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Schreiende Kinder vor Gericht

Streit um Kinderlärm in Wohnvierteln gibt es in Deutschland immer wieder. In Berlin klagen Anwohner gegen einen ihrer Ansicht nach überdimensionierten Spielplatz. Heute beginnt das Verfahren vor dem Berliner Verwaltungsgericht.

Von Susanne Arlt | 07.05.2013
    Der Kinderspielplatz in Alt-Lankwitz liegt mitten in einer idyllischen Einfamilienhaussiedlung. Bäume und Büsche rahmen die mehr als 2.000 Quadratmeter Spielfläche ein. Eltern liegen entspannt auf dem Rasen, schauen den Kleinen beim Toben, Klettern und Rutschen zu. Vor zwei Jahren wurde der Spielplatz deutlich vergrößert und mit neuen Geräten ausgerüstet. Das Motto lautet jetzt: Cowboy und Indianer. Es gibt eine Sheriff-Hütte, Totempfähle, einen geschnitzten Indianer und vier Wigwams aus Holz. Der dreieinhalbjährige Benni kommt darum gerne mit seiner Mutter hierhin.

    "Weil ich den hier toll finde, weil es hier nur aufgeräumt ist."

    "Und was findest du hier noch toll?"

    "Die Rutsche da."

    Cornelia Künnemann zeigt auf eine Metallrutsche. Die inzwischen offene Rutsche bestand vor wenigen Wochen noch aus einer Metallröhre. Anwohner hatten sich darüber beschwert, dass sie beim Rutschen viel zu viel Lärm verursache, zumal die Kinder immerzu auf dem Metall herum trommeln würden. Cornelia Künnemann schüttelt den Kopf, kann die Kritik nicht verstehen. Auch nicht den Vorwurf einiger Anwohner, der Spielplatz sei zu groß und zu attraktiv gestaltet. Deshalb ziehe er jetzt zu viele Kinder aus dem Umland an.

    "Wir haben jetzt auch unseren Garten, wo er spielen könnte, aber es ist ja noch was anderes, wenn ich hier hingehe und mit meinem Kind Kontakte knüpfe oder in meinem Garten sitze und mich geht nix was an. Ich finde es nicht so sozial, ist doch viel schöner, ich gehe auf einen Spielplatz, mein Kind hat Kontakt mit anderen, da hat man doch viel mehr von."

    Ein weiteres Ärgernis: die Wasserpumpe. Birgit Kuchta hat sich ihre Schuhe ausgezogen, die Hosenbeine hochgekrempelt. Die 51-jährige Oma pumpt, was das Zeug hält, damit auch genügend Wasser durch die Holzrinne in den Sandkasten läuft. Sechs kleine Kinder sitzen dort quietschvergnügt im Matsch und bauen sich ihre Sandburg. Dass das Pumpen einigen Anwohnern zu laut ist, findet Brigit Kuchta lächerlich. In dieser Gegend habe es schon immer Bewohner gegeben, die sich über den Lärm spielender Kinder aufgeregt hätten, sagt sie. Auch als der Spielplatz noch viel kleiner war.

    "Ne Frechheit. Ich habe hier als Kind gespielt, ich wohne Alt-Lankwitz, wir haben hier immer gespielt. Aber wir hatten schon immer Theater mit die, wenn wir mal Fußball gespielt haben oder so, da war der Spielplatz nicht so schön. Kein Verständnis dafür."

    Direkt an den Spielplatz grenzt der Garten einer Anwohnerin, die ihren Namen lieber nicht nennen möchte. Seitdem bekannt ist, dass sie und zehn weitere Anwohner gegen die Vergrößerung des Spielplatzes geklagt haben, hagelt es Vorwürfe: Sie seien kinderfeindlich. Die Bewohnerin schüttelt den Kopf. Keiner der Kläger wolle, dass der Spielplatz wieder verschwindet. Er soll nur rückgebaut werden. An einem sonnigen Wochenende hat ihre Nachbarin Werte von bis 85 Dezibel in ihrem Garten gemessen. Etwa 75 Dezibel entsprechen dem Verkehrslärm einer befahrenen Straße. Sie störe vor allem die laute Wasserpumpe.

    "Dieses Kreischen beim Wasser. Das ist so etwas Unangenehmes. Wissen Sie, wir sind nicht gegen den Spielplatz, aber nicht in der Größe, dass so viele Menschen kommen."

    Als die Pläne über die Erweiterung des Spielplatzes vor drei Jahren bekannt wurden, habe man versucht, mit dem Bezirksamt ins Gespräch zu kommen. In einer Petition hätten die Anwohner frühzeitig auf die Probleme einer Überdimensionierung hingewiesen. Doch erhört wurden sie dort nicht. Laut dem Bezirksamt für Grünflächen sind mehr als 2.000 Quadratmeter Fläche für einen Kinderspielplatz nicht überdimensioniert. Percy Ehlert, Fachanwalt für Baurecht, weist jedoch darauf hin, dass bei der Planung die Einwohnerzahl in Alt-Lankwitz nicht berücksichtigt worden sei. Nach den Richtwerten des Berliner Spielplatzgesetzes sei der Spielplatz sehr wohl überdimensioniert.

    "Richtig ist, dass im Regelfall Lärm, der von Einrichtungen für Kinderlärm ausgeht, hinzunehmen ist. Und das ist auch gut richtig so, dafür gibt es gut Gründe. Aber diese Privilegierung hat eben eine Kehrseite, nämlich die Verantwortung dann des Bezirksamtes eine Einrichtung zu bauen, die sich nach Art, Maß und Größe in den Zusammenhang einfügt und darum hat sich Bezirksamt hier schlicht und einfach nicht geschert."

    Egal wie die Richter am Berliner Verwaltungsgericht heute entscheiden, der Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf hat inzwischen doch noch Gesprächsbereitschaft gegenüber den Klägern signalisiert.