Dienstag, 30. April 2024

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Golden Globes 2020
"Ein Sieg für das Kino"

In der Nacht zum Montag hat die Auslandspresse in Hollywood zum 77sten Mal die Golden Globes für Kino- und TV-Produktionen vergeben. Großer Verlierer des Abends ist der Streamingdienst Netflix. In einem insgesamt starken Jahrgang gab es wenige Überraschungen, sagte Kritikerin Sigrid Fischer im Dlf.

Sigrid Fischer im Gespräch mit Kolja Unger | 06.01.2020
Rapperin Awkwafina freut sich über den Golden Globe
Ein Grund zum Jubeln: Als erste Asiatin gewinnt Awkwafina einen Golden Globe (www.imago-images.de / Jim Ruymen)
Die Hollywood Foreign Press Association vergibt jedes Jahr kurz vor den Oscars ihre Preise, die Golden Globes. Das heißt, etwa 90 internationale Journalisten, respektive Filmkritikerinnen und Filmkritiker, die in Hollywood arbeiten, ziehen Bilanz über das abgelaufene Jahr. Anders als bei den Oscars wird auch Fernsehen ausgezeichnet, vor allem Serien. Die Konkurrenz der Streamingdienste war dieses Jahr bei den Nominierungen besonders sichtbar, Netflix hatte mit 34 die Nase vorn, ging aber in den meisten Kategorien leer aus.
Kinofanatiker und Kriegsdrama
"Das Kino hat gewonnen", sagte Filmkritikerin Sigrid Fischer. Es sei ein extrem starkes Jahr gewesen mit dem neuen Film von Quentin Tarantino, "Once Upon a Time... in Hollywood", der zurecht einen Globe als beste Komödie gewonnen habe. Die Auszeichnung für das Kriegsdrama "1917" von Sam Mendes sei vor allem der Machart geschuldet, so Fischer. Wir folgen zwei britischen Soldaten in Echtzeit. Sam Mendes hat zwar geschnitten, aber es sieht eben aus, als sei der Film in einem Take gedreht. "Sam Mendes wünscht sich, dass man sich '1917' im Kino anguckt, nur da gehört der Film hin." Und Tarantino sei sowieso der größte Kinofanatiker, der auch inhaltlich mit diesem Film "Once Upon a Time... in Hollywood" das Kino feiere.
Zu den großen Verlierern zählt unter anderem Martin Sorsese, der "The Irishman" für Netflix produzierte, genauso wie Noah Baumbachs Ehedrama "Marriage Story". Filme, die so nur noch selten im Kino zu sehen sind. Den Streaming-Diensten komme schon deshalb eine wichtige Rolle zu, weil sie inzwiscchen diejenigen sind, die das Erzählkino finanzieren, so Fischer. Dennoch hätten die Streamer die rote Karte bekommen - die Auslandspresse in Hollywood halte offenbar dem klassischen Kino die Stange.
Bei den Darstellern und Darstellerinnen sind Joaquin Phoenix ("Joker") und Renée Zellweger ("Judy") zurecht ausgezeichnet worden - ihre Performance, so Filmkritikerin Sigrid Fischer, sei besser als die Filme, in denen sie mitspielen.
Diversität in Film und Serie
Mit Awkwafina hat erstmals eine asiatische Darstellerin einen Preis gewonnen - sie bekam ihn in der Sparte Komödie/Musical für die Rolle im Film "The Farewell". Und - schöne Überraschung - Ramy Youssef, Stand-up-Comedian, amerikanischer Muslim ägyptischer Herkunft, der den ersten muslimischen Serienhelden in "Ramy" spielt, der klischeefrei die inneren Konflikte thematisiert, wie man als amerikanischer Millenial ins Leben findet, wenn einem dauernd Moral, Glaube und Religion im Weg stehen, gerade wenn es um Frauen geht. "Ramy" sei eine witzige, kluge Miniserie bei Hulu, sagte Fischer. Ansonsten wurden vor allem Nachfolgestaffeln ausgezeichnet wie "The Crown" und "Fleabag". Und zwei politische Serien wie "Chernobyl" und "His Loudest Voice".
Hauptdarsteller Russell Crowe überbrachte einen Klimaappell aus seiner australischen Heimat, den Jennifer Aniston für ihn bei den Globes vorlas.