wasserdampf in der Erdatmosphäre absorbiert werden. Am Südpol allerdings sind die Bedingungen günstig.

Von Franziska Konitzer | 23.03.2014
    Das Teleskop Bicep2 am Südpol
    Das Teleskop Bicep2 am Südpol (Steffen Richter/Harvard University dpa)
    Im Jahr 1957 wurde die Amundsen-Scott-Südpolstation errichtet. Von ihr aus wird seitdem Forschung in der Antarktis betrieben. Im Sommer können bis zu 250 Wissenschaftler in der Station wohnen. Allerdings: Der Sommer ist kurz.
    "Ja der Winter ist halt von Mitte Februar, also um den fünfzehnten Februar fliegt das letzte Flugzeug vom Südpol ab. Und das nächste Flugzeug kommt dann erst im Frühling sozusagen, was bei uns Ende Oktober, Anfang November wäre. Also es sind dann neun bis neuneinhalb Monate."
    Im Winter schrumpft das Personal der Station auf 50 Personen zusammen. Steffen Richter war schon oft einer davon. Insgesamt neun Winter hat er schon am Südpol verbracht. Der Ingenieur betreut als sogenannter "winterover scientist" die großen Experimente wie BICEP 2, dem jetzt die genaue Vermessung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds gelang – also die Reste jener Strahlung, die etwa 400.000 Jahre nach dem Urknall freigesetzt wurde und den Forschern wichtige Anhaltspunkte zur Entwicklung des Universums gibt. Für ein Mikrowellenteleskop wie BICEP 2 sind die Bedingungen am Südpol ideal:
    "Ja, bei uns am Südpol ist eigentlich das Wetter meistens schön. Und das ist auch einer der Gründe, warum wir da sind. Der Südpol ist ja relativ hoch, das liegt ja auf dem Eisplateau, circa 2800 Meter. Und das Wetter ist da oben relativ stabil."
    Während die sommerlichen Temperaturen bis zu minus 26 Grad Celsius betragen können, herrschen im Winter durchschnittliche Temperaturen von minus 60 Grad.
    "Es ist allerdings nicht sehr windig, es gibt im Jahr ein paar Tage wo man so über dreißig Knoten Wind hat, aber das ist relativ wenig. Es lässt sich eigentlich sehr gut da aushalten."
    Besonders wichtig für das Mikrowellenteleskop: Der Südpol ist einer der trockensten Orte der Erde. So stört kein Wasserdampf aus der Erdatmosphäre die Messungen, da dieser einen Großteil der Mikrowellenstrahlung aus dem All absorbiert. So konnte BICEP 2 das ganze Jahr über immer dasselbe Stück Himmel beobachten – gut gekühlt, denn Mikrowellenstrahlung ist Wärmestrahlung. Deshalb war es eine von Richters Aufgaben, das Teleskop mithilfe von flüssigem Helium auf wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt herunterzukühlen.
    "Einmal die Woche müssen wir auch dann entsprechendes flüssiges Helium von einem Gebäude zu unserem Teleskopgebäude mit dem Snowmobil rausbringen. Das ist circa einen Kilometer entfernt. Das muss halt bei jedem Wetter passieren, auch wenn es dann mal minus siebzig Grad sind. Das ist so die physische Komponente von der Arbeit."
    Die Beobachtungsdaten konnte Richter dann täglich per Satellit nach Nordamerika übermitteln, wo die Forscher schon auf sie warteten. 2012 war die Beobachtungszeit für BICEP 2 zu Ende. Anschließend folgten für die Arbeitsgruppe um John Kovac von der Harvard University Jahre der Datenanalyse. Die Wissenschaftler wollten sich wirklich ganz sicher sein, bevor Kovac in einer Pressekonferenz am vergangenen Montag verkünden konnte:
    "Heute berichten wir über die Entdeckung der B-Moden, die das BICEP-2-Teleskop beobachtet hat und die sehr gut mit dem vorausgesagten Muster übereinstimmen."
    B-Moden - hinter diesem Begriff steckt ein bestimmtes Muster, mit dem sich die Geschehnisse aus der Frühzeit des Universums in der kosmischen Hintergrundstrahlung durchgepaust haben sollen. Das Muster selbst wäre demnach noch viel älter als dieses früheste Licht: Es liefert Hinweise auf die Zeit wenige Sekundenbruchteile nach dem Urknall, als sich der Raum sehr schnell ausgedehnt haben soll. Hat es diese inflationäre Phase tatsächlich gegeben, müssen dabei Gravitationswellen entstanden sein, deren Spuren sich prinzipiell im kosmischen Mikrowellenhintergrund nachweisen lassen sollten. Und genau diese Spuren wollen die Forscher mithilfe des BICEP-2-Teleskops am Südpol nun entdeckt haben.