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Dieselgipfel
"In allererster Linie ist die Automobilindustrie gefordert"

Die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) sieht in der Diesel-Frage vor allem die Automobilindustrie in der Pflicht. Ihr Vorsitzender Karl-Josef Laumann sagte im Dlf, die Hersteller müssten nachrüsten und "sehr viel Geld in die Hand nehmen", um das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen.

Karl-Josef Laumann im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 01.10.2018
    Karl-Josef Laumann spricht in Köln beim Parteitag der CDU bei der Bewerbungsrede für die weiteren Mitglieder des Präsidiums der CDU.
    Karl-Josef Laumann, Bundesvorsitzender des Arbeitnehmerflügels der CDU, glaubt nicht, dass die Autohersteller ungeschoren davonkommen werden (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Dirk-Oliver Heckmann: Das Thema betrifft natürlich auch hunderttausende Arbeitnehmer, die mit ihren Fahrzeugen in die Innenstädte fahren. Am Telefon ist deshalb jetzt Karl-Josef Laumann, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Das ist der Arbeitnehmerflügel der CDU. Er ist außerdem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Land Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen, Herr Laumann!
    Karl-Josef Laumann: Schönen guten Morgen.
    Heckmann: Verkehrsminister Scheuer von der CSU, der setzt ja vor allem auf Kaufprämien, und die Autohersteller haben sich jetzt nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" darauf eingelassen. Bis zu 10.000 Euro soll ein Besitzer eines älteren Diesel erhalten. Ist das Ganze aber nicht eher ein Konjunkturprogramm für die Autohersteller?
    Laumann: Es ist ja nichts gegen Umtauschprämien zu sagen. Aber es muss auf der anderen Seite ja auch eine technische Nachrüstung geben. Schauen Sie, die Menschen haben oft jahrelang auf ein Auto gespart. Die brauchen das Auto, um zur Arbeit zu fahren. Wenn man heute im ländlichen Umfeld von Frankfurt wohnt, jeden Tag 70, 80 Kilometer zur Arbeit fährt, man arbeitet als Krankenschwester im Schichtdienst und man kann mit seinem Diesel, der immerhin 30.000 Euro gekostet hat, nicht mehr in die Innenstadt von Frankfurt fahren, dann ist das für diese Schwester eine schlimme Situation. Wir haben sehr viel Verunsicherung in der Arbeitnehmerschaft deswegen, aber bei allen Dieselfahrern, und deswegen ist es erst mal gut, dass heute Abend die Sache gelöst wird und man weiß, wo man dran ist.
    Aber das zweite ist: Man muss ja sehen, die Automobilindustrie hat einfach verkehrte Abgaswerte in die Kraftfahrzeugbriefe geschrieben, und das kann man auch Betrug nennen. Deswegen, finde ich, sind in allererster Linie natürlich diejenigen, die das gemacht haben, dran, auch ihre Kunden vor zu großem Schaden zu schützen. Das heißt, sie müssen nachrüsten und sie werden sehr viel Geld in die Hand nehmen müssen, um dieses Problem aus der Welt zu schaffen.
    "Hier ist die Automobilindustrie selber gefordert"
    Heckmann: Die Automobilindustrie ist aber nur bereit, 80 Prozent der Kosten zu übernehmen.
    Laumann: Es ist ja nicht die Frage, wozu sie bereit ist, sondern es kommt entscheidend darauf an, dass man hier eine vernünftige Lösung findet, und ich bin ganz sicher, dass sie auch mit diesen 80 Prozent nicht durchkommen werden, denn man kann ja nicht jemanden, den man betrogen hat, auch noch an den Kosten beteiligen. Deswegen muss es hier schon, zumindest da, wo uns Fahrverbote drohen, da wo die Menschen in der Mobilität dann auch bemüht sind, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen, eine vernünftige Lösung geben. Und ich sage noch einmal: Hier ist in allererster Linie natürlich die Automobilindustrie selber gefordert, dieses Problem aus der Welt zu schaffen.
    Heckmann: Sie nennen das Betrug und dass die Automobilindustrie alleine gefordert ist und vor allem gefordert ist. Das sieht die Industrie etwas anders, weil man sich ja an die geltenden Regeln gehalten habe. Die Grenzwerte sind ja auf den Prüfständen eingehalten worden und die Regelungen waren ja doch etwas zu schlecht in Form gebracht.
    Laumann: Es ist ja so, es kommt nicht darauf an, was auf den Prüfständen passiert, sondern was in der Umweltbelastung passiert. Wir müssen ja auch daran denken, dass die Bürger in den Innenstädten natürlich gesunde Luft haben müssen und dass die Abgaswerte eingehalten werden. Jeder weiß, dass die deutsche Automobilindustrie in dieser Frage große Fehler gemacht hat, ich finde auch über die Automobilindustrie hinaus der ganzen Marke Made in Germany schweren Schaden weltweit zugeführt hat, und ich kann mir hier eine Lösung, und auch niemand in Deutschland vorstellen, wo die Automobilindustrie ungeschoren aus dieser Sache herauskommt.
    Heckmann: Dass die Arbeitnehmervertreter sich jetzt via "Bild"-Zeitung zu Wort melden und vor Arbeitsplatzverlusten warnen, das irritiert sie nicht?
    Laumann: Das muss man auch im Auge haben. Ich weiß auch, dass die Automobilindustrie in Deutschland über 800.000 Menschen beschäftigt, und natürlich hat keiner ein Interesse daran, einen Niedergang der Automobilindustrie herbeizuführen. Aber auf der anderen Seite lesen auch die Menschen Zeitung, sehen die Gewinnlagen der Automobilhersteller, und ich sage noch einmal: Sie werden in erheblichem Umfange sich selber engagieren müssen, ihre Kunden letzten Endes auch wieder zufriedenzustellen und wieder Vertrauen herzustellen. Denn ich glaube auch, dass Automobilfirmen doch ein hohes Interesse daran haben müssen, dass die Menschen sich nicht von ihren Marken abwenden.
    "Man muss den Menschen Sicherheit geben"
    Heckmann: Die Grünen haben schon immer Hardware-Nachrüstungen gefordert. Auch die SPD ist dieser Meinung. Die CDU stand da immer auf der Bremse, ebenso wie der Verkehrsminister von der CSU, Herr Scheuer. Jetzt gibt es offenbar Bewegung auf Seiten vor allem der CDU und auch bei der CSU, das Ganze aber erst jetzt, wenige Wochen vor den wichtigen Landtagswahlen in Bayern und in Hessen. Wir wissen, in Frankfurt drohen Fahrverbote, und Ministerpräsident Bouffier hat sich jetzt auch massiv in die Diskussion eingeschaltet. Ist das Ganze nicht ein ziemlich durchsichtiges Wahlkampfmanöver, das die CDU jetzt erst auf die Idee kommt, Hardware-Nachrüstungen zu fordern?
    Laumann: Es ist sicherlich so, dass das Verkehrsministerium sich in dieser Frage so verhalten hat, wie Sie es geschildert haben. Aber in der Partei hatten wir immer eine Diskussion, dass die Automobilindustrie hier in erster Linie selber gefordert ist. Man kann das kritisieren, dass das jetzt so lange hin und hergegangen ist, aber man muss einfach die Interessen der Bürger sehen. Der Automobilmarkt in Deutschland ist ja nun auch für die deutschen Hersteller nicht ganz unwichtig. Ich sehe das Problem und man merkt das doch auch, wenn man mit Dieselfahrern redet, dass es wirklich einen richtigen tiefen Vertrauensbruch zu ihren Marken gegeben hat. Es gibt Menschen, die fahren fast ein ganzes Leben lang die gleiche Automarke, und die sind schon schwer enttäuscht, dass so etwas möglich war. Deswegen noch einmal: Man muss den Menschen Sicherheit geben. Sie müssen wissen, woran sie sind. Man muss immer denken, wie lange man sparen muss, um ein Auto zu kaufen, wenn man Normalverdiener ist. Dann weiß man auch, um was für wirtschaftliche Überlegungen es in diesem Bereich geht.
    Heckmann: Herr Laumann, die CDU scheint jetzt bereit zu sein, auch Steuergeld zu investieren, um da einen Kompromiss mit der Automobilindustrie auf der einen oder anderen Weise hinzubekommen. Weshalb aber soll der Steuerzahler für schwere Fehler beziehungsweise Betrügereien, wie Sie es gerade auch genannt haben, der Autohersteller zahlen?
    Laumann: Ich persönlich habe ja deswegen auch jetzt heute Morgen wieder gesagt, und wir haben ja auch am Wochenende eine große Bundestagung der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, wo wir ganz klar gesagt haben, hierfür soll kein Steuergeld eingesetzt werden, sondern es ist eine Aufgabe der Automobilindustrie, hier eine Lösung zu finden. Und da gibt es nur die Möglichkeit, dass man die Hardware verändert, oder dass man Umtauschprämien anbietet oder beides.
    Heckmann: Das heißt, Steuermittel schließen Sie definitiv aus?
    Laumann: Ich schließe gar nichts aus. Ich sitze nicht im Koalitionskreis. Aber aus meiner Sicht ist nicht der Steuerzahler dafür da, diese Probleme zu lösen.
    Heckmann: Und wenn es dann zu keiner Einigung mit der Automobilindustrie kommt? Was dann?
    Laumann: Das werden wir dann mal abwarten. Man muss ja nicht sofort jetzt alles vorwegnehmen. Ich glaube auch, dass die Automobilindustrie weiß, dass sie hier schwer unter Druck steht und dass es eine Lösung geben muss.
    Heckmann: Eine Lösung, über die jetzt monatelang und man kann sogar sagen jahrelang gestritten wurde. Heute will man endlich zu Ergebnissen kommen. Herr Laumann, können es sich die sogenannten etablierten Parteien leisten, so um sich selbst zu kreisen? Denn die Umfragewerte, die wir in den letzten Wochen gesehen haben, die sind ja verheerend für CDU/CSU und SPD.
    Laumann: Ich sehe das so: Wir müssen einfach die Probleme aufgreifen und sie lösen. Es ist ja kein Geheimnis und es merkt ja auch jeder, dass der Start dieser Großen Koalition unter einem ganz schlechten Stern steht und dass wir große Probleme haben, nach einer schwierigen Regierungsbildung in eine normale Regierungsarbeit zu kommen. Da müssen alle, die daran beteiligt sind, jetzt auch wissen, dass hier sehr viel auf dem Spiel steht. Es steht am Ende auf dem Spiel, ob das etablierte Parteiensystem bei uns in Deutschland, dem wir ja auch vieles zu verdanken haben – schließlich haben wir jetzt seit 70 Jahren Frieden, Freiheit, relativ starken sozialen Wohlstand, wir haben Sicherheit. Das System hat ja eine gute Bilanz hingelegt und ich finde, es muss jetzt einfach nur in der Form, wie gearbeitet wird, wieder zu einer Arbeit gekommen werden, wo man auch in dieses System Vertrauen haben kann. Da hat natürlich auch jeder und jeder Parteivorsitzende in dieser Koalition, finde ich, eine hohe Verantwortung.
    "Merkel sitzt zwischen den Stühlen"
    Heckmann: Das Vertrauen ist im Moment ganz offenbar nicht da. Sollte Angela Merkel über einen Übergang im Parteivorsitz nachdenken?
    Laumann: Ich persönlich glaube, dass Angela Merkel in dieser Frage eigentlich diejenige ist, die sich am meisten Mühe gibt, dass es gut wird und dass es Vertrauen gibt. Ich habe manchmal den Eindruck, dass ihr Problem ist, dass sie oft auch als Parteivorsitzende der CDU eine vermittelnde Position haben muss, was die CSU angeht, was manchmal auch die SPD angeht, und sie da zwischen allen Stühlen sitzt.
    Heckmann: Aber sie müsste ja auch mal Dinge voranbringen, oder?
    Laumann: Ich glaube nicht, dass man Frau Merkel für diese Situation verantwortlich machen kann. Ich halte sie nach wie vor für einen Glücksfall. Ich glaube, dass es, auch wenn man an die außenpolitische Lage denkt, sehr, sehr gut ist, dass wir sie haben, und ich traue ihr auch innenpolitisch noch einiges zu.
    Heckmann: Und sie sollte auch weiterhin den Parteivorsitz innehaben?
    Laumann: Ich persönlich bin der Meinung, dass sie eine gute Parteivorsitzende ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.