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Islamische Mode in Frankreich
Zwischen Zeitgeist und Mittel zur Unterdrückung der Frau

Inzwischen hat auch die westliche Modebranche die strenggläubige muslimische Frau als potenzielle Kundin für sich entdeckt. Das stößt aber nicht nur auf Zustimmung. Die französische Ministerin für Frauenrechte etwa ist empört. Andere hoffen, dass der Islam dadurch vielleicht eher in der Gesellschaft akzeptiert wird.

Von Kerstin Gallmeyer | 01.04.2016
    Eine vollverschleierte Frau auf einer Straße in Frankreich
    Eine vollverschleierte Frau auf einer Straße in Frankreich (picture alliance / dpa / Jean Francois Frey)
    Eng anliegende Kopftücher mit Leo-Print oder bonbonfarbenen Blockstreifen. Oder ein Ganzkörper-Badeanzug, der nur Gesicht, Hände und Füße freilässt, wie ihn die britische Modefirma Marks & Spencer verkauft. Der sogenannte dreiteiligen Burkini in schwarz mit Blumenaufdruck ist für 62 Euro 95 auch auf der französischen Internetseite der Marke zu haben. Die westliche Modewelt hat nicht erst seit gestern einen neuen Markt aufgetan. So sieht es der Autor und Modeexperte Gerald Cohen. "Die Modeschöpfer besitzen Antennen und sie erspüren den Zeitgeist. Sie verkaufen das, was ihre Kunden nachfragen. Es geht darum, jemanden zu bedienen, den sie als Kundschaft für sich entdeckt haben."
    Und modebewusste muslimische Kundinnen sind froh über ein bisschen mehr Auswahl: "Es ist kompliziert, lange und weite Klamotten zu finden. In diesen Geschäften hier zum Beispiel gibt es nur kurze Sachen. Deshalb finde ich das gut."
    Ministerin für Frauenrechte empört
    Doch ganz so einfach ist das im Land des Laizismus nun einmal nicht, wo Staat und Religion strikt getrennt sind und ein Burka-Verbot herrscht, in dem aber auch die meisten Muslime in Europa leben. Die Ministerin für Frauenrechte, Laurence Rossignol, empörte sich im französischen Radio über die Modehäuser. Sie würden damit auf gewisse Weise Werbung für das Einsperren des weiblichen Körpers machen, so ihr Vorwurf: "Man kann nicht sagen, dass das banal oder harmlos wäre, wenn große Marken diesen Markt besetzen. Und am Ende ja die muslimischen Frauen dazu zwingen, das zu tragen. Es geht um den Druck, den sie auf sie ausüben. Von diesen Marken ist das unverantwortlich."
    Akzeptiert, weil wirtschaftlich rentabel
    Der Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten. Der Präsident der französischen Beobachtungsstelle für Islamfeindlichkeit warf der Ministerin eine Stigmatisierung muslimischer Frauen vor. Damit helfe sie am Ende sogar den Anwerbern des sogenannten Islamischen Staats. Der Rektor der Moschee von Bordeaux Tareq Oubrou sieht es pragmatisch – und kann sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen: "Was Politik, Theologie und Ideologie nicht hinkriegen, schaffen am Ende Wirtschaft und Handel. Sie besänftigen die Beziehungen zwischen den Menschen. Wenn der Islam wirtschaftlich rentabel wird, wird er auch mehr akzeptiert werden. Leider nicht weil die Gesellschaft offener wird, sondern weil es sich wirtschaftlich lohnt."
    Ob diese Rechnung aufgeht, wird sich in ein paar Jahren zeigen. Die Modebranche rechnet sich jedenfalls aus, dass sie ihren ohnehin Milliarden schweren Umsatz mit muslimischer Mode noch einmal um einiges steigern wird.